T.C. BoyleSind wir nicht Menschen

E-Book (EPUB)

Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG (2020)

400 Seiten

ISBN 978-3-446-26742-8

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Kurztext / Annotation
Böse, komisch, bizarr - die neuesten Stories von T. C. Boyle: Der Meister der American Short Story nimmt uns mit auf eine bewegte Reise in unsere unheimliche Zukunft.
In seinen neuesten Stories nimmt uns T.C. Boyle mit auf eine bewegte Reise in unsere unheimliche Zukunft. Eine Zukunft, in der der kirschrot phosphoreszierende Pitbull das klavierspielende Mikroschwein der Nachbarin zerfleischt. In der durch Genmanipulation perfekte Kinder aus dem Katalog gezeugt werden oder man mit der Relive Box in die eigene Vergangenheit reisen kann. In T.C. Boyles komisch-bizarren Erzählungen wimmelt es von argentinischen Ameisen und ebenso sympathischen wie unheimlichen Wesen, die unser Leben bedrohen. Die beste Sammlung des Meisters der American Short Story - böser und witziger und unterhaltsamer denn je.

T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, ist der Autor von insgesamt 27 Romanen und Erzählungen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles. Bei Hanser erschienen zuletzt Das wilde Kind (Erzählung, 2010), Wenn das Schlachten vorbei ist (Roman, 2012), San Miguel (Roman, 2013), die Neuübersetzung von Wassermusik (Roman, 2014), Hart auf hart (Roman, 2015), die Neuübersetzung von Grün ist die Hoffnung (Roman, 2016), Die Terranauten (Roman, 2017), Good Home (Erzählungen, 2018), sowie Das Licht (Roman, 2019).

Textauszug
The Way You Look Tonight

Um Viertel nach sieben saß er im Lehrerzimmer, nippte an dem Latte, den er sich auf dem Weg zur Arbeit geholt hatte, und las seine E-Mails, bevor der Unterricht anfing. Er klickte auf eine Mail seines Bruders Rob, und ein Porno erschien auf dem ganzen Bildschirm. Seine erste Reaktion war Ärger, der rasch in Verwirrung und dann Angst umschlug - in dem Augenblick, als er erkannte, um was es sich handelte (verschwommene Farben, grelles Licht, Bewegung), drückte er auf Escape und schaute sich schnell im Raum um, ob ihn jemand beobachtet hatte. Nein. Um diese Uhrzeit war das Lehrerzimmer fast leer, und die wenigen Anwesenden waren tief in sich selbst versunken, starrten auf ihren Laptop und sahen aus, als wäre ihnen über Nacht das Blut ausgesaugt worden. Es war Montag. Die Fenster wurden von dem Nieselregen verdunkelt, der kurz vor Tagesanbruch eingesetzt hatte. Das einzige Geräusch war das leise Klimpern von Schlüsseln.

Plötzlich war er wütend. Was hatte sich Rob dabei gedacht? Er könnte gefeuert werden. Würde gefeuert werden. In null Komma nichts. Das Schulgelände war drogenfrei, alkoholfrei, tabakfrei, und jeder Lehrer musste jedes Jahr einen zweistündigen Online-Kurs zum Thema sexuelle Belästigung machen, um den Bedingungen zu genügen. Einen Porno herunterladen? Am Arbeitsplatz? Das war so völlig inakzeptabel, dass es in dem Kurs nicht einmal erwähnt wurde. Seine Finger zitterten auf den Tasten, sein Herz schlug heftig. Er klickte auf die nächste Nachricht - ein blöder Witz, den sein Zimmergenosse aus dem College an jeden, den er kannte, geschickt hatte, ungefähr dreißig Adressen in der Empfängerzeile - und löschte sie, bevor er bei der Pointe angelangt war. Dann eine Erinnerung von seinem Zahnarzt, dass er heute nach der Schule um halb vier einen Termin bei ihm hatte, und eine lange Reihe des üblichen Mists an Nachrichten - Waisenkinder in Haiti, Viagra, Eine einzigartige Gelegenheit, die Sie sich nicht entgehen lassen dürfen -, die er zunehmend wütend eine nach der anderen löschte, so dass Eugenie McCaffrey, die Mathelehrerin, kurz aufblickte, um sich dann wieder ihrem eigenen Bildschirm zu widmen. Rob hatte nichts dazugeschrieben, nur das Video geschickt. Und in der Betreffzeile stand: Ich dachte, das wird dich interessieren.

Bis zum Mittagessen hatte er die Sache vergessen, doch als er sein Handy checkte, sah er, dass Rob ihm eine SMS geschickt hatte, die nur aus Fragezeichen bestand: ?????? Mit einem Sandwich in der Hand und dem mittäglichen Stimmengewirr des Lehrerzimmers um sich herum - Essen, Koffein, noch zwei Stunden Unterricht - rief er Rob an, doch der meldete sich nicht, und die Mailbox war voll. Natürlich. Er stellte sich das Gesicht seines Bruders vor, die Hipsterfrisur, das dümmliche Grinsen, der über einen Insiderwitz amüsierte Blick - wann würde er je erwachsen? -, dann rief er Laurie in der Arbeit an, weil ihm plötzlich eingefallen war, dass sie am Abend mit einer ihrer Kolleginnen und ihrem Mann, den er nicht kannte, zum Abendessen verabredet waren, und er sich fragte, inwiefern das mit dem Footballspiel im Fernsehen kollidieren würde oder nicht, aber auch sie meldete sich nicht.

Nach der Arbeit fuhr er zum Zahnarzt. Es nieselte nicht mehr, stattdessen trieben Dunstschwaden herum, die hin und wieder einen Streifen Sonnenlicht durchließen, und das letzte, was er zumindest heute von der Schule sah, waren hell erleuchtete weiße Mauern und orangefarbene Dachschindeln, die im Rückspiegel rasch schrumpften. Da nicht viel Verkehr war, kam er fünfzehn Minuten zu früh zum Zahnarzt, dessen Praxis sich im ersten Stock des Hauptgebäudes eines nicht überdachten Einkaufszentrums in Tudor-Stil befand - im Erdgeschoss eine Bank, links davon ein italienisches Restaurant mit ein paar Tischen im Freien, dann ein Immobilienmakler und ein Sandwich-Laden und imme



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