Sammer, ClaudiaEin zögerndes Blau

Hardcover

braumüller literaturverlag Braumüller GmbH (2019)

220 Seiten; 190 mm x 125 mm

ISBN 978-3-99200-230-6

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Ein zögerndes Blau

Langtext
Ein Leben zwischen zwei Namen, zwei Sprachen, zwei Identitäten. Kann man alles verlieren, ohne ein anderer Mensch zu werden? Zwei Kinder, Leon und Teres, stranden in den Wirren eines Krieges in einem fremden Land. Sie bleiben fremd unter Fremden, deren Sprache sie nicht sprechen, und erhalten von der Bauernfamilie, die sie aufnimmt, neue Namen und einen neuen, nie zuvor gedachten Lebensweg. Während Teres ein Leben lang mit Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen ringt, kämpft Leon für ein besseres Leben, bis auch er an seine Grenzen stößt und sich dem Zwiespalt und der Verleugnung stellen muss. Es ist die Geschichte zweier Menschen, die jenseits aller Selbstverständlichkeiten lernen müssen, ihr Leben neu zu denken. Textauszug:Mit ihren müden Händen umklammerte Lea Kapries zwei kleine Kinderhände. Sie hatte drei Söhne und zwei Hände, eine verhängnisvolle Ungleichung. Leon war außen. Er hielt sich an seinem älteren Bruder fest, als er in der Menge einen Stoß versetzt bekam, stolperte und ins Leere griff. Seine Hand hastete, tastete panisch nach der Hand des Bruders, seine Augen suchten verzweifelt nach dem Gesicht der Mutter und der Geschwister, doch Augen und Finger fanden nur Fremdes. Fremde erschöpfte Augen und verzerrte Münder, fremde knöcherne und schwitzende Hände. Seine Schreie blieben ungehört, weil sie in den Schreien der übrigen Verlorenen untergingen.Leon wollte rennen und suchen, finden und umarmen und war eingesperrt in dem unwillkürlichen Wogen der Menge, das seinen Körper in alle Richtungen verschob. Irgendwann wurde er an den ausfransenden Rand gespült und floh schluchzend auf eine Bank. Er winkte und rief, doch er sah nichts Bekanntes.

Claudia Sammer, geboren 1970 in Graz, studierte Rechtswissenschaften und Literarisches Schreiben. Nach beruflichen Stationen in Wien und Mailand lebt sie mit ihrer Familie in Graz. Ersten Gedichtveröffentlichungen in Anthologien folgt nun mit Ein zögerndes Blau ihr Romandebüt.


Ein zögerndes Blau
Die jungen Autoren in Graz liefern zur Zeit wirklich tolle Werke ab. Claudia Sammer hat Gedichte geschrieben und sie debütiert nun mit ihrem ersten Roman. Wunderschön und zart erklingt ihre Stimme und die Geschichte, die sie erzählt, erzeugt einen unglaublichen Sog. Ihre Art zu schreiben hat mich sehr an Robert Seethalers Romane erinnert; einen schöneren Vergleich gibt es kaum. Leon und Teres verlieren ihre erste Kindheit im Krieg, da sie von den Eltern getrennt werden. Nie mehr können sie diesen Verlust überwinden, egal wie: Leon verdrängt, Teres verliert sich in der Vergangenheit. Ihr Lebensweg, ihr Schicksal ist einzigartig und „Ein zögerndes Blau“ wird noch lange in den Köpfen der Leser herumspucken.

Eine Geschichte zwischen zwei Ländern, zwei Sprachen und zwei Identitäten: Als der kleine Leon in den Wirren eines Krieges seine Familie aus den Augen verliert, sieht er sich schlagartig auf sich allein gestellt. Gemeinsam mit anderen Kindern kämpft er ums Überleben, bis er und die jüngere Teres bei einer Bauernfamilie unterkommen. Leon heißt nun Leonas, muss eine fremde Sprache lernen und einen neuen, unbekannten Lebensweg gehen, in welchem seine Vergangenheit keinen Platz mehr hat. Er passt sich an und tut, was von ihm erwartet wird, stets entschlossen, aus diesem Leben das Bestmögliche zu machen. Währenddessen kämpft Teres zeitlebens mit Selbstzweifeln und kann mit ihrer Kindheit niemals abschließen, bis auch Leon mit seinen Grenzen konfrontiert wird und sich in einem Netz aus Verleugnung und Verdrängung wiederfindet.
Der Roman erzählt in kraftvoller Sprache von Menschen, die alles verloren
haben und neu beginnen müssen, von Leid und Hoffnung und davon, wie schwierig es ist, sich selbst zu belügen.
Ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen kann !

Empfohlen von : HANNAH OPPOLZER
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