Johannes AnyuruEin Sturm wehte vom Paradiese her

E-Book (EPUB)

Luchterhand; Norstedts (2015)

288 Seiten

ISBN 978-3-641-11404-6

EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur für Kunden mit Rechnungsadresse in Österreich möglich!

Kurztext / Annotation
Er weiß nicht mehr, was er erlebt hat, was er in diesem Zug macht. Der Vollmond steht tief über dem Horizont, eine graue Scheibe. Er sieht die Krater, die sandigen Meere. Er erinnert sich nicht mehr, wer er ist. Der Mond, er ruft ihm etwas ins Gedächtnis. Die Wolken. Den Wind. Er erinnert sich nicht. Er erinnert sich nicht an die Geschichte.

Ein junger Mann wird in einem unterirdischen Raum irgendwo in Ostafrika vernommen. Noch vor Kurzem sollte er Kampfpilot in der ugandischen Luftwaffe werden. Er studierte an der entsprechenden Akademie in Athen, er marschierte in einer weißen Uniform, er entfernte sich von einer Kindheit voller Gewalt und war auf dem Weg in eine Zukunft in den Wolken. Doch dann, wenige Monate vor seinem Examen, kommt es in Uganda zum Staatsstreich. Idi Amin ergreift die Macht. Sein Regime wird zu einem der blutigsten des afrikanischen Kontinents werden. Und genau in diesem Moment trifft der junge Mann eine folgenschwere Entscheidung: Er wird nicht zurückkehren ins mörderische Uganda, obwohl es ihm befohlen wird. Seine Sehnsucht zu fliegen führt ihn später dennoch nach Afrika zurück und damit geradewegs auf eine Wanderung durch die Hölle. Er wird zu einem Vertriebenen, einem Flüchtling, dessen Leben auch in Schweden, wohin es ihn zum Schluß verschlägt, durch Einsamkeit und Heimatlosigkeit gezeichnet ist.

Johannes Anyuru hat einen fesselnden, berührenden Roman über seinen Vater geschrieben - und darüber, wie ein Mensch von den Stürmen der Geschichte erfasst und gezwungen werden kann, alles zu riskieren, um dem Tod zu entfliehen. Es ist ein Buch über persönlichen Mut, das zeigt, wie eine einzige Entscheidung ein ganzes Leben verändern kann. Es erzählt von der Tragik eines Menschenlebens, das exemplarisch für das Leben so vieler Getriebener und Vertriebener im 20. Jahrhundert steht.



Johannes Anyuru, geboren 1979, gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Schwedens. Er debütierte 2003 mit einer viel beachteten und hoch gerühmten Gedichtsammlung (Det är bara gudarna som är nya/Nur die Götter sind neu). Für seinen Debütroman 'Ein Sturm wehte vom Paradiese her', eine autobiografisch geprägte Annäherung an das Schicksal seines Vaters, bekam er zahlreiche Preise, er wurde für den wichtigsten Literaturpreis des Landes, den Augustpreis, nominiert sowie für den Preis des Nordischen Rates. Ausgezeichnet wurde er mit den Literaturpreisen von Svenska Dagbladet und Aftonbladet, er stand auf Platz 1 der Kritikerliste von Dagens Nyheter und wurde in sieben Sprachen übersetzt. Für seinen zweiten Roman 'Sie werden in den Tränen ihrer Mütter ertrinken' bekam er schließlich den Augustpreis sowie den Per-Olov-Enquist-Preis verliehen, das Buch wird in vierzehn Ländern erscheinen. Es stand monatelang auf der schwedischen Bestsellerliste, die Filmrechte sind verkauft.



Textauszug

»Warum sind Sie zurückgekehrt?«

P sitzt auf einem Stuhl, hatte das Kinn auf den Brustkorb gesenkt, schaut nun aber auf und erwidert über den Tisch hinweg den Blick des anderen. »Darauf habe ich Ihnen schon geantwortet«, sagt er.

Das Zimmer hat kein Fenster, und obwohl die Männer mehrere Knöpfe an ihren Hemden geöffnet haben, schwitzen sie stark und haben große, feuchte Flecken am Rücken und unter den Armen. Der Vernehmungsleiter spreizt die Finger und lässt die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander trommeln.

Der Mann ist um die vierzig. Sein Hemd ist olivgrün, ein Uniformhemd ohne Rangabzeichen. Eine einsame Glühbirne hängt an einer Fassung über dem Tisch. »Sagen Sie mir die Wahrheit, dann dürfen Sie nach Lusaka zurückkehren.«

P blickt wieder auf den Boden herab. Der Beton sieht so körnig und trostlos aus, wie man es von Fotos von der Mondoberfläche kennt.

»Mir wurde eine Stelle bei einem Unternehmen in der Nähe von Lusaka in Aussicht gestellt.« P begreift nicht, warum sie ihn festhalten, warum sie ihn überhaupt hierher gebracht haben. »Ich soll dort Sprühflugzeuge fliegen.«

»Sie sollen Sprühflugzeuge fliegen.« Die Männer führen ihr Gespräch auf Kiswahili. Der Vernehmungsleiter blättert in den Papieren auf seinem Tisch. Er hat einen drahtigen Körper und ein fleischiges und grobschlächtiges Gesicht, sein Schnurrbart ist graumeliert, er ist fast glatzköpfig. Sein Mienenspiel ist amüsiert, brutal, gelegentlich bemüht freundlich. »Ein ausgebildeter ugandischer Kampfpilot reist von Rom nach Sambia, um mit Sprühflugzeugen über Obstplantagen zu fliegen?«

P wischt sich den Schweiß aus der Stirn. Sie haben ihn direkt vom Flughafen hierher gebracht, und er hat den ganzen Tag weder etwas gegessen noch getrunken. Er ist müde und hat das Gefühl, einen viel zu langen Traum zu träumen, unter Wasser zu schwimmen, außerhalb seiner selbst zu sein. Die Wände des Raums sind blau. Streifen nackten Zements treten überall dort hervor, wo die Farbe abblättert. Sie sehen aus wie Kontinente auf einer Karte aus einem anderen Zeitalter, einer anderen Welt.

»Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie mich ja nach Rom zurückschicken.«

In der linken Ecke des Raums, hinter Ps Rücken, steht ein Wärter, seine Anwesenheit ruft sich durch das Scharren von Schuhen auf dem Fußboden in Erinnerung. Der Vernehmungsleiter wechselt die Sitzhaltung, stützt das Kinn in die Hand, legt nachdenklich einen Zeigefinger auf seine Lippen. Er weigert sich zu glauben, dass jemand zu diesem zerfleischten Kontinent zurückkehren würde, ohne andere Ziele zu verfolgen als die von P gebetsmühlenartig angegebenen: Er habe fliegen wollen, die einzige Chance dazu habe sich in einem kleinen Unternehmen ergeben, das nahe Lusaka in Sambia Obstplantagen mit Propellermaschinen aus der Kolonialzeit besprühe.

P kneift die Augen zu und spürt die Müdigkeit in seinem Kopf aufsteigen wie weißes Rauschen. Ihm ist schlecht.

»Sie müssen so langsam einsehen, dass Sie nicht zu Ihrem Kontaktmann in Rom zurückkehren dürfen.«

»Meinem Kontaktmann?«

Der Vernehmungsleiter schlägt mit der flachen Hand krachend auf den Tisch. »Wer hat Sie nach Sambia geschickt? Für wen arbeiten Sie?« Der Wärter hinter Ps Rücken bewegt sich, seine Schuhe scharren über den Boden. »Also gut. Wie sollen wir Sie denn nach Rom zurückschicken können? Offiziell sind Sie von Lusaka aus doch schon dorthin zurückgekehrt, nicht wahr? Den Ausweisungsbescheid haben Sie doch selbst unterschrieben.« Der glatzköpfige Tansanier zeigt auf ein Dokument und zieht anschließend ein weiteres Blatt heraus, das er auf den Tisch legt. »Hier haben Sie eine Bescheinigung unterschrieben, nach der Sie von hier aus nach Lusaka zurückgeschickt worden sind.«

P starrt vor sich hin und versucht, sich etwas einfallen zu lassen, was er darauf erwidern könnte. Er ist zwar bisher nicht misshandelt worden, aber die Gewalt liegt in der Luft.

»Sie sollte



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Paul Berf, geboren 1963 in Frechen bei Köln, lebt nach seinem Skandinavistikstudium als freier Übersetzer in Köln. Er übertrug u. a. Henning Mankell, Kjell Westö, Aris Fioretos und Selma Lagerlöf ins Deutsche. 2005 wurde er mit dem Übersetzerpreis der Schwedischen Akademie ausgezeichnet.