Maya AngelouIch weiß, warum der gefangene Vogel singt

E-Book (EPUB)

Suhrkamp Verlag (2018)

322 Seiten

ISBN 978-3-518-75944-8

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Kurztext / Annotation

Die Ikone der afroamerikanischen Literatur, ihr epochemachendes Werk: Maya Angelou wächst in den Dreißigerjahren im Kramerladen ihrer Großmutter am Rande einer Baumwollplantage auf. Für sie und ihren Bruder ein Ort des Zaubers und des Spiels inmitten einer schwarzen Gemeinde, die der Hass und die Armut auszulöschen droht ... Dieses Buch erzählt die Geschichte eines trotzigen Mädchens im Kampf gegen unvorstellbare Widerstände. Und zur gleichen Zeit singt es die schönste Hymne auf die weltverändernde Kraft der Worte, der Fantasie, der Zärtlichkeit im Angesicht des Grauens.

»Eine Offenbarung und mein Talisman.« Oprah Winfrey

»Sie hatte neunzehn Talente, gebrauchte zehn und war ein richtiges Original.« Toni Morrison

»Markiert den Anfang einer neuen Ära.« James Baldwin

»Das erste Buch, das ich als Jugendliche gelesen habe.« Rihanna

»Eine phänomenale Frau!« Beyoncé



Maya Angelou, geboren 1928, war Tänzerin, Calypso-Sängerin, erste schwarze Straßenbahnschaffnerin San Franciscos, alleinerziehende Mutter, Pimp, Schauspielerin, Theaterregisseurin, Filmregisseurin, Journalistin, Prosaschriftstellerin, Lyrikerin, Bürgerrechtlerin, engste Vertraute von Martin Luther King und Malcolm X, und das alles vor ihrem vierzigsten Geburtstag. Als sie 2014 verstarb, trauerte ganz Amerika. Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt erschien erstmals 1969.



Textauszug
1

Als ich drei war und Bailey vier, waren wir in der muffigen kleinen Stadt angekommen. An unseren Handgelenken hingen Zettel, die jeden, den es interessierte, davon in Kenntnis setzten, dass wir Marguerite und Bailey Johnson jun. aus Long Beach, Kalifornien, waren, unterwegs nach Stamps, Arkansas, c/o Mrs Annie Henderson.

Unsere Eltern hatten sich entschlossen, ihrer katastrophalen Ehe ein Ende zu setzen, und Vater schickte uns nach Hause zu seiner Mutter. Ein Gepäckträger sollte sich um uns kümmern - er verließ den Zug am nächsten Tag in Arizona -, und unsere Fahrkarten waren an der Innentasche im Mantel meines Bruders festgemacht.

Viel von dieser Reise habe ich nicht in Erinnerung behalten, aber als wir den rassengetrennten Süden erreichten, müssen sich die Verhältnisse für uns wohl gebessert haben. Mitreisende Schwarze, die stets mit vollgepackten Esspaketen fahren, hatten Mitleid mit »den armen kleinen mutterlosen Lieblingen« und versorgten uns mit kaltem Huhn und Kartoffelsalat.

Jahre später erfuhr ich, dass die Vereinigten Staaten tausendfach von verängstigten schwarzen Kindern durchquert worden waren, allein auf dem Weg zu ihren neuerdings wohlhabenden Eltern in den Metropolen des Nordens oder, wenn der Norden seine Versprechen nicht gehalten hatte, zurück zu den Großmüttern in den Kleinstädten des Südens.

Die Kleinstadt verhielt sich zu uns, wie sie sich schon vor unserer Ankunft zu allem verhalten hatte, was neu war. Sie begutachtete uns eine Zeit lang ohne Neugier, aber behutsam, und nachdem wir als harmlos (und Kinder) betrachtet wurden, umschloss sie uns, wie eine wirkliche Mutter ein fremdes Kind umarmt. Warm, aber nicht zu vertraulich.

Wir wohnten bei unserer Großmutter und einem Onkel in den hinteren Räumen des Ladens (einfach immer: der Laden), den sie seit etwa fünfundzwanzig Jahren besaß.

Zu Beginn des Jahrhunderts hatte Momma (wir hatten schnell aufgehört, sie Großmutter zu nennen) Essen an die Arbeiter im Sägewerk in Ost-Stamps und im Baumwoll-Egrenierwerk in West-Stamps verkauft. Ihre knusprigen Fleischpasteten und die kühle Limonade zusammen mit ihrer übernatürlichen Fähigkeit, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, sicherten ihr geschäftlichen Erfolg. Sie begann mit einem mobilen Ladentisch, brachte es bald zu einem festen Stand zwischen den beiden lukrativen Orten und deckte so einige Jahre lang den Bedarf der Arbeiter. Dann richtete sie im Herzen des schwarzen Viertels einen richtigen Laden ein. Mit den Jahren wurde er zum Angelpunkt der städtischen Aktivitäten. Am Sonnabend setzten Barbiere ihre Kunden in den Schatten der Ladenveranda, und Sänger, auf ihren endlosen Wanderungen durch den Süden, lehnten sich ans Geländer, sangen ihre traurigen Lieder und spielten auf Kanister-Harfen und Zigarrenkisten-Gitarren.

Die offizielle Bezeichnung des Ladens lautete Wm. Johnson General Merchandise Store. Den Kunden wurden ganze Stapel von Nahrungsmitteln geboten, eine ordentliche Auswahl farbigen Garns, Mischfutter für die Mastschweine, Mais für die Hühner, Petroleum für die Lampen, Glühbirnen für die Wohlhabenden, Schnürbänder, Haarwaschmittel, Luftballons und Blumensamen. Was nicht zu sehen war, musste lediglich verlangt werden.

Ehe wir so heimisch waren, dass der Laden zu uns und wir zu ihm gehörten, waren wir eingeschlossen in einem Tollhaus der Waren, dessen Aufseher für immer verschwunden war.

Jahr für Jahr beobachtete ich, wie sich das Feld gegenüber vom Laden raupengrün färbte und nach und nach in ein frostiges Weiß überging. Ich wusste genau, wie lange es dauerte, bis die großen Wagen auf den Vorplatz rollten und die Baumwollpflücker abholten, um sie bei Tagesanbruch auf die Plantagen zu bringen.

Während der Erntezeit stand meine Großmutter um vier Uhr auf (sie benutzte nie einen Wecker), kniete als Erstes auf dem knarrenden Fußboden nied



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