Bianca MaraisSumm, wenn du das Lied nicht kennst

E-Book (EPUB)

Wunderraum; G.P. Putnam's Sons (2018)

528 Seiten

ISBN 978-3-641-21973-4

EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur für Kunden mit Rechnungsadresse in Österreich möglich!

Kurztext / Annotation
Südafrika 1976. Die neunjährige Robin wächst behütet in einem Vorort von Johannesburg auf. In derselben Nation, aber Welten von Robin getrennt, lebt Beauty Mbali, eine verwitwete Xhosa-Frau, die sich allein um ihre Kinder kümmert. Als Robins Eltern getötet werden und zur selben Zeit Beauty in den Wirren des Schüleraufstands von Soweto nach ihrer Tochter sucht, führt das Schicksal diese zwei Menschen zusammen, deren Wege sich sonst nie gekreuzt hätten. Bei Beauty findet Robin Geborgenheit, und es entspinnt sich eine innige Beziehung zwischen den beiden. Doch Robin fürchtet, Beauty wieder zu verlieren, sobald diese ihre Tochter findet. Verzweifelt trifft das Mädchen eine folgenschwere Entscheidung ...

Weitere berührende Wunderraum-Geschichten finden Sie in unserem kostenlosen aktuellen Leseproben-E-Book »Einkuscheln und loslesen - Bücher für kurze Tage und lange Nächte«

Bianca Marais hat an der Universität von Toronto Creative Writing studiert. Bevor sie sich dem Schreiben zuwandte, hatte sie ein Weiterbildungsunternehmen gegründet und später als freiwillige Helferin bei Cotlands gearbeitet, einer gemeinnützigen südafrikanischen Kinderhilfsorganisation, für die sie an Hilfsmaßnahmen für Aids-Waisen in Soweto teilnahm. Bianca Marais ist in Südafrika geboren und aufgewachsen und lebt heute mit ihrem Mann in Toronto.



Textauszug

2

BEAUTY MBALI

14. Juni 1976

Transkei, Südafrika

Meine Tochter schwebt in Gefahr.

Dieser Gedanke schießt mir beim Erwachen als Erstes durch den Kopf und treibt mich dazu, mich schnell anzuziehen. Es sind noch zwei Stunden bis Sonnenaufgang, und in unserer Hütte ist es pechschwarz. Normalerweise kann ich mich im Raum umherbewegen, ohne in der Dunkelheit über die Schlafmatten der Jungs zu stolpern, aber jetzt brauche ich Licht, um zu Ende zu packen.

Das Kratzen des Streichholzes über die Reibfläche der Lion-Schachtel ist in der Stille deutlich vernehmbar, und mein Schatten steigt auf wie ein Gebet, als ich die Kerze anzünde und sie neben meinen Koffer auf den Boden stelle. Der vertraute Schwefelgeruch, der für mich eng mit dem Tagesanbruch verknüpft ist, hat jetzt etwas Unheilverkündendes. Ich atme durch den Mund, damit ich den Dunst der Angst nicht riechen muss.

Ich bewege mich so leise wie möglich, doch hier gibt es nichts, was die Geräusche meiner Bewegungen schlucken könnte. Unsere Hütten sind rund und vollkommen offen innerhalb der Außenmauern aus Lehm. Es gibt keine Zimmerdecken, die auf unsere Köpfe drücken und die Kuppeldächer von den Böden aus gestampftem Kuhdung trennen. Keine Trennwände, die den gemeinsamen Wohnraum in verschiedene Zimmer aufteilen. Unsere Unterkünfte sind so offen, wie die Welt einst war, als es keinerlei Wände oder Dächer gab außer jenen, die unmittelbaren Schutz gewährten. Privatsphäre ist kein Konzept, das mein Volk versteht oder wünscht; wir sind Zeugen des Lebens der anderen und finden es tröstlich, dass unser eigenes Leben wahrgenommen wird. Welches Geschenk könnte größer sein, als jemandem zu sagen: Ich sehe dich, ich höre dich, du bist nicht allein?

Deswegen sind nun auch meine beiden Söhne erwacht, egal wie sehr ich mich bemüht habe, leise zu sein. Khwezi sieht zu, wie ich meine Schilfmatte aufrolle, und das reflektierte Licht der Kerzenflamme brennt in seinen Augen. Er ist dreizehn Jahre alt und mein jüngstes Kind. Er kann sich nicht an den Tag vor zehn Jahren erinnern, als sein Vater zu den Goldminen in Johannesburg aufgebrochen ist, und auch nicht an die Qual der Monate zuvor, in der die große Trockenheit herrschte. Er erinnert sich nicht daran, wie die Schultern des einst stolzen Mannes allmählich hinuntersanken, während er mitansehen musste, wie seine Familie und sein Vieh starben. Aber Khwezi ist jetzt alt genug, um Angst davor zu haben, ein weiteres Familienmitglied an die hungrige Stadt zu verlieren.

Ich lächle ihm beruhigend zu, aber er erwidert mein Lächeln nicht. Sein schmales Gesicht blickt ernst, als er gedankenverloren die glänzend kahle Stelle über seinem Ohr reibt. Das fleckige rosafarbene Gewebe in der Form eines Akazienbaums stammt daher, dass er vor langer Zeit in ein offenes Feuer gefallen ist. Es gibt einen Grund dafür, warum Gott die Narbe an einer Stelle platziert hat, die Khwezi nicht sehen kann, ich als Mutter aber stets gezwungen bin, von oben anzuschauen. Sie ist eine Erinnerung daran, dass die Ahnen mir eine zweite Chance mit ihm gegeben haben, eine, die ich bei meinem erstgeborenen Sohn nicht hatte, den ich nicht vor dem Unheil habe schützen können. Ich kann nicht noch eines meiner Kinder im Stich lassen.

»Mama«, flüstert Luxolo, dessen Matte gegenüber der seines jüngeren Bruders liegt. Er hat die graue Decke um sich gewickelt wie ein Leichentuch, um sich vor der Morgenkühle zu schützen.

»Ja, mein Sohn?«

»Lass mich mit dir gehen.« Darum bittet er mich schon seit gestern, als der Brief meines Bruders angekommen ist.

Der knittrige gelbe Umschlag mit meinem Namen, Beauty Mbali, hat vom Wohnort meines Bruders Andile in Zondi, einem Viertel mitten in Soweto, einen weiten Kreis beschrieben, ehe er mich erreichte.

Unser Dorf ist so klein, dass es nicht mit offiziellem Namen auf der Landkarte der Transkei ver



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet


Sehr berührende Geschichte über das Schicksal zweier Menschen in Zeiten der Apartheit
von
Inhalt:
Der 16.6.1976 verändert das Leben zweier Menschen und verbindet sie auf wundersame Art und Weise.
Die neunjährige Robin Conrad wächst behütet in einem Vorort von Johannisburg auf, als an diesem Tag ihre Eltern ermordet werden. Da sie sonst keine Verwandten hat, kommt sie zu ihrer Tante Edith nach Soweto. Diese weiß allerdings nicht wie sie plötzlich mit einem Kind umgehen soll, da sie selbst keine hat und auch noch als Stewardess arbeitet und viel unterwegs ist.
Beauty Mbali macht sich zur selben Zeit auf die Suche nach ihrer Tochter Nomsa, die an einem Schüleraufstand beteiligt sein soll, der sehr blutig durch die Polizei zerschlagen wird.
Das Schicksal führt Robin und Beauty zusammen und sie entwickeln eine dicke Freundschaft, die es normalerweise unter Weißen und Schwarzen nicht gibt. Trotzdem können sie sich gegenseitig helfen, bis Robin eine fatale Entscheidung trifft.

Mein Kommentar:
Die Autorin Bianca Marais wurde selbst in Südafrika geboren und von einer Schwarzen großgezogen, da ihre Eltern viel arbeiteten. Daher hat sie in diesem Roman auch viele eigene Erfahrungen einbringen können, wodurch die Geschichte richtig glaubhaft und lebendig rüberkam. Sie erzählt die Geschichte aus zwei verschiedenen Perspektiven, was mir sehr gut gefallen hat.
Zum einen wird Robins Perspektive erzählt, die als Weiße wohlbehütet aufwächst und erst langsam lernen muss, dass die Schwarzen auch ganz "normale" Menschen sind und nicht weniger wert sind, als sie selbst. Ihre Entwicklung kann man sehr gut nachvollziehen und leidet dabei auch mit ihr mit. Sie versteht oft nicht die Unterdrückung oder Ungleichbehandlung von Schwarzen, aber auch von Juden und Homosexuellen, da die Autorin alle drei Randgruppen gekonnt ins Buch eingebaut hat.

Zum anderen erfährt man die Geschichte aus Beautys Sicht und ihren Problemen, mit denen die Schwarzen zu dieser Zeit zu kämpfen hatten. Man bekommt die Unterdrückung und Ungleichbehandlung mit und kann ihre Lage sehr gut verstehen. Man leidet richtig mit ihr mit und hofft, dass sich ihre Situation bald verbessert.
Trotz all der vielen schrecklichen Dinge, die in diesem Land passieren, gibt es auch Weiße, die sich für die Rechte der Schwarzen einsetzen und dabei oft sogar ihr Leben riskieren. Dies kam im Buch auch sehr gut rüber, da Beauty einige solcher Menschen kennenlernte, die ihr halfen ihre Tochter Nomsa doch noch lebendig zu finden.

Außerdem ist es der Autorin auch noch gelungen, die Trauerarbeit der Beiden über den Verlust der Eltern, aber auch der verschwundenen Tochter sehr gut rüberzubringen und dem Leser glaubhaft zu machen. Man konnte auch die Verarbeitung der Trauer richtig gut mitverfolgen.

Am Ende deutet Robin an, dass es noch eine Fortsetzung geben könnte, was mir sehr gut gefallen würde, da ich gerne erfahren möchte wie es mit den Protagonisten weitergeht und wie sich ihr Leben weiter entwickelt. Da das Ende relativ offen ist, könnte ich mir so etwas sehr gut vorstellen.

Mein Fazit:
Ein sehr bewegender Roman, der auf die Probleme in Zeiten der Apartheit aufmerksam macht und den Leser nachdenklich zurücklässt. Dabei hoffe ich auf eine Fortsetzung des Romans, um noch mehr darüber zu erfahren.

Ganz liebe Grüße,
Niknak

Zutiefst berührend
von begine
Der Roman „Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ ist ein dramatisches Werk der Autorin Bianca Marais.
Der Handlungsort ist in Johannesburg in Südafrika. Es fängt 1976 an. Die Apartheid regiert mit Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung.
Die 9jährige Robin und ihre Eltern wohnen in einem Vorort. Vater und Mutter arbeiten, deshalb kümmert sich die schwarze Angestellte Mabel die meiste Zeit um sie. Als die Eltern ermordet werden, holt die Polizei Mabel und Robin ab. Robim wird in einen Warteraum gesetzt und Mabel wird von der Polizei misshandelt. Robins Tante Edith, eine Stewardess, wird zu ihrer Erziehungsberechtigten. Das wird zu einem Chaos. Robin wird in ihrer Trauer ziemlich allein gelassen.
Zu gleicher Zeit kommt Beauty Mbali nach Soweto, um ihre Tochter zu suchen, die am Schüleraufstand teilgenommen hat. Sie wird lange nach ihr suchen.
Als Zweckgemeinschaft wird sie zu Robins einzigem Halt. Robin hat Angst wieder erlassen zu werden.
Die Autorin ist 1976 in Südafrika geboren, auch ihre Eltern arbeiten und eine schwarze Hausangestellte erzieht sie. Sie lebt bis 2004 dort und so weiß sie aus erster Hand von den Zuständen zwischen Schwarz und weiß. Wenn man bedenkt, das diese Frauen überhaupt keine Rechte hatten und ihre eigenen Kinder, vielleicht einmal im Jahr besuchen konnten.
Bianca Marais hat ihren Protagonisten Robin und Beauty lebendig werden lassen. Der Stil ist beeindruckend, mit brillanter Sprache. Die Geschichte geht mir unter die Haut. Sie ist so intensiv und genau beschrieben, das ich so richtig eintauchen konnte.
Der Roman ist wunderbar und traurig gleichzeitig. Ein Lesehighlight.
Rezension verfassen