Patricia Hecht; Nina Horaczek; Christian Jakob; Sabine am Orde; Malene GürgenAngriff auf Europa

E-Book (EPUB)

Ch. Links Verlag (2019)

288 Seiten; 20,5 cm x 12,5 cm

ISBN 978-3-86284-456-2

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Kurztext / Annotation
In fast allen europäischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch, in manchen regieren sie sogar. Und sie arbeiten zunehmend länderübergreifend zusammen. Ihr gemeinsamer Feind: die Europäische Union, wie wir sie kennen. Nicht nur verstehen sie sich als Gegenspieler des Brüsseler Establishments, sie lehnen auch zentrale Werte des europäischen Projekts ab: Offenheit, Pluralismus, Minderheitenschutz, Multilateralismus. Schon jetzt blockieren sie eine gemeinsame Migrationspolitik. Wie gefährlich ist die Rechtsfront nach den Europawahlen für die EU?
Seit 2018 recherchieren Fachjournalistinnen und -journalisten aus Deutschland, Ungarn, Polen, Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz gemeinsam zu den rechten Parteien in Europa. Was verbindet diese, was trennt sie, wo lernen sie voneinander? Und welche Rolle spielt Russland als Vorbild und Förderer? Das Buch deckt auf, wie die Rechtspopulisten kooperieren, um in den Einzelstaaten ihre Agenda durchzusetzen - etwa die Verschärfung des Abtreibungsrechts -, wie sie NGOs und etablierte Medien bekämpfen und den Klimaschutz blockieren.

Jahrgang 1979, ist Genderredakteurin im Inland-Ressort der tageszeitung.



Textauszug
Deutschland.
AfD: Von der Eurokritik zum Islamhass

Es ist ein früher Samstagabend Anfang Dezember 2017, als in der Eilenriedehalle im Hannover Congress Centrum Doris von Sayn-Wittgenstein ans Redepult tritt. Die AfD hat sich hier zum Bundesparteitag versammelt. Sayn-Wittgenstein ist damals 63 Jahre alt und Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein. Inzwischen läuft ein Parteiausschlussverfahren gegen sie: Sie soll einen rechtsextremen Verein unterstützt haben.

An diesem Abend aber wäre Sayn-Wittgenstein beinahe AfD-Chefin an der Seite von Jörg Meuthen geworden. Als Nachfolgerin von Frauke Petry. Die radikal rechte Parteiströmung, die sich selbst Der Flügel nennt, hat Sayn-Wittgenstein überraschend ins Rennen geschickt. Ob dessen AnhängerInnen die Norddeutsche wirklich für eine gute Kandidatin gehalten haben, darf bezweifelt werden. Aber Sayn-Wittgenstein soll vor allem eins: verhindern, dass der Berliner Landeschef Georg Pazderski, der innerhalb der AfD als gemäßigt gilt, den Posten bekommt. Pazderski steht für vieles, was die extrem Rechten in der Partei gar nicht mögen: Der ehemalige Soldat, der auch für die NATO gearbeitet hat, gilt vielen als Transatlantiker; er will die AfD in die Regierung führen und sich dafür auch moderat vom rechten Rand abgrenzen.

Jetzt also hebt Sayn-Wittgenstein zu ihrer Rede an. Die hellblaue Bluse trägt sie bis zum letzten Knopf geschlossen, die blonden Haare streng zusammengebunden, dazu Perlenohrringe. »Ich bin erst seit 2016 in dieser Partei, nachdem die Partei eine mehr patriotische Richtung genommen hat«, sagt sie.1 Applaus brandet unter den 550 Delegierten auf. »Das ist nicht unsere Gesellschaft«, fährt sie fort, sagt, dass nur der Nationalstaat die Demokratie am Leben erhalte und sie in erster Linie deutsch fühle. Dazu äußert sie scharfe Kritik an der Antifa, die sie im rechtsextremen Jargon »Antifanten« nennt, und Verständnis für Russland. Am Ende schallen »Doris, Doris«-Rufe durch den Saal. Für Pazderski, dessen künftige Rolle in der Nacht zuvor im kleinen Kreis ausgekungelt worden ist, wird es eng.

Was folgt, ist ein Wahlkrimi. In der ersten Abstimmung liegt Sayn-Wittgenstein mit wenigen Stimmen vorn, bei der zweiten Pazderski. Beide Male reicht die Mehrheit nicht. Die Partei ist gespalten. Und die Abstimmungen zeigen: Der Flügel ist in der AfD keine Randerscheinung mehr. Noch hat er zwar keine Mehrheit, aber gegen ihn ist in der AfD auch nichts mehr durchsetzbar.

Auf dem Parteitag in der Eilenriedehalle bricht Chaos aus. Schließlich ergreift Alexander Gauland, damals noch AfD-Vizechef, das Mikrofon und beantragt eine Unterbrechung. Am Ende wird er selbst zum Co-Vorsitzenden von Meuthen gewählt.

Gauland, Jahrgang 1941 und gesundheitlich angeschlagen, gilt als einer der wenigen, die die FunktionärInnen und auch die große Mehrheit der gut 33 000 AfD-Mitglieder zusammenhalten können. Die AfD, die Gauland selbst gern einen »gärigen Haufen«2 nennt, ist keine homogene Partei, sie ist eine Sammlungsbewegung, die aus verschiedenen Strömungen besteht. Inzwischen ist Der Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke die einflussreichste. Die gemäßigteren AfDler, die dazu ein Gegengewicht bilden wollen und sich deshalb in der Alternativen Mitte organisiert haben, waren nie stark und haben zuletzt noch weiter an Bedeutung verloren. Daneben gibt es nach wie vor Konservative, die sich die alte CDU zurückwünschen, evangelikale Christen, Neoliberale und Libertäre in der Partei.

Alexander Gauland, der seit dem Parteitag in Hannover neben der Bundestagsfraktion auch noch die Partei führt, ist vom ersten Tag an dabei. Das gilt für niemanden sonst, der heute bei der AfD in der ersten Reihe steht. Zuvor war Gauland 40 Jahre lang in der CDU, als Beamter hat er mit der Partei Karriere gemacht: Er hat das Büro des Fran



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