Joseph StiglitzDer Preis des Profits

E-Book (EPUB)

Siedler Verlag (2020)

368 Seiten

ISBN 978-3-641-26555-7

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Kurztext / Annotation
Das Buch der Stunde: Wie kämpfen wir gegen die Auswüchse des Kapitalismus?
Seit dem Crash von 2008 ist es nicht gelungen, den Kapitalismus wirksam zu reformieren. Ganz im Gegenteil, er droht vollends aus dem Ruder zu laufen: Die Finanzindustrie schreibt sich ihre eigenen Regeln; die großen Tech-Firmen beuten unsere persönlichen Daten aus; die Machtballung in der Industrie nimmt zu und der Staat hat seine Kontrollfunktion praktisch aufgegeben. Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zeigt, wie es dazu kommen konnte und warum es, was nicht zuletzt das Beispiel Donald Trump zeigt, dringend nötig ist, den Kapitalismus vor sich selbst zu schützen.

Joseph Stiglitz, geboren 1943, war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford, bevor er 1993 zu einem Wirtschaftsberater der Clinton-Regierung wurde. Anschließend ging er als Chefvolkswirt zur Weltbank und wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet. Heute lehrt Stiglitz an der Columbia University in New York und ist ein weltweit geschätzter Experte zu Fragen von Ökonomie, Politik und Gesellschaft. Bei Siedler erschienen unter anderem seine Bestseller 'Die Schatten der Globalisierung' (2002), 'Die Chancen der Globalisierung' (2006), 'Im freien Fall' (2010), 'Der Preis der Ungleichheit' (2012) und zuletzt 'Reich und Arm' (2015).

Textauszug
Vorwort

Ich wuchs im goldenen Zeitalter des Kapitalismus auf, in Gary, Indiana, am Südufer des Lake Michigan. Damals machte es allerdings keinen so goldenen Eindruck, ich erlebte massive Rassendiskriminierung und Segregation, große Ungleichheit, Arbeitskämpfe und immer wieder Rezessionen. Nicht nur meine Schulkameraden waren davon betroffen, auch das äußere Erscheinungsbild von Gary.

Die Stadt verkörpert wie kaum eine andere die Geschichte der Industrialisierung und Deindustrialisierung in Amerika; sie war 1906 als Standort des größten integrierten Stahlwerks der Welt gegründet und nach dem Gründer und Chairman des Stahlkonzerns US Steel, Elbert H. Gary, benannt worden. Gary war eine typische Firmenstadt. Als ich im Jahr 2015 - noch bevor Trump zur beherrschenden öffentlichen Figur wurde - für das 55-jährige Highschool-Klassentreffen dorthin zurückkehrte, waren die Spannungen spürbar, und dies aus gutem Grund. Die Deindustrialisierung, von der das gesamte Land betroffen war, hatte auch Gary erfasst. Die Stadt zählte jetzt nur noch halb so viele Einwohner wie zu meiner Kindheit. Die Stadt war ausgebrannt. Man drehte hier Hollywoodfilme, die in Kriegszonen oder nach der Apokalypse spielten. Manche Klassenkameraden waren Lehrer geworden, einige wenige auch Ärzte und Juristen und viele von ihnen Sekretärinnen. Doch die bewegendsten Geschichten bei dem Treffen erzählten jene, die nach ihrem Abschluss gehofft hatten, Arbeit in den Stahlwerken zu finden. Aber das Land steckte mal wieder in einer Rezession, und so gingen sie zum Militär, mit der Aussicht auf eine Laufbahn im Polizeidienst. Als ich die Liste derjenigen las, die bereits verstorben waren, und die körperliche Verfassung der anderen sah, zeigte mir dies erneut, wie ungleich Gesundheit und Lebenserwartung in diesem Land verteilt sind. Es kam zu einem Streit zwischen zwei Klassenkameraden, einem ehemaligen Polizisten, der die US-Regierung scharf kritisierte, und einem pensionierten Lehrer, der darauf hinwies, dass die Leistungen aus der Sozialversicherung, etwa auch bei Erwerbsunfähigkeit, auf die der Ex-Polizist angewiesen sei, von ebendieser Regierung kämen.

Wer hätte, als ich 1960 Gary verließ, um am Amherst College in Massachusetts zu studieren, vorhersagen können, welchen Lauf die Geschichte nehmen würde und wie sehr meine Geburtsstadt und die Klassenkameraden davon betroffen sein würden? Die Stadt hatte mich geprägt: Die quälenden Erinnerungen an Ungleichheit und menschliches Leid brachten mich dazu, von der theoretischen Physik, für die ich mich begeistert hatte, auf Volkswirtschaftslehre umzusatteln. Ich wollte verstehen, warum unser Wirtschaftssystem bei so vielen Menschen versagte und was man dagegen tun könne. Aber noch während meines Studiums, das mich besser verstehen ließ, warum Märkte oft nicht gut funktionieren, wurden die Probleme schlimmer. Die Ungleichheit nahm so sehr zu, wie man es sich in meiner Jugend niemals hätte vorstellen können. Jahre später, genauer gesagt 1993, als ich in die Regierung von Präsident Clinton eintrat, zuerst als Mitglied und später als Vorsitzender des Wirtschaftswissenschaftlichen Beirats des Präsidenten (Council of Economic Advisers, CEA), rückten diese Probleme gerade erst neu ins Blickfeld; irgendwann Mitte der 1970er- oder Anfang der 1980er-Jahre begann sich die Ungleichheit so übel zu beschleunigen, dass sie 1993 viel höher war als je zuvor in meinem Leben.

Das Studium der Volkswirtschaftslehre hat mich gelehrt, dass die ideologischen Überzeugungen vieler Konservativer falsch sind; ihr beinahe religiöser Glaube an die Macht der Märkte - sie glauben fest daran, dass wir die Steuerung der Wirtschaft weitgehend ungezügelten Märkten überlassen können - entbehrt jeglicher theoretischer und empirischer Grundlage. Die Herausforderung bestand nicht nur darin, andere von dieser Erkenntnis zu überzeugen, sondern auch, Programme und Strategien zu entwicke



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