Swing Time
Allgemeine Handelsware
Kiepenheuer & Witsch (2017) (2017)
640 Seiten
ISBN 978-3-462-04947-3
Besorgungstitel, lieferbar voraussichtlich innerhalb von 14 Tagen
€ 24,70
Langtext
Als sich die beiden Mädchen zum ersten Mal begegnen, fühlen sie sich sofort zueinander hingezogen: Die gleiche Leidenschaft fürs Tanzen und für Musicals verbindet sie, doch auch derselbe Londoner Vorort und die Hautfarbe. Ihre Wege trennen sich, als Tracey tatsächlich Tänzerin wird und erste Rollen in Musicals bekommt. Ihre Freundin wiederum jettet als Assistentin der berühmten Sängerin Aimee um die Welt. Als Aimee in Westafrika eine Schule gründen will, reist sie ihr voraus und lässt sich durch das Land, in dem ihre Wurzeln liegen, verzaubern und aus dem Rhythmus bringen. - Dieser grandiose Roman, der in den USA und in Großbritannien von Presse und Publikum gefeiert wird, erzählt am Beispiel zweier Freundinnen vom Siegen und Scheitern, vom Beginnen und Enden.
Zu viel gewollt
Zum einen geht es um das Erwachsen werden der Ich-Erzählerin, es um eine langjährige Freundschaft, die ambivalent ist. Es geht um Schwarz vs. Weiß, Chancengleichheit, das England der 90er erfolgreich und hipp. Viele politische Fragen werden gestellt. Für mich war es zuviel, denn die Autorin konnte sich nicht wirklich auf etwas konzentrieren, vielleicht wollte sie soviel wie möglich einbringen und vergaß darüber eine spannende Geschichte zu erzählen. Ich wartete vergeblich auf einen richtigen Spannungsbogen, er schien oft zum Greifen nahe, aber der Faden wurde nicht fortgeführt und sich wieder auf etwas anderes konzentriert. Das Lesen viel mir entsprechend schwer. Und am Ende blieb ich unbefriedigt und etwas ratlos zurück.
Auch die Protagonistin konnte bei mir nicht Punkten. Sie war mir nicht sympathisch, blieb unzugänglich für mich. Ich konnte nicht wirklich mitfiebern mit ihr. Auch die anderen Charaktere rissen mich nicht mit, keiner wurde mir sympathisch. Zum Teil wirkten sie sehr überzogen.
Wie viele andere schon anmerkten, ist der Schreibstil das große Plus des Romans. Die Autorin benutzt eine sehr bildhafte Sprache, die einzelnen Sätze versprechen Tiefe. Zadie Smith kann schreiben, weshalb ich sie auch weiter verfolgen werde und einfach hoffe, dass sie in ihrem nächsten Roman der Handlung mehr Aufmerksamkeit schenken wird.
Willkommen in der Matrix!
Laut Klappentext erzählt Zadie Smith von der Freundschaft zweier Mädchen bis ins Erwachsenenalter, wobei Freundschaft hier "Ferrante-mäßig" daher kommt: beide Mädchen leben unterhalb der Mittelschicht und Freundschaft bedeutet ein sehr merkwürdiges aufeinander-Bezogensein, mit Phasen der Unzertrennlichkeit, aber auch der Entzweiung, mit merkwürdiger Unterordnung der einen gegenüber der anderen; das ist der Part der mich auch schon bei Ferrantes "Genialer Freundin" genervt hat. Auch!
Das ist ein Buch über Träume und Hoffnungen - die beiden Mädchen lernen sich beim Ballettunterricht kennen, doch nur Traceys Talent reicht für die Akademie. Die Ich-Erzählerin hat schulische Begabung, doch wegen des Widerstandes gegen ihre ehrgeizige Mutter führt sie das nicht immer weiter. In der Realisierung von Träumen dürfte man dennoch am ehesten dieser Mutter Gewinner-Punkte zusprechen, wenn auch eher für sich selbst.
Dies ist ein Buch über das Leben eines modernen internationalen Stars, dessen Assistentin die Ich-Erzählerin ist: Aimee reist durch die Welt für Konzerte mit einem Tross an Mitarbeitern, denen sie das Privatleben aussaugt: Dauer-Erreichbarkeit, ein goldener Gruppen-Käfig, wohltätige Projekte und ein Misstrauen gegenüber denen, die sie nur ausnutzen wollen, der "Kundschaft", was sich auf ihr Personal überträgt (da es ja absichtlich oder ungewollt Informationen preisgeben könnte): Freunde, Partnerschaften, Kinder? Eher selten. Die Abgehobenheit dieses Lebens wird nachvollziehbar beschrieben, ja, als geradezu zwingend.
Das ist ein Buch über irgendetwas wie schwarze Identität: Die Mutter von Tracey ist weiß, ihr meist abwesender Vater schwarz. Bei ihrer Freundin ist es "falsch herum", wie sie sagt (irgendetwas, dazwischen). Mit Aimee reist die Ich-Erzählerin später nach Afrika: trotz des Besuchs an den Stätten des Ursprungs der Sklaverei und damit auch des Ursprungs ihrer eigenen Geschichte (die Mutter wurde auf Jamaika geboren) scheitert sie, immer wieder, an ihren Missverständnissen und Vorannahmen. Vielleicht geht es auch um Identität generell - um Ziele, um das, was einen ausmacht. Vielleicht.
Dies ist ein Buch über die Achtziger und Neunziger Jahre in Großbritannien, erst mit den typischen Spielsachen, später mit dem Rausch des Booms der privaten TV-Sender, an dem die Ich-Erzählerin als Angestellte teilnimmt.
Dies ist ein Buch vom Scheitern (wieder Klappentext) - die Ich-Erzählerin arbeitet sich unermüdlich mit Andeutungen darauf hin, dass es sowohl einen Bruch mit Tracey geben wird als auch einen mit Aimee. Ich hatte da mit so einigem gerechnet - die Gründe kommen so spät, dass ich eher entnervt war und auch enttäuscht ob ihrer Nichtigkeit. "Später hieß es, ich sei Aimee eine schlechte Freundin gewesen, schon immer, ich hätte die ganze Zeit nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, sie zu verletzen, sogar zu zerstören." S. 281 "Sie hat mir etwas furchtbares angetan. Als wir zweiundzwanzig waren." S. 204
Und entnervt trifft es insgesamt: Ich weiß nicht so recht, was für ein Buch von den vielen oben es denn nun sein soll - am ehesten über die Identität, aber dafür gibt es so verdammt viele breit ausgeführte Nebenansätze. Dann braucht zwar auch Ferrante insgesamt vier Bände für ihre Geschichte und zeigt damit Längen, für mich besonders im ersten Buch, aber auch bei Zadie Smith wurden mir die 640 Seiten oft seeehr lang (fast noch nervender, dass es zwischendurch immer wieder fesselte). Sie spricht viele aktuelle Themen an, bis zum "hintenrum" aus Afrika 'raus (= über Lampedusa), über die Unfähigkeit des britischen Erziehungswesens, das Kindern armer Eltern Aufsätze über Ferienerlebnisse oder Gartenprojekte aufbrummt (in Abwesenheit von Ferienfahrten und Gärten) - kratzt dabei aber nur an sehr vielen Oberflächen. Und dann diese Andeutungen im Buch zu dem, was kommen wird, das sich im kapitelweisen Wechsel durch Vergangenheit und Jetztzeit arbeitet, dabei immer und immer und immer wieder ein Stückchen vom Ohr des Kaninchens zeigt, das es letztlich aus dem Hut zieht.
Sprachlich gelingt das durchaus immer wieder schön: "In der stetig wachsenden Lücke zwischen ihnen [meinen Eltern] spielte sich meine Kindheit ab." S. 33 Oder: "Sie maß die Zeit in Buchseiten. Eine halbe Stunde, das waren für sie zehn gelesene Seiten oder auch vierzehn, je nach Schriftgröße, und wenn man sich die Zeit so vorstellt, dann bleibt davon nichts übrig für irgendetwas anderes, es bleibt keine Zeit, in den Park zu gehen, oder sich ein Eis zu holen…" S. 278 Solche Bilder sind toll, häufig wird es jedoch überzogen "Wie ist es wohl den Mädchen auf den Baumwollfeldern ergangen – oder denen in den viktorianischen Armenhäusern?" S. 94 Nun, man vergebe mir die Plattitüde: wohl nicht gut. Auch die anscheinend ernstgemeinte Sicht der Ich-Erzählerin, ihr eigenes Leben für sehr "brav" zu halten, während sie beschreibt, wie sie mit 15 und unter Einverständnis ihrer Mutter bis nach Mitternacht allein ausgeht, mit der Wodka-Flasche dabei, wobei sie dann mit einem völlig Unbekannten im Nebenzimmer ungeschützten Sex hat. Ja, gibt’s alles, die meisten Teenager machen Alkohol-Experimente, aber: das Selbstbild?
Ich musste mich durch's Buch quälen, von wenigen Passagen ausgenommen, blieb ratlos zurück. Und: warum der "Rebecca"-Touch, der die Ich-Erzählerin namenlos lässt? Warum wird das afrikanische Land für Aimees Projekt nie genannt - ich war irgendwann ganz fixiert auf die Identifikation (wohl Gambia, auf S. 303 wird dessen Hauptstadt Banjul genannt, die Beschreibung des Königs passt auf Yahya Jammeh). Nein, ich denke, dass muss man nicht lesen. Es blieb mir fern, war mir zuletzt zu viel Gejammer aus den Perspektiven von drei Protagonistinnen, denen es eigentlich doch hätte gut gehen können. Nur zwei Sterne von fünf, trotz der Sprache.
Der Traum vom Tanzen
Cover:
Das Cover gefällt mir sehr gut, das leuchtende gelb sticht einem sofort ins Auge, auch die Schrift finde ich sehr schön. Das Cover kommt auch sehr gut ohne Bild aus.
Inhalt:
Swing Time ist ein Roman über eine ?Mädchenfreundschaft? zwischen zwei Mädchen. Die Mädchen, die aus ähnlichen Verhältnissen kommen, sie haben beide jamaikanische Wurzeln, also einen Migrationshintergrund und sie leben in demselben Londoner Vorort. Sie treffen sich in einer Tanzschule. Sie träumen beide davon Tänzerin zu werden (dieser Wunsch verbindet sie). Zu Beginn des Buches steht die Freundschaft zweier Kindern im Zentrum, das Buch begleitet jedoch beide Mädchen durch die Kindheit bishin ins Erwachsenenalter.
Die namenlose Ich- Erzählerin besucht zwar die Schule, hat im Gegensatz zu ihrer besten Freundin Tracey aber leider Plattfüße und kein Talent. Während Tracy es schafft ihren Traum zu verwirklichen, wenn auch nicht ganz erfolgreich, studiert die Erzählerin zunächst, wird dann aber Assistentin des Popstars Aimee und reist in deren Auftrag nach Westfrika, um eine Mädchenschule aufzubauen.
Schließlich trennen sich die Lebenswege der Freundinnen und sie verlieren sich aus den Augen, ohne den Kontakt jedoch ganz abzubrechen. Die Wege der Freundinnen kreuzen sich immer wieder zufällig und sich sind immer noch vertraut.
Schreibstil:
Der sehr bildhafte Schreibstiel gefällt mir sehr gut, er wirkt sehr authentisch und passt auch zu den Personen. Ich konnte mir alle Personen sehr gut vorstellen und hatte ein lebendiges Bild von Ihnen im Kopf.
Fazit:
Mir gefiel es sehr gut, dass Smith unterschiedliche Themen, wie Vorurteile, Rassismus, Religion, Scheitern und verpasste Chancen aufgegriffen/ verarbeitet hat.
Das Buch hat sich ganz anders entwickelt, als ich zunächst angenommen habe: Ich dachte, es gehe nur um die Freundschaft in der Kindheit, was aber nur der Beginn ist. Es geht immer mehr um die Geschichte der Ich-Erzählerin.
Auch wenn Smith der ich-Erzählerin bewusst keinen Namen gegeben hat, habe ich diesen vermisst.
Im Großen und ganzen finde ich es einen sehr gut gelungenen Roman, den ich auch gerne weiterempfehle!.