Abhijit V. Banerjee; Esther DufloPoor Economics

E-Book (EPUB)

Knaus; Perseus Books (2012)

384 Seiten

ISBN 978-3-641-09884-1

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Kurztext / Annotation
Das bahnbrechende Buch der Wirtschaftsnobelpreisträger
Ein unterernährter Mann in Marokko kauft lieber einen Fernseher als Essen. Absurd? Nein. Die Ökonomen Esther Duflo und Abhijit V. Banerjee erregen weltweit Aufsehen, weil sie zeigen: Unser Bild von den Armen ist ein Klischee. Und wir müssen radikal umdenken, wenn wir die Probleme der Ungleichheit lösen wollen.

Für ihre Forschung zur Bekämpfung der globalen Armut wurden Esther Duflo und Abhijit V. Banerjee 2019 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.

Abhijit V. Banerjee, geboren 1961 in Mumbai, gehört zu den renommiertesten Wirtschaftswissenschaftlern der Welt. Gemeinsam mit Esther Duflo beschäftigt er sich vor allem mit neuen Wegen der Armutsbekämpfung. Er ist Professor am MIT und berät die UNO, die Weltbank und die indische Regierung. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. 2014 mit dem Bernhard-Harms-Preis des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Das Magazin Foreign Policy zählte ihn 2011 unter die 100 wichtigsten Denker. 2019 wurde er gemeinsam mit Esther Duflo mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.



Textauszug
Die Ökonomie der Armen

In einem Bilderbuch über Mutter Teresa hatte Esther als Sechsjährige gelesen, in der Stadt, die damals noch Kalkutta hieß, lebten so viele Menschen, dass jedem nur ein Quadratmeter zur Verfügung stehe. Sie stellte sich die Stadt als riesiges Schachbrett vor, mit auf den Boden gezeichneten Feldern von einem auf einen Meter Länge, auf dem die menschlichen Schachfiguren eng aneinandergedrängt hockten. Und sie überlegte, was sie dagegen tun könnte.

Mit vierundzwanzig, als Doktorandin am Massachusetts Institute of Technology (MIT), kam sie zum ersten Mal nach Kalkutta. Als sie mit dem Taxi in die Stadt fuhr, fühlte sie leichte Enttäuschung in sich aufsteigen: Wohin sie auch schaute, war nichts als leerer Raum - Bäume, Grasstreifen, leere Gehwege. Wo war all das Elend, das ihr Kinderbuch so eindringlich dargestellt hatte? Wo waren all die Leute?

Mit sechs Jahren wusste Abhijit genau, wo die Armen wohnten. Sie lebten in den baufälligen Hütten hinter dem Haus seiner Eltern in Kalkutta. Ihre Kinder hatten anscheinend viel Zeit zum Spielen, und sie schlugen ihn in jeder Sportart: Wenn er hinunterging, um mit ihnen Murmeln zu spielen, landeten die Murmeln am Ende immer in den Taschen ihrer zerlumpten Hosen. Er beneidete sie.

Dieser Hang, die Armen auf ein paar Klischees zu reduzieren, existiert genauso lang wie die Armut: Sowohl die Soziologie als auch die Literatur stellt sie abwechselnd als faul oder geschäftstüchtig, als edel oder kriminell, als aufsässig oder ergeben, als hilflos oder selbstgenügsam dar. Kein Wunder, dass die politischen Positionen, die auf dieser Einschätzung der Armen beruhen, in ähnlich schlichte Formeln gefasst werden können: »Freie Märkte für die Armen«, »Die Menschenrechte müssen im Vordergrund stehen«, »Legt erst die Konflikte bei«, »Mehr Geld für die Ärmsten«, »Hilfe von außen verhindert die Entwicklung« und so weiter. In all diesen Vorstellungen steckt ein Körnchen Wahrheit, aber so gut wie nie beschäftigen sie sich mit dem armen Menschen selbst - mit seinen Hoffnungen und Zweifeln, mit seinen Grenzen und Zielen, mit seinen Überzeugungen und Unsicherheiten. Arme treten allenfalls als Figuren in komischen oder tragischen Geschichten auf; solche Leute kann man bewundern oder bemitleiden, aber nicht als Quellen für tiefer gehende Erkenntnisse heranziehen oder danach fragen, was sie meinen, wollen oder tun.

Die Ökonomie der Armut wird nicht selten als unergiebige Ökonomie (poor economy) missverstanden. Weil die Armen nur sehr wenig besitzen, glauben viele, an ihrer wirtschaftlichen Existenz könne nichts interessant sein. Dieses Missverständnis behindert leider die Bekämpfung der globalen Armut: Ein einfaches Problem muss eine einfache Lösung haben. Das Feld der Strategien zur Armutsbekämpfung ist übersät mit den Resten wunderbar einfacher Lösungen, die - o Wunder - nicht funktionierten. Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir aufhören, die Armen zu Karikaturen ihrer selbst zu machen. Wir müssen uns die Zeit nehmen, ihr Leben in seiner Komplexität und Vielfalt kennenzulernen und zu verstehen. Genau das haben wir in den vergangenen fünfzehn Jahren versucht.

Wir sind Forscher, und wie die meisten Forscher formulieren wir Theorien und starren gebannt auf Datensätze. Doch unsere Art der Arbeit erforderte es, Monate (wenn auch über Jahre verteilt) »mitten im Leben« zuzubringen, mit den Aktivisten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Regierungsbeamten, Gesundheitshelfern, Mikrokreditgebern und in den Dörfern und Stadtvierteln, wo die Armen leben. Überall haben wir Fragen gestellt und Daten gesammelt. Ohne das freundliche Entgegenkommen der Menschen, denen wir begegnet sind, hätten wir dieses Buch nicht schreiben können. Wir wurden immer mit großer Gastfreundlichkeit aufgenommen, obwohl wir meistens unangekündigt irgendwo auftauchten. Geduldig beantworteten unsere Gesprächspartner unse



Langtext
Wir müssen radikal umdenken!
Ein unterernährter Mann in Marokko kauft lieber einen Fernseher als mehr Essen. Absurd? Nein. Die Ausnahmeökonomen Esther Duflo und Abhijit V. Banerjee erregen weltweit Aufsehen, weil sie zeigen können: Unser Bild von den Armen ist Klischee. Wir müssen radikal umdenken, wenn wir die Probleme der Ungleichheit lösen wollen.
Alle Konzepte für den Kampf gegen Hunger und Armut können nicht greifen, wenn sie auf falschen Annahmen basieren. Esther Duflo und Abhijit V. Banerjee reisen in arme Länder und untersuchen mithilfe von Zufallsexperimenten und Kontrollgruppen, eigentlich einer naturwissenschaftlichen Methode, was gegen Hunger, Armut und Misswirtschaft wirklich hilft und was nicht. Ihre Studien decken reihenweise Widersprüche auf, und die beiden "Lichtgestalten der Wirtschaftswissenschaft" (Wall Street Journal) sorgen international für Kontroversen. Wer von weniger als 1 Euro pro Tag das Beste aus sich machen und für die Familie vorsorgen muss, hat womöglich ganz andere Anreize oder Zwänge, als wir uns vorstellen können. "So ehrlich beobachtet, nachgefragt, experimentell belegt und ohne Rücksicht auf politische Korrektheit aufgeschrieben, wurde das alles noch nie. Das macht Poor Economics zu einem sehr wichtigen Buch." (Die Zeit)


Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Esther Duflo, geboren 1972 in Paris, studierte Ökonomie an der École Normale Supérieure in Paris und am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo sie zusammen mit Abhijit V. Banerjee das Poverty Action Lab gründete, das ein weltweites Netz von Soziologen und Ökonomen koordiniert. Der Economist zählt Esther Duflo zu den acht aufstrebendsten Ökonomen, das Time Magazine führt sie als eine der 100 einflussreichsten Personen der Welt an. Duflo erhielt 2011 die John Bates Clark Medal, die nach dem Nobelpreis als wichtigste Ehrung für Wirtschaftswissenschaftler gilt.