Viet Thanh NguyenDer Sympathisant

E-Book (EPUB)

Karl Blessing Verlag; Grove/Atlantic (2017)

528 Seiten

ISBN 978-3-641-20789-2

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Kurztext / Annotation
»Meisterhaft. DER SYMPATHISANT ist zum Klassiker bestimmt.« T.C. Boyle
Im April 1975 wird eine Gruppe südvietnamesischer Offiziere unter dramatischen Bedingungen aus Saigon in die USA geflogen. Darunter ein als Adjutant getarnter kommunistischer Spion. In Los Angeles soll er weiterhin ein Auge auf die politischen Gegner haben, ringt jedoch immer mehr mit seinem Doppelleben, den Absurditäten des Spionagewesens, der Konsumgesellschaft und seiner eigenen Identität: 'Ich bin ein Spion, ein Schläfer, ein Maulwurf, ein Mann mit zwei Gesichtern. Da ist es vielleicht kein Wunder, dass ich auch ein Mann mit zwei Seelen bin.'

Ein literarischer Polit-Thriller über den Vietnamkrieg und seine Folgen, eine meisterhafte Aufarbeitung über die Missverständnisse zwischen Kapitalismus und Kommunismus, ein schillerndes Werk über das Scheitern von Idealen, ein bravouröser Roman über die universelle Erfahrung von Verlust, Flucht und Vertreibung.



Viet Thanh Nguyen, geboren 1971 in Südvietnam, floh nach dem Fall von Saigon 1975 mit seinen Eltern in die USA. Er studierte Anglistik und Ethnic Studies in Berkeley und arbeitet seit seiner Promotion 1997 als Hochschullehrer an der University of Southern California in Los Angeles. Für sein Romandebüt, den internationalen Bestseller »Der Sympathisant« (Blessing, 2017), erhielt er 2016 den Pulitzer-Preis und den Edgar Award.



Textauszug

ERSTES KAPITEL

ERSTES

KAPITEL

Ich bin ein Spion, ein Schläfer, ein Maulwurf, ein Mann mit zwei Gesichtern. Da ist es vielleicht kein Wunder, dass ich auch ein Mann mit zwei Seelen bin. Ich bin kein missverstandener Mutant aus einem Comicheft oder Horrorfilm, obwohl mancher mich als solchen behandelt hat. Ich besitze einfach die Fähigkeit, alles von zwei Seiten zu betrachten. Manchmal schmeichele ich mir selbst, indem ich mir sage, dies sei ein Talent, auch wenn es zugegebenermaßen nichts Besonderes ist, ist es vielleicht das einzige Talent, das ich habe. Wenn ich allerdings länger darüber nachdenke, warum ich nicht anders kann, als die Welt so zu betrachten, frage ich mich, ob man dabei überhaupt von Talent sprechen kann. Schließlich bezeichnet ein Talent etwas, das man nutzt, und nicht etwas, von dem man benutzt wird. Ein Talent, das man nicht nutzen kann, das einen im Griff hat, ist zugestandenermaßen gefährlich. Aber in dem Monat, mit dem dieses Geständnis beginnt, erschien mir meine Art, die Welt zu betrachten, noch eher ehrenwert als gefährlich, wie das anfangs manchmal so ist mit den Dingen, die gefährlich sind.

Der fragliche Monat war der April, der grausamste Monat. Es war der Monat, in dem ein Krieg, der schon sehr lange gedauert hatte, langsam zu Ende ging. Wie es eben mit Kriegen so ist. Es war ein Monat, in dem sich für jeden Menschen in unserer kleinen Ecke der Welt alles entschied, der den meisten Menschen im Rest der Welt aber nichts bedeutete. Es war ein Monat, der zugleich das Ende eines Krieges und der Anfang des ... nun ja, »Frieden« ist nicht das passende Wort, oder, mein lieber Kommandant? Es war ein Monat, als ich hinter den Mauern einer Villa, in der ich seit fünf Jahren gelebt hatte, auf das Ende wartete. Hinter Mauern, in denen braun glitzernde Glasscherben steckten und die eine Krone aus rostigem Stacheldraht trugen. Ich hatte mein eigenes Zimmer in der Villa, so wie ich mein eigenes Zimmer in Ihrem Lager habe, Kommandant. Natürlich lautet die korrekte Bezeichnung für mein Zimmer »Einzelzelle«. Und statt einer Putzfrau, die jeden Tag sauber macht, haben Sie mir einen Wachmann mit Babygesicht zur Verfügung gestellt, der gar nichts sauber macht. Aber ich beklage mich nicht. Damit ich mein Geständnis aufschreiben kann, muss es nicht sauber sein, nur ruhig.

Nachts war es in der Villa des Generals sehr ruhig, tagsüber jedoch nicht. Ich war der einzige von den Offizieren des Generals, der mit ihm unter einem Dach lebte, der einzige Junggeselle in seinem Stab und sein zuverlässigster Berater. Bevor ich ihn morgens den kurzen Weg zu seinem Büro fuhr, frühstückten wir zusammen und analysierten am einen Ende des Esstisches aus Teakholz Kriegsberichte, während seine Frau am anderen Ende eine disziplinierte Gruppe aus vier Kindern beaufsichtigte, die achtzehn, sechzehn, vierzehn und zwölf Jahre alt waren. Ein Stuhl blieb immer frei für die in Amerika studierende Tochter. Nicht jeder mochte sich vor dem Ende gefürchtet haben, der General jedoch tat es klugerweise. Er war ein dünner Mann mit hervorragender Körperhaltung, ein kriegserfahrener Soldat, der sich seine vielen Orden wirklich verdient hatte. Kugeln und Granatsplitter hatten dafür gesorgt, dass er nur noch über neun Finger und acht Zehen verfügte, doch um den Zustand seines linken Fußes wussten nur seine Familie und enge Vertraute. Nichts hatte je seinen Ehrgeiz gebremst, außer sein Verlangen nach einer exzellenten Flasche Burgunder. Er trank sie nur mit Kameraden, die sich davor hüteten, Eiswürfel in ihren Wein zu kippen. Er war Epikureer und Christ, in dieser Reihenfolge, ein Mann des Glaubens, der an die Gastronomie und an Gott, an seine Frau und seine Kinder glaubte, und an die Franzosen und Amerikaner. Seiner Ansicht nach waren sie uns weitaus bessere Vormunde als die anderen ausländischen Svengalis, die unsere Brüder im Norden und auch einige im Süden hypnotisiert hatten



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