Die Mauer
Hardcover
Klett-Cotta (2019)
348 Seiten; 210 mm x 138 mm
ISBN 978-3-608-96391-5
versand- oder abholbereit innerhalb von 3 Werktagen
Besprechung
»Der großartige Roman Die Mauer verliert sich nicht im Geschwätz über Gesellschaftsstrukturen und Systeme. Er beschreibt die Kälte, die Langeweile, die Verzweiflung. Und die Gleichgültigkeit, mit der einer ein System erlebt, das irgendwie nicht gerecht zu sein scheint, in dem er aber schlicht Karriere machen will.« Thomas Friedrich, Ultimo Bielefeld, 04.10.2019 Thomas Friedrich Ultimo 20191004
Kurztext / Annotation
In Großbritannien gilt das Gesetz des Stärkeren. Das Land ist von einer hohen Mauer umgeben, die von den Bewohnern um jeden Preis gegen Eindringlinge verteidigt wird. Während in England der Brexit vorbereitet wird, legt Bestsellerautor John Lanchester einen brisanten neuen Roman vor.
»Bedrückend aktuell«
Welt am Sonntag, 03.02.2019
Langtext
In Großbritannien gilt das Gesetz des Stärkeren. Das Land ist von einer hohen Mauer umgeben, die von den Bewohnern um jeden Preis gegen Eindringlinge verteidigt wird. Während in England der Brexit vorbereitet wird, legt Bestsellerautor John Lanchester einen brisanten neuen Roman vor.
Joseph Kavanagh tritt seinen Dienst auf der Mauer an, die England seit dem großen Wandel umgibt. Er gehört nun zu jener Gruppe von jungen Menschen, die die Mauer unter Einsatz ihres Lebens gegen Eindringlinge verteidigt. Der Preis für ein mögliches Versagen ist hoch. Schaffen es Eindringlinge ins Land, werden die verantwortlichen Verteidiger dem Meer - und somit dem sicheren Tod - übergeben. Das Leben auf der Mauer verlangt Kavanagh einiges ab, doch seine Einheit wird zu seiner Familie, und mit Hifa, einer jungen Frau, fühlt er sich besonders eng verbunden. Gemeinsam absolvieren sie Kampfübungen, die sie auf den Ernstfall vorbereiten sollen. Denn ihre Gegner können jeden Moment angreifen. Und die sind gefährlich, weil sie für ein Leben hinter der Mauer alles aufs Spiel setzen.
John Lanchester geht in seinem neuen Roman alle Herausforderungen unserer Zeit an - Flüchtlingsströme, wachsende politische Differenzen und die immer größer werdende Angst in der Bevölkerung - und verwebt diese zu einer hochgradig spannenden Geschichte über Liebe und Vertrauen sowie über den Kampf ums Überleben.
Mahnung an die Gesellschaft
John Lanchester tut genau dies in seinem Roman „Die Mauer“. Wir befinden uns in der Zukunft und begleiten Joseph Kavanagh zu seinem 2jährigen Einsatz auf die Mauer.
In diesem dystopischen Zukunftsszenario umgibt England eine Mauer die 10.000km lang ist, 3m hoch und alle 3km einen Wachposten hat als Schutz vor den Anderen draußen.
England schützt sich so nach dem großen Wandel vor Eindringlinge. Der Einsatz als Verteidiger auf der Mauer zerrt an den Kräften und Nerven, denn ein Fehler und man wird selbst zum Opfer und dem Meer übergeben.
Auf sehr beklemmende Weise schafft es John Lanchester im ruhigen Ton diese absurde und so fatale Welt zu erschaffen. Erstklassig verarbeitet er die Themen der Zeit wie den BREXIT, die wachsende Angst gegenüber Unbekanntem, die Sorge um die Flüchtlingsströme.
Gut geschrieben und auch hervorragend übersetzt von Dorothee Merkel, rüttelt es den Leser wach und fordert ihn geradezu zum Handeln auf. In so einer Welt will keiner Leben! Hoffen wir inständig, dass dieses literarische Wachrütteln eine Hilfestellung gibt!
FAZIT: Ein Roman für mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander. Ein Hoch auf die gemeinschaftliche Gesellschaft und gegen die Abschottung!
Blieb leider deutlich hinter meinen Erwartungen zurück
Großbritannien in der Zukunft. Nach Entwicklungen, die in diesem Buch nur mit dem Begriff „Wandel“ umschrieben werden, hat sich das Land mit Hilfe einer Mauer, die die gesamte Küste entlang verläuft, abgeschottet. In einer Form von Wehrdienst müssen junge Menschen zwei Jahre ihres Lebens auf dieser Mauer zubringen und tragen dabei die Verantwortung dafür, dass die „Anderen“ nicht über die Mauer ins Landesinnere kommen. In dieser Welt begleiten wir als Leser den „Verteidiger“ Jospeh Kavanagh, als dieser seinen Dienst auf der Mauer antritt.
Meine Meinung
Die Leseprobe zu „Die Mauer“ und der Klappentext hatten mich vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussionen zum Thema „Flucht und Zuwanderung“ sehr neugierig auf das vom Autor beschriebene düstere Zukunftsszenario gemacht. Denn John Lanchester zeichnet ein wirklich grauenhaftes Zukunftsbild, in der tatsächlich eine physische Mauer aus Beton hochgezogen wird, um Menschen, die aus verschiedenen Gründen auf der Flucht sind, daran zu hindern, Großbritannien zu betreten. Jeder aus der jüngeren Generation ist dazu verpflichtet, eine Art Verteidigungsdienst auf dieser Mauer zu absolvieren. Dabei soll die „Motivation“ zur Verteidigung der Landesgrenze mit Waffengewalt dadurch gesteigert werden, dass bei Versagen quasi eine Verbannung für die jeweils verantwortlichen Verteidiger ausgesprochen wird, die dann dem Meer überlassen werden – was defacto in der Regel den sicheren Tod bedeutet. Das grundsätzliche Setting der Geschichte hatte also meinen Erwartungen nach einiges an Spannung und Dramatik zu bieten.
Allerdings muss ich nach der Lektüre von „Die Mauer“ sagen, dass der beste Teil des Buches meiner Meinung nach bereits in der Leseprobe enthalten war. Zum einen bin ich mit dem Protagonisten der Geschichte, Joseph Kavanagh, nicht wirklich warm geworden. In großen Teilen der Geschichte war er mir einfach unsympathisch. Die kurzen Momente der Nachdenklichkeit, in denen er darüber reflektiert, was es eigentlich bedeutet, dass sich sein Land so abgeschottet hat und wie unmenschlich mit Flüchtenden umgegangen wird, sind sehr selten und dann meist auch sehr oberflächlich abgehandelt.
Zum anderen wiederholt sich der Autor in seinen Ausführungen meiner Meinung nach zu oft. Wie oft der Beton, der Himmel, der Wind und die Kälte erwähnt werden, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Eine gewisse Anzahl an Wiederholungen lasse ich mir als Stilmittel zur Verdeutlichung oder Betonung von bestimmten Sachverhalten ja gefallen, aber die Anzahl in „Die Mauer“ hat einfach für mich dazu geführt, dass sich die Geschichte gezogen hat und Längen hatte, die unnötig waren.
Andere Themen, zum Beispiel, was genau den „Wandel“ umfasste, werden sehr oberflächlich behandelt und die Wendungen der Geschichte, die für Spannung sorgen könnten, kündigt Kavanagh in seiner rückschauenden Erzählung aus der Ich-Perspektive immer bereits an, sodass man als Leser dann nur noch darauf wartet, dass die dann sehr vorhersehbare Wendung eintritt.
Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt – und gerade der Sinn des letzten Abschnitts hat sich mir nur bedingt erschlossen. Es bleiben wiederum Fragen offen und die offensichtlichen ethischen Fragenstellungen, die wohl damit behandelt werden sollten, werden wiederum vom Kavanagh nur oberflächlich betrachtet. Kurzum, irgendwie hat mich das Ende mit einem schalen Nachgeschmack zurückgelassen.
Von mir erhält „Die Mauer“ daher auch nur zwei von fünf Sternen. Das Buch blieb leider deutlich hinter meinen Erwartungen zurück. Zu dem Thema „Flucht“ gibt es da deutlich bessere aktuelle Veröffentlichungen, wie z.B. „Davor und Danach“ von Nicky Singer.
Realistisches Gedankenspiel?
Die Lage der Welt wird im Buch eher angedeutet als ausführlich erklärt. Anscheinend ist der Meeresspiegel gestiegen und viele Gegenden sind unbewohnbar. Großbritannien hat sich vom Rest der Welt durch die Mauer abgeschottet. Ein Szenario, wie es heute schon in Ansätzen vorhanden ist, Stichworte: Klimawandel und Flüchtlinge. Allerdings geht es im Roman kaum um die Lage der Welt als Ganzes, sondern eher ganz konkret um Joseph und welche Auswirkungen das auf ihn und sein Leben hat.
Besonders gut beschrieben ist die Wut von Joseph Generation auf die der Eltern, die den „Wandel“ in seinen Augen zu verantworten haben und dessen Konsequenzen er nun tragen muss.
Ich habe das Buch gerne gelesen, es ist spannend und die Gedankenspiele rütteln auf. Denn lassen wir nicht heute schon „Andere“ im Meer ertrinken, statt ihnen zu helfen? Auch ohne Mauer. Trotzdem ließ mich die Lektüre am Ende auch ein wenig unbefriedigt zurück. Sehr viel bleibt offen. Sehr wenig erfahren wir über die Welt. Ich hätte mir am Ende noch eine Art Aha Erlebnis gewünscht, für den Leser und für Joseph, aber das blieb aus. Man wird zurück gelassen in Hoffnungslosigkeit.
Mein Fazit: ein spannendes Buch für alle, die realistische Dystopien gerne mögen. Und die damit leben können, dass nicht alle Fragen beantwortet werden. Ich habe es gerne gelesen, deswegen gebe ich 4 Sterne.