Maya AngelouIch kenne einen Ort weit weg von hier

E-Book (EPUB)

Suhrkamp Verlag (2022)

252 Seiten

ISBN 978-3-518-77260-7

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Kurztext / Annotation

So viel Leben in so kurzer Zeit: das Aufwachsen im segregierten Süden der USA, die erste turbulente, Liebe, frühe Mutterschaft, eine Karriere als weltreisende Sängerin, der Kampf für Bürgerrechte an der Seite von Martin Luther King Jr. ... Und im Jahr 1962 beginnt für die legendäre Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou ein neues Abenteuer, erneut spiegelt ihr Schicksal das der afroamerikanischen Community. Sie geht nach Accra, Ghana. Vertrieben von der Gewalt und Bigotterie ihrer Heimat, magisch angezogen von der Erfüllung eines Traums: gleiches, gerechtes Leben in einem jungen unabhängigen Land Afrikas. Doch bei der Arbeit am Theater, im Umgang mit den Freunden, angesichts der Gepflogenheiten der Liebe an diesem Ort ist sie mit neuen Konflikten konfrontiert. Ihre Hautfarbe ist keine gewaltvolle Zuschreibung mehr, vielmehr bleibt ihre amerikanische Herkunft unhintergehbar ...

Ich kenne einen Ort weit weg von hier ist das Tagebuch eines Traums. Darin erzählt Maya Angelou vom Hoffen, Handeln, Freuen und Bereuen nach der Rückkehr auf den afrikanischen Kontinent nach Hunderten von Jahren. Und teilt auf virtuos-lebendige Weise ihren Glauben: Kraft und Selbstvertrauen liegen in der Schönheit der Sprache.



Maya Angelou, geboren 1928, war Tänzerin, Calypso-Sängerin, erste schwarze Straßenbahnschaffnerin San Franciscos, alleinerziehende Mutter, Pimp, Schauspielerin, Theaterregisseurin, Filmregisseurin, Journalistin, Prosaschriftstellerin, Lyrikerin, Bürgerrechtlerin, engste Vertraute von Martin Luther King und Malcolm X, und das alles vor ihrem vierzigsten Geburtstag. Als sie 2014 verstarb, trauerte ganz Amerika. Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt erschien erstmals 1969.



Textauszug

In Zeiten der Rassentrennung in den USA durften Schwarze Amerikaner auf Reisen nicht in Hotels unterkommen, die Weißen vorbehalten waren, und so hielten sie an den Kirchen und erzählten den Schwarzen Pfarrern oder Diakonen von ihrem Dilemma. Die Kirchenvertreter entschieden, welche Familie die Reisenden aufnehmen sollte, und informierte erst dann die unvorbereiteten Gastgeber. Es hat sich nie jemand beschwert, aber die Gastgeber waren auf die Hilfe ihrer Nachbarn angewiesen, um die Gäste bewirten und unterhalten zu können. Kaum waren die Reisenden im Haus eingetroffen, wurde immer wieder an die Hintertür geklopft.

In Stamps, Arkansas, hörte ich des Öfteren: »Schwester Henderson, ich weiß, Sie haben Gäste. Hier, ich habe schnell ein paar Brötchen gebacken.«

»Schwester Henderson, Mama schickt Ihnen einen halben Kuchen für Ihre Gäste.«

»Schwester Henderson, ich habe eine große Portion Käsemakkaroni gemacht. Vielleicht hilft das Ihren Gästen.«

Meine Großmutter dankte ihnen flüsternd, und wenn die Familie und die Gäste sich endlich an den Tisch setzten, war dieser so reich und vielfältig gedeckt, dass man meinen konnte, das Mahl sei tagelang vorbereitet worden.

Patience bat mich herein, und als ich den Tisch sah, bestätigte das meine Vermutung. Erdnusseintopf, Aubergineneintopf, scharfe Chilisuppe, Kenkey, Kotomire, gebratene Banane, Dukuno, Garnelen, Fischfrikadellen und mehr, alles stand dicht beieinander auf bunt zusammengewürfelten Tellern.

In Arkansas hätten die Gäste, obwohl sie es besser wussten, niemals laut gesagt, dass die Gastgeber nicht jeden einzelnen Happen extra für sie zubereitet hatten.

Ich sagte an Patience gerichtet: »Ach, Schwester, was für eine Arbeit du dir gemacht hast!«

Sie lachte: »Nicht der Rede wert, Schwester. Wir wollen doch nicht, dass eine mit uns verwandte Bambara sich weiter für eine Fremde hält. Komm, wir waschen uns und dann essen wir.«

Nach dem Essen folgte ich Patience zur Außentoilette, dann wiesen sie mir ein Feldbett in einem sehr kleinen Raum zu.

Am nächsten Morgen wickelte ich mir mein Tuch wie einen Sarong um den Körper und ging mit Patience zum Badehaus. Wir trafen auf etwa zwanzig Frauen in einer ummauerten, unbedachten Anlage. Sie riefen uns laut und fröhlich zu, als wir uns einseiften und uns aus Eimern Wasser über die Schultern gossen.

Patience stellte mich vor. »Das ist unsere Bambara-Schwester.«

»Sie ist ganz schön groß. Willkommen, Schwester.«

»Ich mag ihre Farbe.«

»Wie viele Kinder, Schwester?« Die Frau betrachtete meine Brüste.

Entschuldigend sagte ich: »Ich habe nur eins.«

»Eins?«

»Eins?«

»Eins!«

Die Rufe hallten über das spritzende Wasser hinweg.

Ich sagte: »Eins, aber ich arbeite dran.«

Sie lachten. »Streng dich an, Schwester. Arbeite weiter.«

Wir aßen Reste vom vorabendlichen Festmahl, und ich verabschiedete mich von meinen Gastgebern. Die Kinder begleiteten mich zu meinem Auto, der älteste Junge trug meine Tasche. Ich konnte meinen Gastgebern kein Geld anbieten, das hatte ich in Arkansas gelernt, aber den Kindern gab ich ein paar Münzen. Sie knicksten und hüpften und grinsten.

»Auf Wiedersehen, Bambara-Tante.«

»Geh und komm wieder, Tante.«

»Geh und komm wieder.«

Ich erreichte Cape Coast, bevor ich wieder an das grausame Fort dachte, und hatte mich schon wieder von ihm entfernt, bevor die Geister der Sklaverei mich heimsuchten. Vielleicht waren ihre Versuche nur halbherzig. Denn immerhin hatte ich in Dunkwa bewiesen - wenn auch mit Hilfe einer Lüge -, dass eine ihrer Nachfahren, wenigstens eine, kurz nach Afrika zurückkehren konnte und dass wir immer noch wiederzuerkennen waren, allem bitteren Verrat, allen grauenvollen Schiffsreisen und allen schmerzhaften Jahrhunderten zum Trotz.

Der ehrwürdige Otu ließ seine übliche Gelassenhe



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