Rezensionen

Rezensionen von liesmal

Autor: Adrienne Brodeur

Der eine Sommer in Cape Cod - 4 Sterne

Erzählt wird eine undurchsichtige Familiengeschichte, in der jedes Familienmitglied seine ganz speziellen Geheimnisse in sich trägt.
Adam Gardner steht kurz vor seinem 70. Geburtstag und damit auch vor dem Eintritt ins Rentnerleben. Seine Kinder Abby und Ken hat er allein großgezogen, nachdem seine Ehefrau kurz nach Abbys Geburt vor fast vierzig Jahren gestorben war. Besonders behütet sind die Kinder nicht aufgewachsen. Adam war sein Beruf als Meeresbiologe und hier besonders das Leben und Erforschen von Buckelwalen immer wichtiger als die Familie.
Ken ist drei Jahre älter als Abby und hat den frühen Tod seiner Mutter nie richtig verarbeiten können. Aber er ist ehrgeizig, strebt nach Macht und Geld, was ihm als Immobilienunternehmer auch gelingt.
Abby ist Künstlerin, die sich am liebsten in der Natur, am Strand und in der Landschaft von Cape Cod aufhält und viele Fundstücke mit nach Hause in ihr Atelier bringt.
Früher waren Abby und Ken unzertrennlich, aber das liegt in weiter Vergangenheit. Heute haben sich die beiden kaum noch etwas zu sagen. Sie wirken manchmal fast wie Feinde.
Und dann gibt es noch die große Unbekannte, die kurz vor dem Geburtstag von Adam auf der Bildfläche erscheint.
Adrienne Brodeur erzählt die Geschichte der geheimnisumwobenen Familie aus Sicht der einzelnen Protagonisten. Die Kapitel haben eine übersichtliche Länge und durch die Verschiedenheit der Familienmitglieder entsteht eine durchaus fesselnde Geschichte, die mir tolle Lesestunden geschenkt hat.
Besonders interessant finde ich die Gestaltung des Covers, das sich aus Ausschnitten von Bildern zweier verschiedener Künstler zusammensetzt.

Autor: Martina Bogdahn

Bauernhofgeschichten mit persönlichen Erinnerungen verknüpft - 5 Sterne

Einiges hat die Autorin Martina Bogdahn mit der Protagonistin Maria aus ihrem Roman „Mühlensommer“ gemeinsam. Auch sie ist aufgewachsen auf einem Bauernhof mit einer einsam gelegenen Mühle und hat sich als junge Erwachsene für ein Leben in der Stadt entschieden.
In der Geschichte ist Maria mit ihren beiden Töchtern für ein paar Tage unterwegs um abzuschalten und das Stadtleben mal hinter sich zu lassen, als sie um Hilfe auf den elterlichen Bauernhof gerufen wird, weil der Vater im Krankenhaus liegt. So findet sie sich mit ihren Mädchen bald auf dem Hof ihrer Kindheit wieder, um nicht nur die Tiere zu versorgen, sondern sich auch um die demente Großmutter zu kümmern. Natürlich kommen viele Erinnerungen hoch, die wie kleine Geschichten immer wieder auftauchen.
Martina Bogdahn hält die Balance zwischen Gegenwart und Vergangenheit sehr gut. Sie macht deutlich, wie schwer die Arbeit auf einem Bauernhof ist, worauf auch verzichtet werden muss, um allen Aufgaben gerecht werden zu können. Das ist natürlich eine große Herausforderung für Maria und ihre Töchter, die sich aber nicht unterkriegen lassen wollen und auch viel Schönes erleben.
Besonders gut haben mir die Rückblicke in Marias Kindheit gefallen. Die kleinen Geschichten haben mich so an das Buch gefesselt, dass ich es kaum beiseitelegen mochte. Liebe und Herzblut der Autorin sind in ihren Erzählungen, die zum Teil auch ihre eigenen Erinnerungen sind, deutlich spürbar.
„Warmherzig und humorvoll“, dieser Beschreibung zum Roman kann ich mich anschließen, auch wenn die Autorin nicht Halt gemacht hat in der Beschreibung von Dingen, die vielleicht brutal klingen, aber zur Realität gehören. Das Buch hat mich sehr gut unterhalten und ich fühlte mich bei vielen der kleinen Erzählungen in die Ferienzeit meiner Kindheit zurückversetzt, die ich bei meinen Großeltern auf dem Land verbracht habe.

Autor: Anne Sanders

Heilsames Wohlfühlbuch - 5 Sterne

Ich bin froh, dass mein Mann mir das Buch brachte, als es mir gesundheitlich nicht gut ging und ich einige Tage im Krankenhaus verbringen musste. Es war genau das, was mir gerade gefehlt hatte, um mich auf andere Gedanken zu bringen.
Die Geschichte von Julie und Alex ist so herzerfrischend fröhlich, allerdings zunächst von Vorurteilen auf beiden Seiten geprägt, dass ich von meiner eigenen Misere abgelenkt wurde und einfach großen Spaß beim Lesen hatte.
Genau wie Julie hätte auch ich ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut, wenn ich erfahren hätte, dass das halbe Zimmer, das ich gemietet habe, tatsächlich aus einem ganzen Zimmer besteht, das ich mir mit jemandem teilen muss – und dann auch noch mit einem fremden Mann. Doch irgendwie arrangieren sich die beiden, wenn auch mit Hilfe eines Bettlakens, durch das das Zimmer geteilt wird.
Irgendwie lässt sich der Verlauf der Geschichte leicht erahnen, aber dennoch wird es nicht langweilig, sondern das Gegenteil ist der Fall. Man möchte gar nicht aufhören zu lesen. Einzig die Vermieterin Mrs Gastrell und ihre Beweggründe, warum sie ein Zimmer an zwei Personen vermietet, die sich fremd sind, bleibt für sehr lange Zeit ein Rätsel.
Dass am Ende plötzlich alles ganz schnell ging, hat meinem Lesevergnügen keinen Abbruch getan.
Erst später habe ich gelesen, dass es einen Folgeband geben wird. Hoffentlich verpasse ich ihn nicht. Anne Sanders hat einen humorvollen Schreibstil, der auf mich niemals kitschig wirkt. Großartig!

Autor: Everett, Percival

Ein Klassiker aus einem anderen Blickwinkel - 5 Sterne

Mark Twain hat mich mit den Abenteuern von Tom Sawyer und seiner Freundschaft zu dem Sklaven Jim als Kind total bewegt und begeistert. Jetzt hat sich der Autor Percival Everett des Themas angenommen. Sein Buch „James“ erzählt die Geschichte von damals aus einem anderen Blickwinkel, nämlich aus der Sicht des Sklaven Jim.
Als Jim verkauft werden und deshalb auch von seiner Familie getrennt werden soll, entscheidet er sich für die Flucht. Er will für seine und die Freiheit seiner Frau und seiner Tochter kämpfen, auch wenn die Chancen nur gering scheinen.
Unglaublich spannend und einfühlsam lässt Everett den Sklaven Jim als Ich-Erzähler die zu bestehenden Abenteuer beschreiben. Jim begegnet auf seinem Weg entlang des Mississippi nicht nur Tom, mit dem ihn eine ganz besondere Freundschaft verbindet, sondern er muss sich vielen Herausforderungen stellen und manchmal auch anders entscheiden, als sein Herz es ihm sagt.
Die Grausamkeiten, die körperlichen und seelischen Schmerzen, die den Sklaven zugefügt wurden, sind manchmal nur schwer zu ertragen. Dass ein einfacher kleiner Bleistiftstummel Grund genug ist, um einen Sklaven zu hängen, ist kaum vorstellbar.
Mich hat das Buch tief berührt und ähnlich wie in meiner Kindheit die Ungerechtigkeiten zwischen Schwarzen und Weißen spüren lassen.


Autor: Lucy Clarke

Eine etwas andere Auszeit - 5 Sterne

Wasser und Berge – ein Blick aus dem Fenster zeigt ein Stück norwegischer Natur. Ein herrliches Bild, wenn da nicht die Blutflecken auf der Fensterbank wären!

Ich finde es großartig, dass die vier Frauen, die sich seit ihrer Schulzeit kennen, jedes Jahr ein paar Tage gemeinsam verbringen. Eine von ihnen sucht ein Reiseziel heraus, wobei bisher eher die Sonne und der Süden im Fokus standen und damit eine eher leichte und entspannende Zeit. Doch diesmal hat Liz mit einer Wanderung in der Einsamkeit Norwegens eine besondere Herausforderung für sich und ihre Freundinnen gesucht.

Die Buchbeschreibung lässt bereits vermuten, dass es geheimnisvoll und gruselig werden könnte. Nicht nur körperlich gehen die Frauen bis an ihre Grenzen.

Der Aufbau des Buches ist gut gelungen. Die einzelnen recht kurzen Kapitel sind wechselweise mit den Namen der vier Freundinnen überschrieben. Und zwischendurch tauchen immer wieder Kapitel auf mit der Überschrift „Die Suche“.

Die Stimmung kippt – die Nerven sind zum Zerreißen gespannt…

Mich haben das Buch und seine Geschichte von Anfang an gepackt. Niemandem der auftauchenden Menschen kann man trauen, geschweige denn vertrauen. Immer ist da dieses Gänsehaut-Gefühl und daneben die Angst vor dem Bösen.

Dies ist mein erstes Buch von Lucy Clarke und ich habe sie als Meisterin der Thriller für mich entdeckt. Sehr gern gebe ich meine volle Leseempfehlung.
Autor: Allende, Isabel

Wenn nur Träume und Hoffnung bleiben - 5 Sterne

Isabell Allendes Geschichte beginnt in Wien im Jahr 1938 mit dem sechsjährigen Samuel, dessen Vater in der Pogromnacht verschwindet, die Familie alles verliert und die Mutter sich für eine Trennung von ihrem Sohn entscheiden muss, um sein Leben nicht zu gefährden. Die Dramatik, die darin steckt, eine solche Entscheidung zu treffen, Samuel allein mit anderen Kindern auf einen Transport nach England zu schicken, lässt Allende von Beginn an spüren. Ihn auf verschiedenen Stationen in einem fremden Land zu begleiten, schildert sie ebenso mitreißend. Gut, dass ihm wenigstens seine Geige bleibt.
Noch eine Geschichte, die Flucht und Trennung von der Mutter beinhaltet, wird in einem weiteren Erzählstrang erlebbar. Die Geschichte von Anita beginnt 80 Jahre später in einem ganz anderen Teil der Welt: Um der Gewalt in ihrer Heimat El Salvador zu entkommen, flieht Anita mit ihrer Mutter, um in den Vereinigten Staaten Zuflucht zu bekommen. Doch auch die beiden werden an der Grenze getrennt und Anita landet in einem Lager. Ihr bleiben nur eine Puppe und ihre Träume.
Allende erzählt so eindringlich und mitreißend, dass sie mich erschüttert daran denken lässt, dass es überall auf der gesamten Welt so schreckliche Zustände gibt, die vor allem Kindern so große seelische Schmerzen bereiten.
Zum Glück gibt es Menschen wie Selena und Frank, die sich dafür einsetzen, Kinder und ihre Mütter wieder zusammenzubringen.
In dem Buch von Isabel Allende sind es zwei Kinder, deren Wege sich kreuzen und deren Geschichten sich langsam miteinander verbinden, um zu einer gemeinsamen zu werden. Einfühlsam und mitreißend!

Autor: Lisa Unger

Zu viel des Guten und zu viele Fragen - 3 Sterne

Mich hat die Buchbeschreibung sehr neugierig gemacht. Tatsächlich ist das Haus im Wald wirklich gespenstisch und die Beschreibung sehr gelungen. Auch die kurzen Kapitel mag ich. Leider konnte mich das Buch dennoch zu Beginn so gar nicht fesseln. Ob es daran lag, dass es so viele Fragen gibt – für meinen Geschmack einfach zu viele? Oder sind es die ganzen Superlative, die mich stören?
Vieles von den Gesprächen kam mir unecht vor, manchmal wie gekünstelt. Selbst dem Wechsel zwischen den Zeiten, was mir meistens gut gefällt, konnte ich nichts abgewinnen.
Allerdings hat mich das letzte Drittel des Buches für alles, was vorher war, entschädigt. Ich fand es so gut, dass ich gern ein weiteres Buch von Lisa Unger lesen möchte. Ich bin jetzt nämlich total neugierig darauf zu erfahren, wie mir ihr ganz eigener Schreibstil gefällt, nachdem ich ihn mit dem heimlichen Beobachter kennen gelernt habe.
Autor: Katharina Seck

Wie das Leben so spielt - 4 Sterne

Das Leben geht manchmal seltsame Wege. Nicht vorprogrammiert, aber trotzdem wie eine Bestimmung ist die Begegnung zwischen Ida und Ottilie.
Ida ist Autorin mit einer Schreibblockade, und sie weiß nicht, wie sie ihre verlorenen Worte wiederfinden kann. Ottilie lebt ganz für sich allein in einem heruntergekommenen Herrenhaus, ohne Kontakte zu anderen Menschen, aber mit unendlich vielen Büchern.
Ottilie braucht eine Haushaltshilfe, Ida braucht Geld zum Leben.
Mich haben die vielen aussagekräftigen Zitate von dem Buch überzeugt. Da sagt diese einsame und allein lebende Frau zum Beispiel: „Sie und ich, junge Autorin, sind in diesem Haus niemals allein. … Wir sind umgeben von Hunderten … Buchcharakteren, was bedeutet, dass man gar nicht einsam sei kann.“
Wie beruhigend und tröstlich sind diese Worte.
Wunderbar ist auch die Vorstellung, das Ottilie in fast jedem Raum einen Leseort eingerichtet hat. „So konnte man sich mit einem Buch verkriechen, wann und wo es einem beliebte.“
Und es gibt tiefsinnige Sätze wie diese: „Wir leben doch nur einmal, und dann werfen wir weg, was wir doch eigentlich wollen, als hätten wir noch ein zweites Leben in der Hinterhand.“
Neben den wunderbaren Zitaten erzählt die Autorin Katharina Seck eine Geschichte über Ottilies geheimnisvolle Vergangenheit auf der einen Seite und auf der anderen von Idas Versuchen, diese Geheimnisse zu lüften und dabei selbst die vermissten und verschütteten Worte wiederzufinden.
Mich hat die Geschichte um verlorene Freundschaften, um das Vergessen, um Verlorenes und Wiedergefundenes gut unterhalten. Dabei haben mir die kurzen betitelten Kapitel sehr gefallen.

Autor: Astrid Sozio

Heimlichkeiten auf dem rechten Pfad - 4 Sterne

Auf dem rechten Pfad zu bleiben oder ihn zu finden, wie es der Titel des Buches aussagt, ist sicherlich nicht einfach, eher sogar schier unmöglich.
Warum die Eltern von Benjamin nicht zusammenleben, geht aus der Geschichte nicht hervor. Wohl aber, dass Benjamin die Sommerferien immer in dem kleinen Ort Welsum bei seinem Vater verbringt.
Die Geschichte ist vom Schreibstil her nicht schwer verständlich, wozu auch die kurzen Kapitel beitragen, aber dennoch ist die Lektüre nicht ganz einfach. Für mich war es wie das Eintauchen in eine völlig fremde Welt und ich fühlte mich weit in die Zeit zurückgesetzt, obwohl die Geschichte nur zum Teil in der Vergangenheit spielt.
Sicher hängt meine Befindlichkeit damit zusammen, dass der Ort Welsum von einer fundamentalistischen Brüdergemeinde dominiert wird. Das Leben der Menschen dort folgt strengen evangelikalen Regeln und Verboten, die nicht nur nach meinem Verständnis gar nicht eingehalten und befolgt werden können. So hat sich Welsum in meinem Kopf zu einem „Dorf der Heimlichkeiten und Lügen“ entwickelt.
Benjamin hat in Welsum Freunde gefunden und die Erfahrungen eines Kindes und Teenagers sammeln können. Das Verhältnis zu seinem Vater war nicht sehr eng und Herzlichkeit stand nicht auf der Tagesordnung. Ein wenig befremdlich war für mich die Haushälterin Frau Gothel, die sehr bestimmt und bestimmend Benjamin den Weg gewiesen hat. Leider konnte ich ihren oft nur halben Sätzen, die immer mit einem „Hm?“ abschlossen, so gar nichts abgewinnen.
25 Jahre hat er gebraucht, um in den Ort seiner Kindheit zurückzukehren und sich mit seinen Kindheitserlebnissen auseinanderzusetzen. Keine leichte Kost, die sich den Lesenden im Wechsel zwischen den Zeiten und auch zwischen den Zeilen bietet. Die Erzählung folgt Benjamins Playlist, die den Kapiteln ihre Überschriften geben.
Das Buch, das neben vielen Themen auch „die Nähe zu Rechtsextremen“ enthält, bietet reichlich Einblicke und viel Stoff zum Nachdenken.

Autor: Helen M. Sand

Mit dem Debütroman mitten ins Herz - 5 Sterne

Mit dem Buch lerne ich nicht nur den Bonifatius-Verlag, einen mir bisher unbekannten Verlag kennen, sondern auch das Debüt der Autorin Helen M. Sand.
Die Geschichte von Maria, die vor langer Zeit ihre Heimat verlassen hat und nach Jahrzehnten in ihr Heimatdorf Mühlbach zurückkehrt, geht unter die Haut und ich verspüre nur einen Wunsch: den Wunsch nach Frieden.
Auf zwei Zeitebenen spielt der Roman, in dem es um Glaube, Hoffnung und Liebe geht, aber auch um Schuld und Vergebung.
Marias Schicksal wird von der Autorin so packend beschrieben, dass die Geschichte so klingt wie eine, die nur das Leben schreiben kann.
Bei Ihrer Rückkehr in die Heimat bekommt Maria von ihrer Familie eine Kiste mit vielen Erinnerungsstücken. Dadurch wird die alte Zeit wieder lebendig. Maria erlebt noch einmal ihre große Liebe, spürt Freude, aber auch Trauer, Hass und Neid, selbst an die schlimmsten Dinge, die ihr angetan wurden, wird sie noch einmal erinnert.
Helen M. Sand hat mich nicht nur mit ihrem realistischen und packenden Schreibstil überzeugt, sondern auch mit ihren poetischen Gedanken.
Und sie erfährt die Wahrheit über Vieles, das ihr bisher verborgen geblieben war.
Helen M. Sand hat sich mit ihrem großartigen und sehr gut recherchierten Debütroman direkt in mein Herz geschrieben.