Julia KlöcknerNicht verhandelbar

E-Book (EPUB)

Gütersloher Verlagshaus (2018)

162 Seiten

ISBN 978-3-641-22763-0

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Kurztext / Annotation
»Der Erfolg einer nachhaltigen Integration steht und fällt mit der Frauenfrage.« (Julia Klöckner)
Keine Integration ohne Frauenrechte, unsere Hausordnung steht: Die Frage der Integration von Migranten und vor allem der zahlreichen Männer aus anderen Kulturen wird nur dann funktionieren, wenn Frauenrechte auf diesem Weg nicht geopfert, sondern unmissverständlich verteidigt werden. Einwanderung in Deutschland stellt unsere Wertvorstellungen auf die Probe. Der Umgang mit dem Geschlechterbild vieler partriarchalisch geprägter Zuwanderer ist eine größere Herausforderung für die Integration, als man bisher wahrhaben wollte. Wer Frauenrechte missachtet oder geringschätzt, wird sich niemals nachhaltig integrieren, sondern den Erhalt wichtiger Errungenschaften der Emanzipation sogar für alle Frauen in Deutschland gefährden. Deshalb darf es keine Toleranz gegenüber intoleranten Geschlechterbildern geben. Politische Kompromisse an dieser Stelle demonstrieren nicht Stärke, sondern Schwäche eines aufgeklärten, demokratischen Staates. Deshalb ist Klarheit wichtiger denn je.

Julia Klöckner, geboren 1972, ist aufgewachsen in Guldental/Nahe. Nach ihrem Theologie-, Politik- und Pädagogikstudium arbeitete sie als Redakteurin und später als Chefredakteurin eines Fachmagazins. 2002 wurde sie in den Bundestag gewählt. Julia Klöckner war u.a. Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. 2011 wechselte sie nach Rheinland-Pfalz und führt dort als erste Frau die CDU-Partei. Außerdem leitete sie die Landtagsfraktion der CDU bis zur Ministerernennung. Julia Klöckner ist seit 2012 stellvertretende CDU-Vorsitzende und seit März 2018 Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft.

Textauszug

VORWORT

Nicht nur ein Handschlag

Ein Sonntagmittag im April 2017. Unsere Maschine berührt gegen zwölf Uhr den Boden. Flughafen Niamey, um die 35 Grad Außentemperatur. Niger, das Land, durch das rund 80 Prozent aller Wanderungsbewegungen von Afrikanern verlaufen, die nach Europa kommen wollen. Es ist mein erster Besuch in Niger und Mali. Das Straßenbild ist geprägt von Männern, jung wie alt. Wo sind die Frauen? Sie nehmen nicht teil, jedenfalls nicht so wie die Männer. Nicht am öffentlichen Leben, nicht an der Berufswelt. Als wären sie nicht da. Später treffe ich auf Frauen in privilegierten Positionen, Parlamentsmitglieder. Ich versuche zu verstehen, warum Menschen sich auf den gefährlichen Weg zu uns machen, um auf einen anderen Kontinent zu gelangen, dessen Kultur und Leben so anders und fremd sind.

Und je mehr ich erfahre über mangelnde Arbeitsplätze, Armut, Terrorismus, Klimawandel, Hunger, schlechte Bildung, demografischen Wandel, umso mehr dämmert mir: Die Rolle der Frauen wird über den Fortgang des afrikanischen, aber auch unseres Kontinents entscheiden. Kein Wirtschaftswachstum kann mit der Geburtenrate im Sahel, einer der ärmsten Regionen der Welt, mithalten. Mädchen bekommen mit 13 Jahren ihr erstes Kind, mit 20 haben sie in der Regel schon sechs, sieben Kinder. Was die meisten Mädchen aber nicht haben: Schul- und Ausbildung. Das Gesetz, das Heiraten erst mit 16 erlaubt, ist in Niger gescheitert an der Intervention der muslimischen Religionsführer. Nicht nur die Tradition, auch die Armut treibt Eltern dazu, Mädchen früh zu verheiraten, damit sie finanziell entlastet sind. Faktisch brechen sie dadurch die Schule ab und damit jede Chance auf Bildung und ein selbstbestimmtes Leben. Es gibt kaum ein Land auf dieser Erde, in dem die Rate der Kinderehen höher ist als in diesem Land. Laut Schätzungen des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen sind im Niger über drei Viertel aller Mädchen unter 18 Jahren bereits verheiratet.

Ortswechsel. Jahre zuvor in Berlin. »Fallen Sie uns aufgeklärten Muslimas nicht in den Rücken.« Sie sagte es ganz eindringlich zu mir, und seither geht mir dieser Satz nicht mehr aus dem Kopf. Er hat mich wachgerüttelt. Jahre ist es her, ich saß damals noch im Bundestag. Organisiert hatten wir ein Treffen mit Frauen, denen Frauenhäuser Zuflucht geboten haben. Die junge Frau, die in einem der Häuser Schutz fand, erzählte nicht viel aus ihrem Leben. Zu groß war wohl die Angst, gefunden und wieder »heimgeholt« zu werden in ein anderes Leben mitten in Deutschland. Ihr Grund für das Verlassen ihres Zuhauses war ganz einfach: Sie hatte beschlossen, ihren Gesichtsschleier, der sie zu einem unsichtbaren Neutrum in der Öffentlichkeit machte, abzulegen. Diese junge Frau wusste, was das bedeutete. Das war kein Aufmüpfigsein eines pubertären Teenagers, der sich weigerte, zur goldenen Hochzeit der Großeltern die weiße Bluse anzuziehen und stattdessen mit Schlabberpulli und Löcherjeans auftauchte. Die Kleidungsfrage entschied über ihr Leben mit oder ohne Familie. Und die junge Muslima wusste, wenn sie sich gegen das Verstecktwerden unter einem Stück Stoff entschied, wird nach ihrer Befreiung aus dem Vollschleier und der Enthüllung ihres Körpers das nächste Verstecken auf sie warten. Das Untertauchen vor ihrer Verwandtschaft, die glaubt, die Familienehre hänge vom »anständigen Verhalten und Bedecken« der Tochter, Schwester oder Cousine ab.

Das sind diese Momente, in denen ich als Politikerin schlucke und ungläubig nachfrage, in einem Deutschland des 21. Jahrhunderts, in dem eine Frau Bundeskanzlerin und eine Frau Bundesverteidigungsministerin ist, in einem Land, in dem Frauen in Führungsetagen der Wirtschaft und Wissenschaft zuhause sind. Gekleidet, wie sie selbst es wollen. Und ich weiß noch, wie ich die junge Muslima fragte, gibt es denn da nicht einen Weg wieder hin? Zurück? Und sie sagte einfach nein. Erschrocken sei sie aber wegen etwas ganz anderem, nämlich dass



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