Rafik SchamiDie geheime Mission des Kardinals

E-Book (EPUB)

Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG (2019)

432 Seiten

ISBN 978-3-446-26493-9

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Kurztext / Annotation
Ein italienischer Kardinal, eine geheime Mission, ein Mord in Damaskus - der spannende neue Roman vom Meistererzähler Rafik Schami
Noch herrscht Friede in Syrien. Die italienische Botschaft in Damaskus bekommt 2010 ein Fass mit Olivenöl angeliefert, darin die Leiche eines Kardinals. Kommissar Barudi will das Verbrechen aufklären; Mancini, ein Kollege aus Rom, unterstützt ihn und wird sein Freund. Auf welcher geheimen Mission war der Kardinal unterwegs? Wie stand er zu dem berühmten Bergheiligen, einem Muslim, der sich auf das Vorbild Jesu beruft? Bei ihrer Ermittlung fallen die beiden Kommissare in die Hände bewaffneter Islamisten. Rafik Schamis neuer Roman erzählt von Glaube und Liebe, Aberglaube und Mord und führt uns tief in die Konflikte der syrischen Gesellschaft und in das berufliche Schicksal und die Liebe eines aufrechten Kommissars.

Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren und lebt seit 1971 in Deutschland. 1979 promovierte er im Fach Chemie. Sein umfangreiches Werk wurde in 33 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so u.a. mit dem Hermann-Hesse-Preis, dem Nelly-Sachs-Preis, dem Preis Gegen Vergessen - Für Demokratie und dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis. Im Hanser Kinder- und Jugendbuch erschien u.a. Das ist kein Papagei (illustriert von Wolf Erlbruch, 1994), Die Sehnsucht der Schwalbe (2000), Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm (2003, illustriert von Ole Könnecke), Der Kameltreiber von Heidelberg (2006, illustriert von Henrike Wilson), Das Herz der Puppe (2012, illustriert von Kathrin Schärer), Meister Marios Geschichte (2013, illustriert von Anja Maria Eisen), Elisa oder Die Nacht der Wünsche (2019, illustriert von Gerda Raidt); im Erwachsenenprogramm des Verlages Die dunkle Seite der Liebe (Roman, 2004), Das Geheimnis des Kalligraphen (Roman, 2008), Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte (2011), Sophia oder Der Anfang aller Geschichten (Roman, 2015) und Die geheime Mission des Kardinals (Roman, 2019).

Textauszug

1.

Der Bergheilige

Der Regen klopfte mal schüchtern, mal aufdringlich gegen die Fensterscheiben. Kommissar Barudi schaute, wenn die Tropfen heftig trommelten, kurz von seiner Arbeit auf. Er saß in seiner Küche. Auf dem Küchentisch lagen, neben dem Laptop, der nur am Wochenende hier war, Papier, Schere, Filzstifte und eine Tube mit Klebstoff. »Ein Mistwetter«, flüsterte er und war dankbar, in seiner warmen Wohnung zu sein. Bis auf das Geschmetter des Nachbarn über ihm, der fürchterlich falsch sang, das aber mit Leidenschaft, war die Atmosphäre sehr beschaulich - wie bestellt, dachte Barudi. Sobald er im Februar in Rente gehen würde, wollte er in eine andere Wohnung umziehen. Diese hier war billig. Die Wände filterten nur Gerüche, nicht aber Geräusche.

Kommissar Barudi war Mitte sechzig, seine kräftige Gestalt und sein glattes, wenn auch ernstes Gesicht ließen ihn jedoch jünger erscheinen. Er war mittelgroß und neigte zur Fülle, sein graues Haar war schütter. Die Kurzsichtigkeit zwang ihn, da er keine Kontaktlinsen vertrug, eine immer dickere Brille zu tragen, bis seine Augen wie zwei Erbsen wirkten, die in einen Glasstrudel geraten waren.

Er hatte gerade seinen Spezialkalender zusammengeklebt, November und Dezember des aktuellen Jahres 2010, und die Monate Januar und Februar des kommenden Jahres. Darüber hatte er in großer, bunter Schrift geschrieben: Die Tage vor der Befreiung.

Dreizehn Tage im November waren bereits durchgestrichen, und über dem Februar stand in gelbleuchtender Schrift »Ich bin frei«.

Er nahm einen Schluck von seinem nach Kardamom duftenden Mokka und hängte den Kalender an die Wand neben dem Esstisch. Ein Kugelschreiber baumelte an einem Faden vom Nagel über dem Kalender.

In diesem Moment fiel Barudi auf, dass er zwar den gestrigen Tag, einen Samstag, ausgestrichen hatte, nicht aber den Sonntag. Und so nahm er den Kugelschreiber und schrieb ein großes X in das entsprechende Feld.

»Vom heutigen Sonntag, dem 14. November, bis zum 1. Februar 2011 sind es genau 79 Tage. Das macht immerhin ...«, flüsterte er und tippte einige Zahlen in den Rechner seines Laptops: 79 x 24 x 60 x 60 = 6.825.600 Sekunden. Er pfiff durch die Zähne. »Fast sieben Millionen Herzschläge bis zur Rente.«

Nachdem er den Tisch freigeräumt hatte, bestellte Barudi bei einem Imbiss Köfte mit Reis und Salat und wunderte sich, wie schnell der durchnässte Bote da war. »Haben Sie einen fliegenden Teppich?«, fragte er und gab dem Mann aus Mitleid reichlich Trinkgeld.

»Danke, mein Herr, nein, keinen Teppich, sondern ein gutes Mofa.«

Der Salat war ein wenig welk, dafür war das Essen kochend heiß. Es schmeckte ihm, und er beschloss, ein Glas trockenen Rotwein dazu zu trinken.

Er schenkte sich den Rest aus der Rotweinflasche ein, warf die leere Flasche in den Mülleimer, füllte eine kleine Schale mit gesalzenen Pistazien, stellte alles auf ein kleines Tablett und trug es ins Wohnzimmer. Dort setzte er sich auf das Sofa gegenüber dem Fernseher. Er zappte eine Weile von Kanal zu Kanal. Plötzlich hielt er inne und zappte wieder zurück, denn erst in letzter Sekunde hatte er den eingeblendeten Titel der Sendung bemerkt: Heilung des Unheilbaren.

Es war eine der wenigen seriösen Talkshows, die er ab und zu sah. Er mochte den Moderator, ein bekannter, schon älterer Journalist, zu dem die Experten gerne kamen, weil er sie ernst nahm und sich exzellent vorbereitete. Nur einmal im Monat wurde seine Sendung »Unter der Lupe« im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt.

Barudi hatte Glück. Die Sendung hatte gerade erst angefangen. Es ging um den berühmten »Bergheiligen« und seine Erfolge. Durch Handauflegen heilte dieser nicht nur »gewöhnliche« Krankhe



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