Erin StewartWas, wenn wir genug sind?

E-Book (EPUB)

Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH (2023)

464 Seiten; ab 13 Jahre

ISBN 978-3-522-65517-0

EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur für Kunden mit Rechnungsadresse in Österreich möglich!

Kurztext / Annotation
Poetischer Schrei nach Hilfe In Lilys Kopf sammeln sich die Worte, die sie nicht sagen kann. Worte über die Nacht der blutigen Badfliesen. Worte über ihre psychisch kranke Schwester. Aber auch die Worte über ihre eigenen Gefühle und Sorgen. Während ihre Probleme so immer mehr zu ausgewachsenen Monstern in ihrem Kopf werden, wächst der Druck auf sie. Um ein Stipendium zu bekommen, muss sie gemeinsam mit Micah ein Kunstprojekt anfertigen. Doch kein Gedanke und kein Vers will auf das Blatt wandern. Micah verspricht ihr Hilfe - aber kann sie jemand aus ihrer Abwärtsspirale retten, der selbst mit seinen eigenen Monstern kämpft? *Trigger-Warnung* Schonungslos ehrlich beschreibt 'Was, wenn wir genug sind?' nicht nur das Innenleben seiner komplexen Protagonistin Lily, sondern auch die Selbstzerstörung, die ihre Zweifel und Ängste in ihr auslösen. Selbstverletzung, Depressionen und suizidale Gedanken werden eindringlich thematisiert, so dass dieses Buch noch lange nachhallt und zum Nachdenken anregt. Auch der Suizidversuch ihrer bipolaren Schwester Alice, dessen Auswirkungen auf die Familie sowiedas Stigma, das Mental Health Themen begleitet,wird Leser*innen nachhaltig beschäftigen.

Erin Stewarts 'Was, wenn wir genug sind?' wurde vom renommierten Kirkus Reviews ausgezeichnet.Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im Schatten der Rocky Mountains. Ihren journalistischen Backgroundnutzt sie am liebstendafür, realitätsnahe Geschichten zu erzählen. Eins weiß sie dabei genau: Dass uns bestimmte Menschen begegnen und Stolpersteine unseren Weg kreuzen, hat immer einen Grund. Mehr Infos unter: www.erinstewartbooks.com

Textauszug

Kapitel 1

Zwei Monate nach der Nacht der Badezimmerfliesen fällt mir auf, dass ich dabei bin, in beängstigender Geschwindigkeit meinen Verstand zu verlieren.

Verlieren ist hier natürlich nur metaphorisch zu verstehen, weil ich zu der Erkenntnis gelangt bin, dass Verrücktwerden ein Prozess ist, kein einmaliges Ereignis, auch wenn eine Vielzahl bunter Redewendungen es anders erscheinen lässt.

Durchgeknallt.

Nervenzusammenbruch.

Einen Sprung in der Schüssel haben.

Aber Verrücktwerden trifft einen nicht wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Es ist eher wie ein feiner Regenschauer, den man nicht bemerkt, bis man eines Tages nach Luft ringt, weil man plötzlich und unwiderruflich feststellt, dass man in seinen eigenen Gedanken untergegangen ist.

Manchmal frage ich mich, ob es sich für Alice auch so angefühlt hat. Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit ihr darüber zu reden, seit Dad mitten in der Nacht mit ihr davongefahren ist und sie im Fairview-Therapiezentrum abgesetzt hat. Gut, ich könnte ihr eine der zehn Milliarden E-Mails schicken, die ich seitdem angefangen und wieder gelöscht habe, oder ich könnte Dad und meine kleine Schwester Margot zu den wöchentlichen Besuchsterminen begleiten, aber nein, danke.

Dabei ist es nicht so, dass ich sie nicht sehen will, ich will sie bloß nicht so sehen, inmitten all der anderen 'Jugendlichen mit Problemen', wie es auf der Website heißt, die verspricht, meine große Schwester durch Reiten und Vertrauensübungen im grünen Gras wieder hinzubekommen.

Also bleibe ich bis nächsten Monat, wenn Alice aus ihrem Ferienlager für Psychiatriefälle heimkommt, im Ungewissen, ob wir im selben Zug nach Klapsenhausen sitzen. Alles, was ich weiß, ist, dass ich, Lily Larkin, im reifen Alter von sechzehn Jahren dabei bin, meinen verdammten Verstand zu verlieren.

»Entspann dich mal.« Sam schwingt ihren Geigenkasten auf das Pult neben mir, während sie mir den gleichen Ratschlag gibt, den ich seit der Neunten von ihr höre. »Die kleine Ader auf deiner Stirn wird schon wieder zornig.«

»Entspannung hilft mir hierbei aber nicht«, erwidere ich, ohne von meinen Karteikarten aufzusehen, auf denen ich jeden Vers meines Gedichts für den heutigen Vortrag aufgeschrieben habe.

Sam rupft mir die Karten aus der Hand. »Als deine beste Freundin ist es meine oberste Pflicht, dich vor dir selbst zu schützen.«

Ich versuche, danach zu greifen, doch sie haut mir mit einem Karateschlag auf den Arm und schiebt die Karten in die Gesäßtasche ihrer Jeans.

»Es ist bloß eine Note. Also chill, Lil.«

»Es ist nie bloß eine Note.« Ich massiere mir die Schläfe, um für einen Moment den Druck zu lösen, der meinen Kopf umschließt. Notiz an mich: Ich muss dringend mehr schlafen. »Nicht alle verfügen über dein angeborenes musikalisches Talent.«

Sam öffnet entrüstet den Mund und hält mir ihre Finger vor die Nase, von denen drei mit Pflastern umwickelt sind.

»Hallo? Die erste Geige hat auch ihren Preis, kapiert?«

»Dann komm mir nicht mit: Es ist bloß eine Note oder ein Solo oder sonst ein Irgendwas. Der Weg zum Erfolg ist eine niemals endende Reihe aus Dominosteinen und ein kleiner Fehler, eine winzige Unachtsamkeit reicht und alles geht den Bach runter.«

Sam verzieht das Gesicht. »Wie deprimierend.«

»Stimmt aber.«

Was es nicht besser macht, ist, dass wir der Begabtenklasse angehören, wo die Dominosteine in einem noch höheren Tempo fallen. Es gibt keine Pausen. Kein Durchatmen. Nur Stein nach Stein, der im perfekten Winkel kippen muss. Oh, und natürlich muss man sich bis spätestens zum Ende der Grundschule auf irgendein »Spezialgebiet« wie Geige oder Schwimmen festgelegt haben, denn was will man sonst mit seinem Leben anfangen?

»Dann schalte halt mal einen Gang runter«, rät Sam. »Oder siehst du hier sons



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet