Leïla SlimaniSchaut, wie wir tanzen

E-Book (EPUB)

Luchterhand Literaturverlag; Gallimard (2022)

384 Seiten

ISBN 978-3-641-26407-9

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Kurztext / Annotation
Der neue große Roman des literarischen Weltstars Leïla Slimani. Die faszinierende Fortsetzung des Bestsellers »Das Land der Anderen«.
Eine junge Ärztin - und die Sehnsucht einer ganzen Generation nach einem neuen Leben.

Wie viel Aufbruch ist möglich? Wie frei darf sie sein?

Im Sommer 1968 kehrt Aïcha Belhaj nach vier Jahren Medizinstudium in Straßburg nach Marokko zurück. In Frankreich gehen die Studenten auf die Straße, von den Barrikaden tönt der Ruf nach gesellschaftlicher Veränderung. Doch in ihrer Heimat trifft die angehende Ärztin auf eine erstarrte Welt. Die Farm von Aïchas Vater floriert zwar, die Familie allerdings ist zerrissen. Ihr Bruder Selim verschwindet in einer Hippiekommune an der Küste und versinkt im psychodelischen Drogenrausch. Wie soll Aïcha sich behaupten in einem Land, in dem bisher nur Männer Ärzte sind und das von einem autoritären König regiert wird? Am Abend der Mondlandung begegnet sie in einer Strandbar bei Casablanca einem Wirtschaftsstudenten, den alle nur »Karl Marx« nennen. Er ist Teil einer intellektuellen Jugend, die das Land erneuern möchte. Kann Aïcha mit ihm ihren Traum von einem unabhängigen Leben verwirklichen?

Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani gilt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs. Ihre Bücher sind internationale Bestseller. Slimani, 1981 in Rabat geboren, wuchs in Marokko auf und studierte an der Pariser Eliteuniversität Sciences Po. Für den Roman »Dann schlaf auch du« wurde ihr der renommierte Prix Goncourt zuerkannt. Zuletzt erschienen im Luchterhand Literaturverlag der persönliche Band »Der Duft der Blumen bei Nacht sowie die beiden Romane »Das Land der Anderen« und »Schaut, wie wir tanzen«. Letztere sind Teil einer Romantrilogie, die auf der Geschichte von Leïla Slimanis eigener Familie beruht.



Textauszug

Zuerst hatte er Nein gesagt. Nein, weil sie nicht die Mittel dafür hatten. Weil Wasser ein rares und kostbares Gut war, das man nicht zum Vergnügen benutzen durfte. Er hatte Nein gebrüllt, weil er die Vorstellung, den bitterarmen Bauern ein derart anstößiges Spektakel zu bieten, entsetzlich fand. Was würde man über die Erziehung denken, die er seinem Sohn angedeihen ließ, über den Umgang mit seiner Frau, wenn man sie halb nackt in einem Swimmingpool baden sähe? Er wäre nicht besser als die früheren Kolonisten oder diese dekadenten Bourgeois, von denen es im Land nur so wimmelte und die ungeniert ihren glänzenden Erfolg zur Schau stellten.

Doch Mathilde gab nicht auf. Sie wischte seine Einwände vom Tisch. Jahr für Jahr versuchte sie es wieder. Jeden Sommer, wenn der Chergui blies und die erdrückende Hitze an ihren Nerven zerrte, brachte sie erneut die Idee dieses Pools aufs Tapet, die ihrem Gatten so zuwider war. Sie dachte, er, der Nichtschwimmer, der sich vor dem Wasser fürchtete, könne sie nicht verstehen. Sie versuchte es sanft, gurrend, sie bettelte. Es war keine Schande zu zeigen, was sie erreicht hatten. Sie taten nichts Böses, es war ihr gutes Recht, das Leben zu genießen, nachdem sie ihre besten Jahre dem Krieg und dann dem Aufbau der Farm geopfert hatten. Mathilde wollte dieses Schwimmbad, sie wollte es zum Ausgleich für ihre verlorene Jugend. Sie hatten die vierzig hinter sich gelassen und mussten niemandem mehr etwas beweisen. Alle Landwirte der Umgebung, zumindest die, die ein modernes Leben führten, hatten einen Pool. Sollte sie sich lieber im öffentlichen Schwimmbad allen präsentieren?

Sie schmeichelte ihm. Sie lobte seine Erfolge bei der Erforschung neuer Olivensorten und beim Export von Zitrusfrüchten. Sie dachte, sie könnte ihn erweichen, indem sie so vor ihm stand, mit heißen, roten Wangen, schweißnassen Haaren, die ihr an den Schläfen klebten, Krampfadern an den Waden. Sie erinnerte ihn daran, dass sie alles, was sie verdient hatten, ihrer Arbeit, ihrer Beharrlichkeit verdankten. Und er verbesserte sie: »Ich bin es, der hier gearbeitet hat. Ich entscheide, wie wir das Geld verwenden.«

Als er dies sagte, weinte Mathilde nicht und wurde nicht wütend. Sie lächelte in sich hinein und dachte an alles, was sie für ihn getan hatte, für die Farm, für die Arbeiter, die sie in ihrer Ambulanz behandelte. An die Zeit, die sie damit verbracht hatte, ihre Kinder großzuziehen, sie zur Tanz- und zur Musikstunde zu fahren, mit ihnen Hausaufgaben zu machen. Seit ein paar Jahren hatte Amine ihr die Buchhaltung der Farm anvertraut. Sie schrieb die Rechnungen, bezahlte Löhne und Lieferanten. Und manchmal, ja, manchmal kam es vor, dass sie die Bilanz fälschte. Sie änderte eine Zeile, erfand einen zusätzlichen Arbeiter oder eine Bestellung, die es nie gegeben hatte. Und in einer Schublade, zu der nur sie den Schlüssel besaß, versteckte sie Bündel von Banknoten, die sie mit beigefarbenen Gummiringen zusammenrollte. Das machte sie schon so lange, dass sie sich nicht mehr dafür schämte und nicht mal mehr Angst hatte, bei dem Gedanken, sie könnte erwischt werden. Die Summe wuchs, und sie fand, das sei ihr wohlverdienter Anteil, eine Gebühr, die sie zur Entschädigung für ihre Demütigungen erhob. Und um sich zu rächen.

Mathilde war gealtert, und es war zweifellos Amines Schuld, dass sie älter aussah, als sie war. Die Haut in ihrem Gesicht, die andauernd Wind und Sonne ausgesetzt war, wirkte ledrig. Stirn und Mundwinkel waren mit Falten überzogen. Selbst das Grün ihrer Augen hatte seinen Glanz eingebüßt, wie ein Kleid, das man zu viel getragen hatte. Sie war fülliger geworden. Um ihren Mann zu provozieren, schnappte sie sich an einem glutheißen Tag den Gartenschlauch und spritzte sich vor den Augen des Hausmädchens und der Arbeiter von Kopf bis Fuß nass. Unter dem Kleid, das ihr am Körper klebte, konnte man die harten Brustwarzen und das Schamhaar erkennen. An d



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