Rezensionen

Rezensionen von mari_liest

Autor: Fallwickl, Mareike

Ein cooles Gedankenexperiment, das mich nicht völlig gekriegt hat - 3 Sterne

Wir lernen drei Hauptpersonen kennen: Elin, um die 20, Influencerin, die auch die negativen Seiten dieses Jobs zu spüren bekommt. Nuri, auch um die 20, Mann mit Migrationshintergrund, kämpft sich ohne Schulabschluss rund um die Uhr durch schlechte bezahlte Jobs. Ruth, Mitte 50, ist Krankenpflegerin in einem Krankenhaus und durch den Fachkräftemangel arbeitet auch sie gefühlt rund um die Uhr und kommt sowohl mental als auch körperlich an ihre Grenzen.

Wie auch schon im letzten Buch lehnen sich im neuen Buch von Mareike Fallwickl lehnen die Frauen gegen die Männer-Welt auf. Diesmal geht dies jedoch gewaltfrei von Statten, zumindest von Seiten der Frauen. Inhaltlich geht es um Care-Arbeit und um den Pflegeberuf. Im Buch geht Fallwickl diesmal so weit, dass Frauen nicht mehr mitmachen, und sich und ihre Arbeit niederlegen, in stillem Protest. Da liegen sie nun, tun nichts mehr und bald eskaliert die Situation.

Fallwickl konstruiert, wie sie selbst in einem Live-Talk gesagt hat, ein Gedankenkonstrukt, in dem sie aufzeigen will, wie es wäre, wenn Frauen sich verweigern, streiken und untereinander nur mehr solidarisch und verständnisvoll wären. Und das ohne Sorgearbeit das System zusammenbricht.
Die Idee finde ich unheimlich spannend, auch wenn sie mir persönlich (nach Beendigung des Buches) zu kurz gegriffen ist, denn es gibt zig andere Dinge, die uns ALLE täglich betreffen, und wenn die nicht mehr gemacht werden, bricht ein System auch auseinander. Mit ist vollkommen klar, dass diese Arbeit, die wir als Frauen unablässig leisten, mehr gesehen, mehr honoriert (auch in monetärer Hinsicht) werden muss. Doch ausgehend von dem Gedankenexperiment schaudert es mich einfach. Und das möchte ich kurz erklären.

Vielleicht bin ich nicht die komplett richtige Zielfrau für diese Geschichte, denn vieles was täglich beklagt wird ist nicht zu 100% meine Lebensrealität (meine Care-Arbeit bspw. findet bei zwei älteren Menschen statt) und auch die von Menschen in meinem Umfeld, die Care-Arbeit leisten oder in der Pflege tätig sind. Und ich möchte auch gar nicht bezweifeln, dass es diese Erschöpfung gibt, denn im Buch von Franziska Schutzbach wird diese ausführlich und nachvollziehbar beschrieben.

Was mich so beschäftigt nach der Lektüre ist, dass ich dieses Buch nicht als vereinend empfinde, im Gegenteil. Mir mutet es an vielen Stellen wie eine Utopie an, deren Gegner nur Männer sind und das ist nicht die ganze Wahrheit (gibt da noch Politik, etc. und so). Es wird außer Acht gelassen, dass es sehr wohl auch Frauen gibt, die auf diese gewünschte Solidarität einen Dreck geben. Diese Stereotypisierung im Buch ist vielleicht gewollt, aber mir ist sie auch too much. Nuri ist plötzlich DER Mann, der Frauen komplett versteht. Elin, deren Einkommen auf dem Spiel mit ihrem Körper beruht, hat plötzlich vollstes Verständnis für das Thema Care-Arbeit, hatte aber selbst noch nie Berührungspunkte damit und macht innerhalb weniger Tage eine komplette Drehung ihrer Persönlichkeit. Ruth war mich für der einzig greifbare Charakter, deren Tun ich nachvollziehen konnte, die ein Opfer des Systems ist. Viele Dinge im Buch sind auch einfach nicht erklärt, sie geschehen auf einmal ohne Erläuterung.

Was ich cool gefunden hätte für diese gute Idee, dass diese etwas differenzierter herausgeschält ist. Die prekäre Situation von vielen Frauen in der Gesellschaft wird thematisiert und öffnet den Raum für eine Diskussion, jedoch ohne vielleicht auch Lösungsansätze zu bieten. Dass es vor allem eines kulturellen Wandels bedarf, um traditionelle Geschlechterrollen zu überdenken und zu verändern, kommt eigentlich gar nicht vor.

„Und alle so still“ … es sollte provozierend sein und der Grundgedanke, den sie erklärt, ist sehr interessant. Der hat mich gekriegt, daher wollte ich das Buch lesen!

Mich persönlich jedoch hat die Message nicht zu 100% erreicht, denn sie fühlt sich nicht fertig gedacht an, spielt mir persönlich zu viel mit Stereotypen (Migration, ALLE Frauen sind erschöpft, ALLE Frauen legen sich nieder – in manchen Ländern legt sich sicher niemand nieder, weiße CIS-Frau, , Pflege, etc.), entfacht zwar eine Diskussion, jedoch mit dem Tenor darauf, dass alle Männer böse sind; plötzlich sind alle Frauen solidarisch (das sind sie nicht, das ist etwas, dass ich sehr oft im beruflichen Kontext erlebe und das wird es auch nicht, denn so sind Menschen nicht). Und mir fehlt auch ein wenig die Diversität, auch wenn wir Nuri im Plot haben. Als divers kommt dies jedoch nicht bei mir an.

Ich habe das letzte Buch sehr gefeiert und ich mag es sehr, dass Fallwickl den Finger in die Wunde drückt, um Dinge aufzuzeigen. Ich hätte mir in diesem Buch weniger von allem, und mehr von möglichen Lösungen gewunschen, denn eine weitere Verhärtung von Fronten wird uns nicht weiterbringen.

Der Schreibstil ist direkt, trocken, stellenweise etwas sperrig. Dennoch bin ich leider, außer mit Ruth, nicht warm geworden mit der Lektüre. Mir wirkte vieles zu gewollt, ohne Ziel und wo man eigentlich hinmöchte; nur Chaos und keine Auflösung …

Im Buddyread mit hat unsere Whats-App-Gruppe förmlich geglüht vor Diskussionen, möglichen Annahmen und Szenarien in unseren Köpfen. Bei dreiviertel des Buches hatte ich Angst in eine Leseflaute zu rutschen.

In meinem Gedankenexperiment wäre es jedoch genial gewesen, diese Idee auf zwei oder drei Bücher aufzuteilen, denn ich verstehe im Grundsatz, was Fallwickl möchte. So war mir persönliche die Lektüre diesmal zu gewollt negativ und anstrengend. Oder vielleicht habe ich die Lektüre in ihrem Umfang einfach nicht verstanden. Mag auch sein.
Autor: Roig, Emilia; Zykunov, Alexandra; Horch, Silvie; Amojo, Ireti; Borcak, Melina; Boussaoud, Yassamin-Sophia; Davoudvandi, Miriam; Dittmann, Anne; Hartmann, Karin; Hedayati, Asha; Mangler, Mandy; Maskos,

Wir haben definitiv noch viel zu "unlearnen" - 4 Sterne

Beim Lesen von "Unlearn Patriarchy 2" begab ich mich auf eine persönliche Reise durch das Dickicht des modernen Patriarchats. Dieses Buch ist ein Sammelwerk von dreizehn Essays, die eine Vielzahl von Themen abdecken, von der Religion über Architektur bis hin zu spezifischeren Bereichen wie Mental Health, Krieg & Genozid sowie Medizin.

Jeder Beitrag im Buch bringt uns als Leser*innen dazu, über die vielfältigen Formen der Ungerechtigkeit und Diskriminierung nachzudenken, die tief in der Gesellschaft verwurzelt sind. Die Diversität der Stimmen und Schreibstile – von sachlich bis emotional – spiegelt die Breite und Tiefe der feministischen Bewegung wider und bereichert mein Verständnis dafür, wie vielschichtig der Kampf gegen das Patriarchat ist und was wir in unserem Alltag eigentlich alles so gar nicht wahrnehmen (können) oder nicht wissen.

Besonders bewegend fand ich die Kapitel, die sich mit den Auswirkungen des Patriarchats auf Krieg und Genozid auseinandersetzen. Diese Teile des Buches konfrontierten mich mit der erschreckenden Realität der Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig sind, und zeigten auf, wie patriarchalische Ideologien diese Verhaltensweisen untermauern oder gar versuchen diese zu legitimieren. Die Aufklärung in diesem Kapitel des Buches war für mich wohl das schlimmste. Über den menschenverachten Umgang der Uigur*innen hatte ich mich bereits befasst, das Buch von Ghulbahar war hier vernichten augenöffnend – denn ich hatte bis zu dem Buch noch nie was darüber gehört. Und wenn man denkt schlimmer kann es nicht werden, dann wird HIV als Kriegswaffe eingesetzt. Ich möchte schreien, ganz laut und wissen: was zum Teufel ist nur mit Euch los!!!

"Unlearn Patriarchy 2" ist mehr als nur ein Buch; es ist eine Einladung, die Welt um uns herum und die Rolle, die wir selbst in ihr spielen, kritisch zu hinterfragen. Die Essays zu Mental Health, Architektur, Kirche, Medizin, Krieg und Genozid waren für mich von besonderem Interesse, da sie nicht nur wertvolle Einsichten boten, sondern auch konkrete Anregungen lieferten, wie wir das Patriarchat in diesen Bereichen hinterfragen und bekämpfen können.

Diese Lektüre ermutigt mich, internalisierte Muster zu erkennen und zu hinterfragen (wobei der Weg definitiv noch weit ist). Es war an einigen Stellen sehr herausfordernd, gleichzeitig ist es eine Bereicherung diesen Hammer zu bekommen, denn es macht Situationen bewusst, die ich so vielleicht nicht erkennen würde. "UP 2" ist somit nicht nur für Feminist*innen ein Muss, sondern für jede*n, der*die sich für eine tiefgründige Analyse und Überwindung patriarchalischer Strukturen interessiert. Und natürlich stelle ich mir auch Fragen …

* Inwiefern trage ich selbst zu patriarchalen Strukturen bei?
* Welche Auswirkungen hat dies alles auf mein Leben, meine Karriere oder mein Arbeitsleben?
* Wie beeinflusst das Patriarchat meine psychische und physische Gesundheit?
* Wie kann ich Kinder in meinem Umfeld positiv „beeinflussen“, um patriarchale Dinge nicht weiter zu fördern?

„Unlearn Patriarchy 2" ist ein kraftvolles Werk, das zum Nachdenken anregt und dazu ermutigt, für eine bessere Welt zu kämpfen. Ich empfehle dieses Buch wärmstens allen, die bereit sind, sich mit den komplexen Wahrheiten, mit versteckten patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen und aus diesen Erkenntnissen zu lernen. Es ist ein lehrreiches, provokatives und letztlich inspirierendes Buch, das einen festen Platz in meiner Sammlung gefunden hat und mich sicher noch eine Zeit lang umtreiben wird, denn es ist definitiv noch viel zu tun!
Autor: Nunez, Sigrid

Ein Papagei & eine Pandemie - 3 Sterne

„Uns wurde gesagt, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis wir das Leben führen, von dem wir geträumt haben. Was uns nicht gesagt wurde ist, dass dieses Leben dann bald vorbei sein wird.“ (S. 219)

Wir navigieren durch das Gedankenkarussell einer Schriftstellerin in der C-Pandemie, die während des Lockdowns die Wohnung ihrer Freundin Iris hütet, besser gesagt ihren Papagei Eureka. Dies geschieht, da der Sohn einer Freundin von Iris, der zuerst der Hüter des Vogels war, eines Tages einfach nicht mehr kam. Während unsere Erzählerin nun in der Freundinnen-Wohnung bleibt, ihre Wohnung an eine Ärztin untervermietet (die im NY Krankenhaus das pandemische Unwesen (mit) erträgt und eine Bleibe braucht), schippert wider Erwarten der junge Mann doch retour in die traute Hütte. Und da stehen sich nun zwei gegenüber, deren Lebensrealitäten unterschiedlicher nicht sein könnten; die im Grunde nix miteinander gemein haben – außer Eureka, ab und zu eine Tüte und eine Not-WG während einer Pandemie.

Die Geschichte besticht durch einen ruhigen, reflektiven und philosophischen Stil, auch wenn die sprunghafte Erzählweise es mir an einigen Stellen „erschwerte“. Die Geschichte ist ein freundlicher Bekannter, von dem mir aber sicher nicht alle Details in Erinnerung bleiben werden, was uns aber bleiben wird ist, dass wir eine Pandemie überstanden haben. Dennoch war ich auf eine etwas andere Geschichte eingestellt. Ein vermeintliches Öffnen von Herzen habe ich leider nicht empfunden. Aber das ist OK. Vielleicht soll es auch zeigen, dass man unter schwierigen Umständen zueinander finden kann, wie wir es zu dieser Zeit alle mussten. Vielleicht habe ich es aber auch einfach nicht in seiner Gänze verstanden. Auch das ist OK.

Gerne eine #leseempfehlung und für das Cover: 5 Sterne!
Autor: R. F. Kuang

Großartig - 5 Sterne

June Hayward, eine junge, ambitionierte Autorin, die in einem Akt der Verzweiflung und des Opportunismus die Identität und das unvollendete Werk ihrer verstorbenen „Freundin“ Athena Liu übernimmt. Athena, die Bestseller-Literatur veröffentlicht hat und der offensichtlich alle zu Füßen lagen, oder?
Die Geschichte ist gespitzt mit einem scharfen, direkten Erzählstil, der durchzogen ist von beißender Satire und dunklem Humor. Damit wirft Kuang ein grelles Licht auf die Schattenseiten der Literaturindustrie, insbesondere die Problematiken rund um kulturelle Aneignung, Identität und die Suche nach Authentizität in einer Welt, die von Oberflächlichkeit und Profitstreben geprägt ist. Sie navigiert durch komplexe Fragen von Rassismus und Zugehörigkeit und zeigt auf, wie diese Themen in der Verlagsbranche oft missverstanden, missbraucht oder für Marketingzwecke ausgebeutet werden. Sie fordert uns heraus, die eigenen Vorstellungen von Authentizität und die Rolle, die Identität in der Literatur spielt, zu hinterfragen; des Weiteren bastelt sie auch Themen wie kulturelle Aneignung und paradox-oberflächlich ausgeführte Diversitätsbekundungen in den Plot - vermutlich auch mit einem zwinkernden Auge.
Durch die komplizierte und moralisch-ambivalente June erhalten wir ein komplexes Bild der modernen Gesellschaft, welches keine einfachen Antworten bietet. Der Roman ist im Grunde ein Spiegel für reale Herausforderungen, mit denen Autor*innen konfrontiert sind.
"Yellow Face" ist ein provokativer und nachdenklich stimmender Roman, der durch seine scharfe Kritik an der Literaturindustrie, der Frage nach Moral und Ethik sowie seinen tiefgründigen Einblick in die Fragen der kulturellen Identität besticht.
Was zum Schluss wie ein Plottwist anmutet, ist dann bereits das Ende des Buches. Dieses hat mich im ersten Moment entgeistert zurückgelassen.
Autor: Helwig Brunner

Dystopie oder Zukunft? - 4 Sterne

„Was einst die Evolution war, ist heute die Bastelstube der Gentechnik.“ (S. 18)

Leonard ist Vergangenheitsforscher und lebt in einem Humanareal. Humanareale sind die einzigen Behausungen, in denen zu leben noch möglich ist. Die Welt besteht nicht mehr aus schöner grüner Natur, vielen Menschen und Tieren. Das einzige Naturschauspiel sind die starken Winde, wüstenartige, vegetationslose Landschaft und ein Überfluss von Sonnenlicht. Dies ist gefühlt das einzig Positive, denn diese Winde und die starke Sonnenenergie befüllen die Windräder, die den Strom erzeugen, der zur Kühlung der Areale und dem Überleben dienen. Nahrung muss gezielt angebaut werden, Vitamine und Mineralien werden täglich zugeführt. Wasser ist Mangelware und für alle begrenzt. Informationen erhalten die Menschen durch digitale Uploads direkt in ihre Köpfe. Alles wird durch KI gesteuert und beobachtet.

Als Verhaltensforscher hat Leonard bei der Behörde einen „Stein im Brett“. In seiner Rolle als Forscher erhält ein besseres Quartier mit einem Fenster nach außen, hat es sozusagen etwas bequemer. Beim Lesen tauchen wir tief in die Gedankenwelt von Leonard ein, der - aufgrund der Historie und jetzigen Lebenssituation auf diesem Planeten – Ideen zu Auswegen herbeiführen soll. Seine Arbeit sollte grundsätzlich in einem „Think Big“ münden. Im Grunde ein Job der „eierlegenden Wollmilchsau“. Das Setting generiert beim Lesen Düsternis und Beklemmung.

Positive Vibes generieren die Erinnerungen an seine Lebensgefährtin Lea, die leider viel zu verstarb. Lea war Leonards Lebensmensch – ihr Bild, das er täglich ansieht, gibt der düsten Note im Buch etwas Sanftes. Sein Gedankendschungel ist logischerweise erschütternd und er leidet an der düstern Realität seiner Existenz. Was bleibt eigentlich noch vom Leben, wenn man in so einer Zelle hockt und die Sonne den Menschen buchstäblich eine „drüber brät“. Wenn Sonneneruptionen und Sonnenstürme auf die Erde drauf hageln und man im Grund ganz genau weiß, dass die Menschheit ein Ablaufdatum hat.

Brunner‘s „Buchexperiment“ ist vermutlich nicht so weit davon entfernt, wie es einmal sein wird. Er skizziert einen Überwachungsstaat durch KI, der emotionslos Entscheidungen trifft, wenn Dinge der Gemeinschaft nicht (mehr) dienlich sind. Das Spiel mit dem Feuer (und da sind wir im Buch bei ca. 50 Grad Celsius), das wir Menschen auf dieser Welt täglich spielen, ist Teil einer logischen Schlussfolgerung.

„Und während man ringsum einem drastischen Artenschwund zusah, der wie ein Flächenbrand über die Biosphäre hinwegzog, schien die Erde ohne unsere Spezis, ohne diese eine Spezies Homo sapiens, geradezu undenkbar. Denn der Gedanke an die eigene Abwesenheit ist ähnlich schwierig zu denken wie jener an das Nichts.“ (S. 90)
Autor: Gaea Schoeters

Einen Löwen fängt man mit dem Herzen ... - 5 Sterne

„Einen Löwen fängt man mit dem Herzen, einen Elefanten mit den Füßen, einen Büffel mit den Eiern und einen Leoparden mit Geduld.“ (S. 69)



Wir tauchen in das kontroverse Universum der Großwildjagd ein, verkörpert durch Hunter White, einen wohlhabenden Amerikaner mit einer tiefen Leidenschaft für die Jagd. Gemeinsam mit seinem Freund und professionellen Jagdorganisator Van Heeren strebt Hunter danach, seine "Big Five" in Afrika zu vollenden, mit dem Spitzmaulnashorn als letztem Ziel. Die Jagd, die ursprünglich als Tribut an seine Frau gedacht war, die eine Vorliebe für derartige Trophäen hegt, wird unerwartet von Wilderern überschattet. Hunter ist sauer, keine Trophäe. Van Herren schleift Hunter in den Busch auf einen Hochsitz, drückt ihm den Feldstecher in die Hand, um eine Situation zu beobachten und stellt die allumfassende Frage an den Jäger: Interesse an den Big Six?



Schoeters scharfe Beobachtungen und die detaillierten Beschreibungen der afrikanischen Landschaft und der dort lebenden Menschen zeichnen ein lebhaftes Bild der Schönheit und Brutalität der Wildnis. Die Konfrontation mit moralischen Dilemmata wirft u.a. die Frage über die Wahrnehmung Afrikas durch den Westen, den Wert des Lebens und die Konsequenzen menschlichen Eingreifens in die Natur auf. Schoeters gelingt es, eine Geschichte zu erzählen, die sowohl spannend als auch nachdenklich stimmt, und mich mit einer Mischung aus Bewunderung und kritischer Reflexion über die Welt, in der wir leben, zurücklässt. Ihre Erzählung ist ein meisterhaftes Spiel aus Spannung, moralischer Ambiguität und der tiefen Verbindung zwischen Menschen und Natur, verpackt in eine Sprache, die sowohl scharf als auch poetisch ist. Die Übersetzung trägt das Ihre dazu bei, die Komplexität und Schönheit von Schoeters' Werk zu unterstreichen



„Sie glauben, dass sie eins sind mit ihrer Beute. Vor allem mit Elenantilopen, die sie als heilige Tiere ansehen, verbindet sie eine Art mystisches Band. Deshalb müssen sie sich ausruhen, als wären auch sie krank, während das Tier stirbt, sonst würde auch die Antilope gesund. Gleichzeitig stirbt auch das Kind in ihnen, und der Jäger wird geboren.“ (S. 117)



Diese Geschichte wird mich bestimmt lange nicht loslassen, denn ich verspüre hohe Achtung vor den Menschen, die dort leben und sich täglich diesen Gefahren beim Jagen aussetzen müssen. Nicht nur den Gefahren von den Tieren, die sie jagen, sondern auch vor den Menschen, die Geld haben und denken, die Welt gehört ihnen. #leseempfehung
Autor: Laura Vogt

Die liegende Frau - 2 Sterne


Die drei Freundinnen Romi, Nora und Szibila schmieden Pläne für einen gemeinsamen Urlaub in Berlin. Doch kurz davor reist Nora zu ihrer Mutter, verschwindet da im alten Kinderzimmer, legt sich ins Bett und verfällt in eine Art Katharsis. Szibila und Romi entscheiden ihr zu folgen, checken vor Ort in einem Wellnesshotel ein. Während Romi, die gerade in einer Phase der Selbstfindung und Neuerfindung ihrer Partnerschaften steckt, von Noras Verhalten stark verstört ist, zeigt Szibila, die den Männern abgeschworen hat und keine Bindungen eingehen möchte, wenig Besorgnis über Noras Zustand, kann diesen sogar total verstehen. Dennoch äußert sie ihr Verständnis dafür nicht komplett in die Tiefe. In den darauffolgenden fünf Tagen nähern sich Romi und Szibila nicht nur sich selbst, sondern auch einander an. Und sie versuchen auch eindringlich Nora wieder ins Leben zurückzuholen.
Laura Vogt kreiert Charaktere mit Stärken, Schwächen, ambivalenten Gefühlen, inneren Widersprüchen/Monologen sowie Vorstellungen vom Leben, wie sie gelernt haben, dass es zu sein hat. Sie erzählt die Geschichten von drei Freundinnen, die mit unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Nora hadert ab und an mit ihrer Mutterrolle. Romi ist schwanger mit ihrem zweiten Kind, entdeckt die Polyamorie, fürchtet das Versagen. Szibila steht der Abhängigkeit von Männern im Leben skeptisch gegenüber und stelle die Existenz der Menschheit in Frage. Gemeinsam jedoch vereint sie der Wunsch sich von gesellschaftlichen Normen zu befreien. Vogt wirft feministische Fragen auf, zeigt die Schwierigkeiten, gesellschaftliche Prägungen abzulegen, und lässt den endgültigen Verlauf der Geschichte offen. Es war eine gute Geschichte, konnte mich aber irgendwie nicht komplett abholen.
Autor: Tibor Rode

... er tötet sehr leise ... - 5 Sterne

Der Autor entführt uns in eine Welt voller Spannung und Wissenschaft. Das Buch beginnt mit dem Versand von 1.500 kleinen, grauen Päckchen, die Samen einer unbekannten, schnell wachsenden Pflanze enthalten. Diese Pflanze erweist sich als hochinvasiv und gefährlich, sogar tödlich für Menschen. Die Frage, die sich stellt, ist, ob es sich hier um einen Akt des Bioterrorismus oder um die Aktionen übereifriger Klimaaktivisten handelt.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Marcus Holland, ein charismatischer Charakter, dessen Umgang mit seinem Sohn Otto und seine Überlegungen zu Pflanzen besonders hervorstechen, und Waverly Park, eine Archäobiologin, tragen wesentlich zur Spannung des Romans bei. Ava, eine weitere zentrale Figur, spielt eine wichtige Rolle in der Entfaltung der Geschichte, sie ergänzt die Perspektiven von Marcus und Waverly und trägt durch ihre eigenen Einsichten und Handlungen entscheidend zur Aufklärung der mysteriösen Ereignisse bei. Ihre Figur verleiht dem Roman zusätzliche Tiefe und trägt zur Komplexität des Plots bei.

Was das Buch auszeichnet, ist nicht nur die actionreiche Handlung, sondern auch die tiefgehende Recherche und die detailreichen Informationen über Pflanzen und ihre Eigenschaften. Der Roman ist ein Wissenschaftsthriller, in dem Biologie und Botanik eine wesentliche Rolle spielen. Die Leser werden in eine Welt entführt, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.

Die Geschichte entwickelt sich um die Frage, ob Marcus und sein Team die Verbreitung der gefährlichen Pflanze stoppen und die Menschheit retten können. Dabei spielen auch politische Aspekte eine Rolle, und die Spuren führen überraschend zu Johann Wolfgang von Goethe.

Insgesamt ist "Der Wald. Er tötet leise." ein fesselnder Thriller, der von der ersten Seite an packt und in eine Welt voller Rätsel und wissenschaftlicher Entdeckungen führt.
Autor: Cullen, Lynn

Eine Frau, die ich gerne kennengelernt hätte - 4 Sterne

„Ich habe einmal eine Frau eingestellt. Vor drei Jahren. […] Sie hat sich in einen Studenten verliebt und meine Abteilung blamiert. Ich bin nicht geneigt, noch einmal das Risiko einzugehen, eine Frau einzustellen. […] Und wenn ein Mann einen ähnlichen Fehler macht? […] Würden Sie nicht davon ausgehen, dass es ein Fehler dieses speziellen Mannes war, und zur Tagesordnung übergehen? Doch wenn eine Frau etwas falsch macht, wird es 50 Jahre lang nicht vergessen. […].“ (S. 67)

M.D. Horstmann, eine Frau, die sich in einer Männerdomäne behaupten musste und trotz der ständigen Unterbewertung unbeirrt ihren Forschungen nachging. Cullens Roman ist nicht nur eine Hommage an Horstmanns außergewöhnliche Leistungen im Kampf gegen Kinderlähmung, sondern auch ein lebendiges Zeitdokument der Herausforderungen, mit denen Frauen in der Wissenschaft konfrontiert waren und leider immer noch sind.

Horstmann ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Ihre Zurückhaltung und Bescheidenheit machen sie zu einer umso faszinierenderen Figur. Cullen schildert eindrücklich, wie Horstmann trotz der ständigen Geringschätzung ihrer Arbeit durch männliche Kollegen, die stetige Kämpferin bleibt. Sie zeigt uns eine Frau, die in einer Zeit großer sozialer und geschlechtsspezifischer Ungerechtigkeiten lebte, aber niemals ihre Vision aus den Augen verlor.

Dieses Buch ist nicht nur ein Fenster in die Vergangenheit, sondern auch ein Spiegel unserer Zeit. Es zeigt uns wie weit wir noch gehen müssen, besonders in der Wissenschaftswelt. Es ist auch ein kraftvolles Plädoyer für mehr Gleichberechtigung und Anerkennung der Leistungen von Frauen in allen Bereichen.

Diese Geschichte ist eine sehr besondere. Eine, die wirklich über zwei Jahrzehnte stattfand, die viele Kinder sterben lies! Eine vergessene Person, die maßgeblich an der Forschung beteiligt war, wird vor den Vorhang geholt! Cullens Werk feiert die Errungenschaften einer bemerkenswerten Frau und hinterfragt auch kritisch die gesellschaftlichen Strukturen ihrer Zeit.

Eine Steilvorlage zur COVID-Pandemie – hatten wir doch gerade erst; war vor ca. 80 Jahren nicht anders (was sich die Menschen da so lieferten).
Autor: Scherzant, Sina

Tolles Debüt - 4 Sterne

„Wir sollten aus diesem Spielchen aussteigen. Am Ende profitiert keine von uns davon, wir bremsen uns bloß gegenseitig aus mit dieser Missgunst, dem Neid und der Idee, dass wir mit ausgestreckten Ellenbogen an anderen Frauen vorbeilaufen müssen. So kommen wir nicht weiter.“ (S. 141)

Da stehen wir als Leser*innen. Mitten im Wohnsimmer von Katha, Nadine und ihrer Mutter – und dem Hamster Zlatko, der auch eine tragende Rolle im Buch spielt! Doch die emotionale Rolle der Mutter übernimmt die 14-jährige Katha, ihres Zeichens „Lebenshandwerkerin“. Die Mutter frustriert, ob der gescheiterten Ehe, der neuen an der Seite des Ex, des stressigen Jobs, der fordernden Kinder und eigentlich des gesamten Lebens. Und so tritt Katha in diese Rolle, federt viele Dinge ab, gleicht aus und tut alles, um die Menschen in ihrer Umgebung glücklich zu machen und sie beschützt immer ihre kleine Schwester. Sie fällt nicht auf, sie macht alle fröhlich, passt sich an und stellt ihre eigenen Wünsche immer hintenan. Nach dem sich die Familie trennte, zogen die drei nach Dortmund und die Mädchen besuchten auch neue Schulen. Katha lernte dort ihre neue Clique kennen. Und im Zuge dessen lernt sie Angelica kennen, die Mutter ihrer Freundin. Angelica, die so ganz und gar das Gegenteil ihrer Mutter ist. Lustig, humorvoll, freundlichen, zuhören kann, die Mädchen beschützt und aufbauend.

„Doch meine Mutter war eine Verderberin, die Nadine nicht einfach mit einem glücklichen Tag davonkommen ließ. Einige Menschen besaßen so ein Talent zum Verderben […] – und meine Mutter hatte sehr laut „Hier“ geschrieben, als diese Gabe verteilt wurde.“ (S. 127)

Und so folgen wir der Entwicklung von Katha in dieser Geschichte und ich hat so ein Deja Vu, dass es mir teilweise die Gänsehaut aufzog. Als Teenie der 90er passe ich gut in diese Geschichte. Und in dieser Rolle des Beschützens des kleineren Geschwisterchens kenne ich mich aus – mein kleiner Bruder war ein Stinkstiefel sondergleichen manchmal, aber ich habe immer versucht nix über ihn kommen zu lassen. Daher haben wir vermutlich auch heute diese besondere und vertraute Beziehung zueinander. Ich lieb den einfach sehr!!

Und diese Zerrissenheit, wenn man mit der eigenen Mutter nicht reden kann, aber mit der von der Freundin schon. Und dann kommt da noch das Gefühl von „verstanden werden in seiner Gesamtheit als Teenagerin“. Wie gut konnte ich mich mit ihr identifizieren. Dieses ständige gefallen müssen, sich in eine Clique anzupassen … das hatte ich alles in den 90ern zwischen 13 und 18 Jahren. Hier hat sich in mir ja eine Schlucht aufgetan, als ich darüber nachdachte, welchem Druck wir da damals ausgesetzt waren. Welche Scham viele Mädchen und Jungs eigentlich über uns gebracht haben … ob es bei Marken-Bikinis anfing und langer Wallemähne mit perfektem Body, den ich nie hatte, aufhörte … ich kam da beim Denken überhaupt nicht mehr klar. Es war also schon immer da … es war NIE anders … und heute mit Anfang 40 sitze ich da und schüttle den Kopf über diese Zustände, die uns ja damals gar nicht auffielen … Dieser „Wut-Ausbruch“ bei mir kam erst vor wenigen Jahren, als ich aufhörte mir über die Meinung anderer Gedanken zu machen; Meinungen über meinen Body, meine Beine, meine Haare, meine Figur, meine Arbeit, meine Persönlich … f*ck you all!!
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Danke für dieses tolle Buch – es hat mich nochmal retour katapultiert in die 90er-Clique und den Dauerzustand von Gefühlschaos. An manchen Stellen wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll! Super geschafft den Bogen „des jugendlichen Seins zum Druck der Gesellschaft“ zu spannen und zeitgleich auch aufzuzeigen, welchen inneren Strudeln Kinder und Jugendliche oft ausgesetzt sind. Nicht nur im Pool der eigenen Vielfalt mit gleichaltrigen Persönlichkeiten, sondern auch – und das ist eigentlich die Crux, worüber sich Eltern Gedanken machen müssen!! – ihrem Pflichtgefühl, ihrer Loyalität und Liebe gegenüber den Eltern sowie dem Schutz ihrer kleineren Geschwister UND dem Wunsch, dass es allen in einem Familienverbund gut geht, während diese Kids auf sich selbst vergessen!!

„Die Traurigkeit meiner Mutter war eine Ansammlung von Kratern, in die alles hineinfiel, wenn man ihr zu nah kam.“ (S. 80)

Super tolles Debüt - hat mich sehr berührt, zum Lachen gebracht und daher eine fette #leseempfehlung!