Rafik SchamiWenn du erzählst, erblüht die Wüste

E-Book (EPUB)

Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG (2023)

480 Seiten

ISBN 978-3-446-27854-7

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Kurztext / Annotation
Wenn er erzählt, erblüht die Wüste - der neue Roman von 'Meistererzähler Rafik Schami'. Denis Scheck
In einem arabischen Land herrscht im 19. Jahrhundert der weise König Salih. Als die Königin bei einem Attentat ums Leben kommt, versinkt die einzige Tochter in tiefe Melancholie. Die Thronfolgerin hat sich in einen armen Fischer verliebt, wovon ihr Vater nichts ahnt. Als Karam, der Kaffeehauserzähler, von ihrer Krankheit erfährt, beschließt er, die Prinzessin zu heilen. Allabendlich versammelt er erzählfreudige Menschen im Palast, um die junge Frau durch die schönsten Geschichten ins Leben zurückzuholen: von Mut und Feigheit, von Freundschaft und Feindschaft, von der Liebe und der Weisheit des Herzens. Eine Hommage an das Erzählen, die nicht nur Leserinnen und Leser von 'Tausendundeiner Nacht' begeistern wird.

Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren und lebt seit 1971 in Deutschland. Sein umfangreiches Werk wurde in 33 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so u.a. mit dem Hermann-Hesse-Preis, dem Nelly-Sachs-Preis, dem Preis 'Gegen Vergessen - Für Demokratie', dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis und der Carl-Zuckmayer-Medaille. Im Hanser Kinder- und Jugendbuch erschien u.a. Das ist kein Papagei (illustriert von Wolf Erlbruch, 1994), Die Sehnsucht der Schwalbe (2000), Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm (2003, illustriert von Ole Könnecke), Der Kameltreiber von Heidelberg (2006, illustriert von Henrike Wilson), Das Herz der Puppe (2012, illustriert von Kathrin Schärer), Meister Marios Geschichte (2013, illustriert von Anja Maria Eisen), Elisa oder Die Nacht der Wünsche (2019, illustriert von Gerda Raidt); im Erwachsenenprogramm des Verlages Die dunkle Seite der Liebe (Roman, 2004), Das Geheimnis des Kalligraphen (Roman, 2008), Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte (2011), Sophia oder Der Anfang aller Geschichten (Roman, 2015), Die geheime Mission des Kardinals (Roman, 2019) und Mein Sternzeichen ist der Regenbogen (2021).

Textauszug
Das grosse Geschenk

oder wie man unverhofft zu Geschichten kommt

Mit meiner Schwester Samar verbindet mich seit der Kindheit eine innige Liebe. Ich war vier, als sie auf die Welt kam. Sie weinte laut, die Hebamme, eine Freundin meiner Mutter, wusch sie und sang ihr schöne Lieder, die das neugeborene Baby willkommen heißen sollten, aber das Baby wollte nicht aufhören zu schreien. Es war eine Hausgeburt, und ich durfte - wenn auch in gewissem Abstand vom Bett - dabei sein. Dann plötzlich drehte sich das namenlose Baby auf dem Arm der Hebamme zu mir, hörte auf zu weinen und lachte mich an. Die Hebamme war verwundert und rief mich zu sich. Auf meinen fragenden Blick, ob ich das wirklich darf, nickte meine erschöpfte Mutter und lächelte. Ich kam näher, und das Baby lachte nun laut und entblößte seinen zahnlosen Mund. Ich fand das lustig, weil es mich an den Mund meiner Großmutter mütterlicherseits erinnerte.

Ich soll den Zeigefinger auf das Baby gerichtet und gerufen haben: »Tete Samar«, Großmutter Samar, und so nannte meine Mutter das Baby Samar. Meine Eltern hatten eine Abmachung getroffen: Meine Mutter gibt den Mädchen den Namen, dafür gilt der Wunsch des Vaters bei den Jungen.

Ich wurde zum Beschützer von Samar, und sie war die Zauberin, die Spenden aus Mutters Hand lockermachte. Sie war als Kind engelhaft schön, und wenn sie so still vor der Mutter stand und sie in einer gewissen Weise anlächelte, so sprangen dabei fünf bis zehn Piaster heraus, mit anderen Worten ein Eis und manchmal sogar eine Handvoll Erdnüsse dazu. Wir genossen die Beute immer zusammen und lachten viel. Ich allein hätte kaum eine Chance gehabt, die Mutter täglich um zehn Piaster zu erleichtern. Dafür wagte niemand weit und breit, Samar auch nur ein Haar zu krümmen. Diese Sicherheit hat ihr geholfen, eine scharfe Zunge zu entwickeln.

Auch heute sind wir trotz Entfernung und fünfzig Jahren Exil unzertrennlich. Wir telefonieren in der Regel zweimal wöchentlich und lästern über die Welt. Diese besondere, innige Freundschaft hat uns nicht selten in Krisen Halt gegeben. Samar und ich haben uns nie gescheut, einander auch unsere herbsten Niederlagen und dümmsten Fehler einzugestehen und beim anderen Rat zu holen.

Mein Vater hatte zu Lebzeiten nur ein Hobby: Bücher. Er war wohlhabend und errichtete mit den Jahren eine große Bibliothek in unserem Sommerhaus in Maalula, einem christlich-aramäischen Dorf sechzig Kilometer nördlich von Damaskus. Er liebte edle Bücher, vor allem aber Erstdrucke, Handschriften und seltene Ausgaben historischer Werke.

Auf einem Regal stand ein gerahmter Spruch, von einem Kalligraphen mit schöner Schrift geschrieben. Der kleine Rahmen war mit Intarsien geschmückt. Ich konnte diesen Spruch auswendig, weil er mir bei jedem Vorbeigehen auf Augenhöhe entgegenstrahlte. Er stammte nicht von einem arabischen Gelehrten, sondern von Pierre Curie, dem Atomphysiker. Jetzt, während ich an diesem Text arbeite, fällt er mir wieder ein, ich suchte danach, und tatsächlich, er existiert. Wortwörtlich so, wie er auch hinter der Glasscheibe in jenem Rahmen stand:

»Nur dreißig Bücher aus Andalusien haben uns erreicht, und wir konnten das Atom spalten. Wenn wir nur die Hälfte der Million Bücher hätten, die alle verbrannt worden sind, würden wir heute zwischen Galaxien hin- und herreisen.«

Doch als Naturwissenschaftler zweifele ich bei aller Verehrung von Marie und Pierre Curie daran, dass er von Pierre Curie stammt. Das Atom wurde erst etwa dreißig Jahre nach seinem Tod 1906 gespalten. Dennoch hat der Spruch seine Berechtigung, denn in Spanien wurden Berge von Manuskripten und Büchern nach der Vertreibung der Araber und Juden verbrannt.

Damals sagte mir mein Vater, der Spruch von Pierre Curie gebe genau seine Meinung wieder und sei die treibende Kraft hinter seiner Bücherleidenschaft. Auch als er



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet


Und es blühte die Wüste
von Ele
Wenn du erzählst, erblüht die Wüste, Roman von Rafik Schami, Ebook, Carl Hanser Verlag.
Eine Sammlung von wunderbaren Geschichten wie aus tausendundeiner Nacht.
Jasmin die einzige Tochter des weisen Königs Salih versinkt durch den Tod ihrer Mutter in tiefe Melancholie. Ihr Vater ahnt auch nicht, dass sie sich in einen armen Fischer verliebt hat. Verzweifelt sucht er Heiler die der Tochter helfen können. Karam der Kaffeehauserzähler beschließt die Prinzessin zu heilen. Und so versammelt er zehn Abende lang erzählfreudige Menschen im Palast, um die traurige Prinzessin mit den schönsten Geschichten aus ihrer Traurigkeit herauszuholen. Geschichten von Mut und Feigheit, von Freundschaft und Feindschaft, von der Liebe und der Weisheit des Herzens. Eine Hommage an das Erzählen.
Rafik Schami, einer meiner Lieblingsautoren, hat es mit dieser Anthologie geschafft, mich völlig zu begeistern. Eine Illusion ähnlich wie in tausendundeiner Nacht. So viele Märchen und Erzählungen, traurig, lustig oder nachdenklich machend, auch vereinzelt mit einem Hauch Frivolität, kurze und längere, eingebettet in eine Rahmenhandlung die mich ebenfalls berührt hat. Der Ursprung dieses
Werkes stammt aus einem Buch, welches von der Zerstörung durch den Krieg, aus der Bibliothek seines Vaters gerettet wurde. Eingeteilt sind die Erzählungen nach Themen, für jeden Abend der Erzählrunde ein anderes Thema. Die einzelnen Geschichten mit einem fett gedruckten Titel passend zum Inhalt überschrieben, sodass man einzelne Märchen immer wieder schnell finden kann. Ganz sicher werde ich das immer wieder tun.
Bildmalerisch erzählt im orientalischen Stil und voller Poesie. Ich habe das Buch begonnen und war sofort gefesselt. In der Hälfte des Buches habe ich begonnen, ganz langsam zu lesen, ich wollte einfach nicht, dass das Buch zu Ende geht. Wieder einmal habe ich gemerkt, was für ein begnadeter Erzähler der Autor ist, er bringt mit seinen Worten die Wüste zum Blühen.
Ganz besonders schön fand ich die Geschichten über die Liebe, sie haben mich vereinzelt zu Tränen gerührt, mich im Innersten getroffen. Aber alle waren es wert in diese Sammlung aufgenommen zu werden. Ich habe mich daran erfreut, sie haben mich getröstet, mich zum Schmunzeln gebracht oder belehrt. Ich kann dieses Buch einfach nur Jedem ans Herz legen. Die Leser, die orientalische Geschichten mögen, oder wie ich Fans des Autors sind, sollten es unbedingt lesen und genießen. Eine einmalige Gelegenheit Rafik Schami und seine Kunst kennenzulernen. Ganz besonders finde ich diesen Band auch als Geschenk geeignet, ich werde das ganz sicher tun.
Von mir volle Punktzahl, fünf Sterne.
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