Raymond QueneauZazie in der Metro

E-Book (EPUB)

Suhrkamp Verlag (2019)

237 Seiten

ISBN 978-3-518-76132-8

EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur für Kunden mit Rechnungsadresse in Österreich möglich!

Kurztext / Annotation

Zazie in der Metro ist einer der beliebtesten französischen Romane des 20. Jahrhunderts - eine wilde, verspielt und deftig erzählte Geschichte über Paris, über die Sprachen des Alltags und über die abenteuerlustige, neunmalkluge Zazie, die so ziemlich ALLES auf den Kopf stellt.

Madame Grossestittes will ungestörte Stunden mit ihrem Liebhaber verbringen. Deshalb übergibt sie ihre Tochter Zazie ihrem Bruder Gabriel, der in einem Cabaret arbeitet. Bei ihrem Onkel lernt die freche Zazie Gabriels Frau Marceline kennen, den Taxifahrer Charles, Turandot, dem die Kneipe unten im Haus gehört, die Kellnerin Mado, den Papagei Laverdure und vor allem das überbordende Paris selbst. Zazie hat einen einzigen Herzenswunsch - sie will einmal im Leben mit der Metro fahren. Doch die wird ausgerechnet an diesem Wochenende bestreikt.

Dachten wir bisher! Aber nach sechzig Jahren kommt Zazie in dieser erweiterten Ausgabe des Romans erstmals wirklich in die Metro ...



Raymond Queneau, geboren 1903 in Le Havre, gestorben 1976 in Paris, hinterließ ein umfangreiches, vielgestaltiges Werk. Von 1924 bis 1929 gehörte er zur Gruppe der Surrealisten, ab 1961 zu der avantgardistischen Literatengruppe »Oulipo«. 1938 wurde er Lektor des Verlags Gallimard. 1948 veröffentlichte er den Roman Heiliger Bimbam (BS 951), 1958 Zazie in der Metro (suhrkamp taschenbuch 3474), den Roman, der ihn, spätestens mit der Verfilmung durch Louis Malle, berühmt machte.



Textauszug
I

Waschtinkndiso, dachte Gabriel entnervt. Unglaublich, waschen die sich nie. In der Zeitung steht, nur jede neunte Pariser Wohnung hat ein Bad, mag ja sein, aber waschen kann man sich auch ohne. Die vor meiner Nase haben sich jedenfalls nicht besonders angestrengt. Andererseits ist das hier nicht die allerverdreckteste Auswahl von ganz Paris. Wieso auch, kein Grund. Die hat der Zufall zusammengebracht. Warum sollten die Leute, die an der Gare d'Austerlitz warten, übler riechen als die an der Gare de Lyon? Kein Grund, ehrlich mal. Aber puh, dieser Geruch.

Gabriel förderte ein malvenfarbenes Seidentüchlein aus dem Ärmel zutage und riegelte sich damit den Rüssel ab.

»Was stinkt hier bloß dermaßen?«, verkündete lautstark eine Tante.

Damit meinte sie nicht sich, so ichbezogen war sie nicht, sondern den Duft, den der Mussjöh da verströmte.

»Das, meine Gutste«, antwortete Gabriel mit der ihm eigenen Schlagfertigkeit, »ist Gorilla, ein Parfüm aus dem Hause Myves St. Fleurant.«

»Müsste verboten werden, die Welt dermaßen zu verpesten«, legte die Schachtel selbstgewiss nach.

»Wenn ich dich recht verstehe, meine Gutste, dann schlägt dein Naturduft deiner Meinung nach den der Rosen. Tja, da hast du recht, bloß anders, als du denkst.«

»Hast du das gehört?«, fragte die Tante einen Kleinen nebendran, wahrscheinlich den Typen, der sie legal besteigen durfte. »Hast du gehört, wie dieses fette Schwein mich hier beleidigt?«

Der Kleine beäugte Gabriels Format und sagte sich, aha, ein Muskelprotz, die sind ja gutmütig, die nutzen ihre Kraft nie aus, wär ja feige. Also riss er ordentlich das Maul auf:

»Hey Orang-Utan, du stinkst.«

Gabriel seufzte. Schon wieder Gewalt anwenden. Widerlich, so genötigt zu werden. Nichts Neues seit Neandertal. Aber was muss, das muss. Konnte er doch nix dafür, wenn immer die Schwächlinge allen auf die Eier gingen. Na gut, lassen wir dem Würstchen noch ne Chance.

Also er: »Sag das nochmal.«

Etwas verwundert, dass der Kleiderschrank überhaupt antwortete, ließ sich der Kleine ausreichend Zeit für die folgende ausgefeilte Replik:

»Sag was nochmal?«

Ziemlich stolz auf die Retourkutsche, der Kleine. Nur dass das Trumm nicht nachgab, es beugte sich vielmehr vor, um diesen einphasigen Sechssilber auszustoßen:

»Wasdegradgesachthas ...«

Der Kleine bekam es mit der Angst. Es wurde wohl Zeit, höchste Zeit wurde es, sich einen verbalen Schutzschild zu schmieden. Der Erstbeste war ein Alexandriner:

»Dieses Du möchte ich mir verbeten haben.«

»Lusche.« Gabriel hielt es ganz schlicht.

Und hob den Arm, als wollte er seinem Gesprächspartner eine langen. Ohne Umschweife ging dieser ganz von allein zu Boden, zwischen den Beinen der Leute, und hätte am liebsten losgeweint. Doch zum Glück kommt hastenichgesehn der Zug eingefahren, das sorgt für Kulissenwechsel. Die duftende Menge richtet ihre tausend Augen auf die Parade der Ankommenden; ganz vorn im Laufschritt Geschäftsmänner, die Aktentasche in der Hand, sonst kein Gepäck, und ins Gesicht geschrieben, dass nur sie vom Reisen Ahnung haben.

Gabriel lässt den Blick in die Ferne schweifen; die beiden sind bestimmt ganz hinten, Frauen halt, immer ganz hinten; aber von wegen, taucht da eine Rotznase auf und haut ihn an:

»Chbin Zazie, und du bist mein Oheim Gabriel, wetten?«

»Ja, der bin ich«, erwidert Gabriel und legt ein gewisses Oho in seinen Ton. »Und jetzt fährst du mit deinem Oheim heim.«

Die Göre lacht sich weg. Gabriel nimmt sie mit höflichem Lächeln in die Arme, hebt sie an seine Lippen, küsst sie, sie küsst ihn, er setzt sie ab.

»Du riechst ja sowas von gut«, sagt das Kind.

»Gorilla von Myves St. Fleurant«, erklärt der Tarzan.

»Tust du mir davon was hinter die Ohren?«

»Das ist ein Herrenparfüm.«

»Du



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet