António Lobo AntunesDie letzte Tür vor der Nacht

E-Book (EPUB)

Luchterhand Literaturverlag; Dom Quixote (2022)

560 Seiten

ISBN 978-3-641-25555-8

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Kurztext / Annotation
Der Weltliterat António Lobo Antunes wird 80 Jahre alt. Sein neuer Roman ist ein geniales Sprachkunstwerk - eine Reise ins Unbewusste von fünf Männern, die durch ein grausames Verbrechen vereint sind.

Ein Geschäftsmann wurde ermordet und sein Körper in Schwefelsäure aufgelöst, um jeden Beweis zu eliminieren. Zu ihrer Verteidigung wiederholen die fünf Angeklagten immer wieder: »Keine Leiche, kein Verbrechen.« Der Autor dringt ins intimste Innere der Verdächtigen vor, er öffnet die Türen zu ihren Kindheitserinnerungen und Traumata, schält allmählich ihre Persönlichkeiten heraus und enthüllt, wie und warum das Verbrechen geschah. Inspiriert von einer wahren Begebenheit, entwirft Lobo Antunes mit seiner unvergleichlichen Sprachkunst die Stimmen von fünf menschlichen Monstern.

António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkriegs 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als dreißig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den »Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes«, den »Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft« und den Camões-Preis.



Textauszug
1
GELDEINTREIBER AUS DEM BILLARDCAFÉ

An dem Morgen, als mein Schwager starb, war er es, der mich am Telefon geweckt hatte, um mir zutiefst verstört mitzuteilen, dass er geträumt habe, er sei in dieser Nacht gestorben, während ich, mehr jenseits als diesseits, in einem wirren Traum mit Tieren und Zwergen als Beigabe verfangen, die freie, noch nicht ganz mir gehörende Hand auf der Suche nach der Uhrzeit zum Nachttisch ausstreckte, denn wenn ich ins Bett gehe, lege ich, nachdem ich sie vom Handgelenk genommen habe, die Zeit dort ab, die viel schneller ist als in der Provinz, alles in der Stadt ist in Bewegung, was dazu führte, dass ich der Kleinen, die mit mir zusammenlebt, einen Fußtritt versetzte, die umgehend, indem sie mir den Rücken zudrehte, schwerflüssig protestierte

- Kommt jetzt nicht infrage ich schlafe

nur noch ein langer Schatten, an dessen Ende ein Tuff verwuschelter Haare herausschaute, während ich die Finger in der Hoffnung öffnete und schloss, die Zeiger der Uhr in einer Position vorzufinden, die mir erlaubte, ihn in Richtung Luxemburg zu verfluchen, wo er darauf wartete, dass die Polizei ihn nach einem Problem in einem Juwelierladen vergaß, in dem eine gewiefte Kamera ihn mit spitzen Fingern wie das Haar einer Frau von einem Kragen geklaubt und anklagend der Polizei gezeigt hatte

- Könnten Sie mir bitte sagen was das hier ist?

ich klopfte mit der Spitze des Pantoffels auf den Boden, während mein Schwager, winzig in diesem meinem Ohr, die weinerliche Bitte artikulierte, ihn auf dem Friedhof zu begraben, wo die Mutter seit Ewigkeiten Stickstoff produzierte, ich bin einmal nachmittags dorthin gegangen und erinnere mich an eine Hündin, die mit sorgenvollen Augen die Gräber umrundete, unermüdlich verfolgt von einer Gruppe Hunde unterschiedlicher Größe und Gestalt, einer davon blind

(es gibt unwichtige Details, die das Gedächtnis, so sind wir nun mal, einfach nicht wieder loslässt)

alle mit fünf Pfoten, ich sagte meinem Schwager, er solle sich nicht aufregen, das sei ein Zeichen für Ewigkeit, versuchte, wieder einzuschlafen, während ich an die Hunde mit den fünf Pfoten dachte, will heißen nicht nur fünf Pfoten, jeder mit mindestens dreihundert Zähnen, während meine sich langsam im Mund vermehrten und das Zimmer sich mit Grabsteinen, Zypressen und einem Betrunkenen füllte, der singend auf dem steinernen Tisch am Eingang ausgebreitet lag, auf dem die Särge abgestellt wurden, davor der Priester und hinter ihm betend die Leute, bevor sie sich zur Beerdigung begaben, während die Kleine, die das Bett mit mir teilt, mir den Ellenbogen in die Rippen bohrte

- Hör auf

und ich hatte mir nie vorgestellt, dass ihre Knochen ein Messer sein könnten, das imstande war, mich im Inneren zu zerreißen, während auf der Straße die Autos begannen, die Stimmen an der Bushaltestelle begannen, der Besitzer des Cafés begann, Metalltische auf dem Gehweg zu verteilen

(Friedhöfe verursachen mir sogar heute, nur wenn ich daran denke, Angst, oder vielleicht nicht richtig Angst, eher ein Zusammenziehen der Eingeweide)

was mir Gänsehaut machte, während die Helligkeit in den Zwischenräumen der Rollläden ganz allmählich die Dunkelheit im Zimmer auflöste, schau, da taucht die Kommode mit dem Foto meiner Eltern auf, schau, der Kleiderschrank, ein Stück Ärmel in der Tür eingeklemmt, und mein Appetit auf die Kleine verschwand, weil in mir kein weiterer zusätzlicher Zahn vorhanden war und meine fünfte Pfote ein Läppchen, ihre Strähnchen total vulgär, der Nagellack auf den Fingern abgeplatzt oder, besser gesagt, das Leben wie üblich witzlos, auch wenn man hin und wieder beim Billard gewann, da wieder das Telefon, und ich überrascht, denn ich erinnerte mich nicht gleich daran

(ich bin langsam)

dass es vor einer Stunde geklingelt hatte, auch nicht an die Kleine, die sich mir mit besorgten Augen wie die der Hündin entzog, und mir



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