Guillermo ArriagaDer Wilde

Allgemeine Handelsware

Klett-Cotta (2018) (2018)

746 Seiten

ISBN 978-3-608-96177-5

Besorgungstitel, lieferbar voraussichtlich innerhalb von 14 Tagen

Der Wilde

Langtext
Juan Guillermo kennt Mexiko-City besser als jeder andere. Mit seinen Freunden streift er durch sein Viertel, gewinnt Mutproben über den Dächern der Stadt und hält die Direktorin der Schule auf Trab. Sein großes Idol dieser unbeschwerten Tage ist sein großer Bruder Carlos. Ein belesener und geschäftstüchtiger junger Mann, der für Juan unantastbar zu sein scheint. Dann wird Carlos ermordet und Juan muss sich der grausamen Frage stellen, ob er seinen Tod hätte verhindern können. Er sinnt auf Rache, doch erst die Schicksalsgemeinschaft mit der schönen Chelo und einem gefährlichen Wolf zeigt ihm einen Weg aus dem Strudel von Verzweiflung und Gewalt. - Ein Epos der menschlichen Abgründe, aus dem in dunkelster Nacht die Menschlichkeit hervorbricht.


Episch und wuchtig
Der Wilde ist ein imposanter, bemerkenswerter Koloss von Roman, der mich sofort gepackt hat, wie lange kein Buch mehr. Der Roman lässt sich gut lesen, enthält aber ab und zu auch einmal sprachliche Spielereien und kulturwissenschaftlich Ausflüge (z.B. einmal über den Schriftsteller Martin Luis Guzmann und Pancho Villa), die als Gleichnisse für die Romanhandlungen dienen.

Icherzähler und Protagonist ist der junge Juan, der das Pech hat, sowohl seinen Bruder zu verlieren, der ermordet wurde, als auch seine Eltern, die tödlich verunglücken. Das sind zu viele Schicksalsschläge auf einmal.
Er ist als 17jähriger alleine mit den verbleibenden Haustieren und seiner Wut und Hass auf den Mörder seines Bruders. Gleichzeitig quält ihn Eifersucht, da seine Freundin auch mit anderen Männern schläft. Perfekt ist in diesem Buch niemand, auch Juan schleppt Schuld mit sich.
Juan erzählt seine Kindheit und Jugend in den sechziger/siebziger Jahren ausführlich. Ein Wendepunkt erfolgt, als er einen aggressiven Wolfshund aufnimmt, der sich dann sogar als reinrassiger Wolf entpuppt. Ihn zu zähmen ist ein schwieriger Akt, der auch zu einem Kampf mit seinem eigenen Inneren wird. Es wird eine Geschichte von Rache und Überwindung!
Seine Emotionen sind zwingend geschildert, man kann sich ihnen als Leser nur schwer entziehen.

Eine schöne Idee des Autors ist es, zwischendurch eine Parallelhandlung um einen weiteren Wolf zu erzählen. Da geht es dann auch um die Menschen, die sich mit diesem Wolf auseinandersetzen, zuerst der Inuit Amaruq, später Robert und seine Familie. Schließlich werden beide Handlungsstränge geschickt zusammengeführt.

Guillermo Arriaga ist ein Filmschaffender, der als Drehbuchautor und Regisseur Erfolge hatte. Da wundert es nicht, dass seine wuchtige Sprache bildhaft und eindrucksvoll wirkt.

Der Wilde
Ein 700-Seiten-Roman mag so manche Leser abschrecken. Aber nicht mich, denn ich kenne seine Filme „Babel“, „21 grams“ oder „Amores Perros“, und wollte auch den Autor dahinter unbedingt kennenlernen. Jedes Kapitel ist eine Offenbarung, und der Roman ist ein episches Werk, das Mexico-City umfassend beschreibt, sei es in Perspektivenwechseln, Rückblicken oder Sagen und Mythen der Weltgeschichte. Juan verliert seinen Bruder Carlos und schwört Rache. Er ist der Wilde, oder ist es der Wolf, der eine wichtige Rolle in dem Roman spielt? Nachdem das Abenteuer „Der Wilde“ zu Ende war, habe ich aus Neugierde den Autor im Internet ausspioniert. Soviel kann ich verraten: dieser Mexikaner ist genauso faszinierend, hintergründig und düster wie sein Buch!
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