Rezensionen

Maxie Bantleon

Maxie ist Buchhändlerin in unserer Tyrolia-Filiale in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck. Ihre Spezialität sind Kochbücher - aber in ihrer Freizeit verschlingt sie alle möglichen Bücher, von Romanen bis zu den spannendsten Thrillern.
Autor: Fred Vargas

Jenseits des Grabes - 5 Sterne

Endlich ein neuer Roman von Fred Vargas!
Mehr als fünf Jahre ist es her, dass der letzte Krimi rund um Kommissar Adamsberg erschienen ist, und so langsam hatte ich schon befürchtet, dass er völlig in der Versenkung verschwunden ist.
Dem ist zum Glück nicht so; er ist also zurück, wunder- und sonderbar wie eh und je, und mit ihm sein großartiges Team, bestehend u.a. aus dem allwissenden Danglard, Mercadet mit dem übergroßen Schlafbedürfnis und der unverwüstlichen Violette Retancourt.
Gerade haben sie in Paris den Fall um „Sim den Aal“ gelöst, da werden sie auch schon nach Louviec, einen kleinen Ort in der Bretagne, abkommandiert. Dort häufen sich die merkwürdigsten Vorfälle: Der mysteriöse Hinkende, ein Geist aus dem frühen 18. Jahrhundert, treibt wieder sein Unwesen. Wie auch bei seinem letzten Auftreten vor vierzehn Jahren, hört man des Nachts sein Holzbein durch die schmalen Gassen stampfen – und so wie damals geschieht auch jetzt wieder ein Mord…
Und was hat es mit denjenigen Bewohnern auf sich, die felsenfest daran glauben, dass ihre Seele Schaden nimmt, wenn jemand auf ihren Schatten, insbesondere den des Kopfes, tritt, und die als sogenannte „Schattenschützer“ die Verteidigung gegen die „Schattenschmutzer“ organisieren
.
Dieses Mal sind die Verbrechen – denn es bleibt nicht bei dem einen Mord, den der hinkende Geist angekündigt hatte – besonders perfide und scheinbar völlig willkürlich. Was hat es damit auf sich, dass jeder der Toten ein zerdrücktes, befruchtetes Hühnerei in der Hand hält und zwei oder drei frische Flohbisse am Körper hat?
Kommissar Adamsberg ermittelt wieder mit der ihm üblichen Gemütsruhe, die ihm oft als Nachlässigkeit oder gar Gleichgültigkeit ausgelegt wird, er folgt seinem eigenen Kompass und seinen Methoden, die auf andere oft undurchsichtig wirken. Adamsberg hat ein bemerkenswertes Gespür für Details und ein sensationelles visuelles Gedächtnis. Sein Ruf ist durchaus widersprüchlich, aber seine vielen Erfolge sprechen für sich.

„Sur la dalle“ – so der Originaltitel – also “Auf der Platte“ eines Jahrtausende alten Dolmen hängt er seinen „Gedankenblasen“ nach und begreift allmählich die Zusammenhänge, deren Bruchstücke er von Anfang an in den Händen gehalten hat, während die Leser:innen – jedenfalls ich! – noch meilenweit davon entfernt sind zu verstehen, welche alte Geschichte hinter den teuflischen Geschehnissen steckt.

„Jenseits des Grabens“ ist feinste Unterhaltung: Der Kriminalfall an sich ist hochspannend und sehr komplex, das Personal ist eigensinnig und sehr speziell und liefert sich Dialoge, die unübertroffen sind – das ist eine ganz besondere Stärke der Autorin – und in diesem Fall erfreuen auch noch die sehr besonderen bretonischen Vornamen und die ausgezeichneten Menüs und liebevoll zusammengestellten Picknickkörbe des charmanten Wirtes Johan das Herz.

Ganz ehrlich: Wenn Fred Vargas jetzt wieder fünf Jahre braucht, damit dann erneut so ein großer Lesegenuss und ein weiterer phantastischer Fall für Adamsberg & Co herauskommen – dann ist das die lange Wartezeit absolut wert! Wenn es etwas schneller ginge, hätte ich allerdings auch nichts dagegen…
Autor: Franziska Gänsler

Ewig Sommer - 5 Sterne

Bad Heim, das sind niedrige Häuser, gepflasterte Vorgärten, leere Straßen. Hier gibt es Wegweiser, die zu Orten führen, die es nicht mehr gibt, zum Beispiel das Casino oder das Kurbad.
Alle zwei Stunden ertönen die Durchsagen der Polizei: „Bleiben Sie zu Hause, tragen Sie eine Schutzmaske, halten Sie Fenster und Türen geschlossen.“
Die Ausgangswarnungen gelten schon seit Mitte April, denn seitdem brennen die Wälder. Ein Ende des ewigen Sommers ist nicht in Sicht, und jetzt ist schon Oktober. Es ist das fünfte oder sechste Jahr, in denen die Brände an Gewalt zugenommen haben. Schon lange sind die meisten Menschen aus Bad Heim weggezogen.
Iris gehört zu den wenigen, die geblieben sind. Sie harrt aus in ihrem Hotel, das seit Monaten keine Gäste mehr beherbergt hat, denn wegen der Gefahrenlage kommen schon lange keine Reisenden mehr in das Brandgebiet.
Der nicht enden wollende Sommer bringt eine seltsame Unruhe, eine Hilflosigkeit mit sich, die Iris die meiste Zeit zu ignorieren versucht. Sie kann den Glauben an die alte Normalität nicht aufgeben, obwohl diese von den Meteorologen jeden Tag aufs Neue aufgeschoben wird. Jeder Tag wird bestimmt von der Hoffnung auf Abkühlung, irgendwann muss der Regen ja kommen.
Doch zunächst kommen unerwartete Gäste – eine junge Frau mit ihrer kleinen Tochter Ilya, die die Asche, die über allem liegt, für Schnee hält, denn sie hat noch nie welchen gesehen.
„Die ist doch einem weggelaufen“, konstatiert Iris‘ alte Nachbarin, und womöglich hat sie recht, denn am Tag darauf kommt der erste Anruf. Ein Mann sucht seine Frau und seine Tochter.
Zu der ohnehin beklemmenden Atmosphäre durch die Feuer, die nur mühsam in Schach gehalten werden können, kommt nun eine weitere Bedrohung für Iris und ihre mysteriösen Gäste hinzu…

Ein wirklich großartiges Debüt, das einen ganz eigenen und eigenartigen Sog entwickelt. Spannend!
Autor: Jan Weiler

Max - Memoiren eines Schulanfängers - 5 Sterne

Ich bin mir ganz sicher, dass Jan Weiler die Bücher vom kleinen Nick – genial erdacht von René Goscinny, genial illustriert von Jean Jacques Sempé (z.B „Der kleine Nick und seine Bande“, Diogenes Verlag, viele weitere Titel ebenfalls erhältlich) – nicht nur alle gelesen hat, sondern sie auch mindestens ebenso sehr liebt wie ich, denn man merkt seinen Geschichten rund um den kleinen Max an, wer sein Vorbild ist, und in den „Memoiren eines Schulanfängers“ sind 36 wunderbare Geschichten versammelt, jede zwei bis drei Seiten lang, jede vom Anfang bis zum Ende in einem einzigen end- und atemlosen Satz geschrieben, eben genau so, wie ein Kind ohne Luft zu holen und ohne Punkt und Komma die Erlebnisse seines Alltags erzählen würde, eben genau so, wie auch der kleine Nick erzählt, und wenn es einem also mal so geht wie Max, der sich ganz fürchterlich langweilt und „ich weiß rein überhaupt gar nichts mit mir anzufangen und gehe durchs Haus und tue so, als sei ich schwer verwundet, und ich schleppe mich zur Mama und sie bügelt und sagt, na, mein Mäxchen, mopst du dich und ich sage, ja, ich langweile mich ganz schlimm, und ich frage sie, ob sie eine Idee für mich hat…“ sei demjenigen geraten, zu diesem Buch (oder zu einem „kleinen Nick“ – und so sind es eigentlich gleich mehrere Buchtipps in einem) zu greifen, denn dann hat man sofort gute Laune, und die Illustrationen von Ole Könnecke sind fast genauso entzückend wie die von Sempé, und Wahnsinn, jetzt habe ich auch mal einen Text geschafft, in dem es nur einen einzigen Punkt gibt, nämlich am Ende.
Autor: Julia Dibbern

Unter Wasser ist es still - 5 Sterne

„Wie fasst man Jahre von Verlorenheit, Heimweh und Schuld zusammen?“
Julia Dibbern, die mir bislang nur als Autorin verschiedener Erziehungsratgeber ein Begriff war, tut genau das auf eindrucksvolle Weise in ihrem Roman „Unter Wasser ist es still“.
Maira ist Mitte dreißig und lebt in Frankfurt, wo sie als Restauratorin arbeitet. In dem Versuch, sich „an den Scherben ihrer Jugend nicht zu schneiden“, gelingt es ihr meistens ganz gut, ihre Vergangenheit auszublenden, und meistens ist das Mädchen, das sie mal war, weit weg.
Doch als ihr Chef ihr anbietet, sein Geschäft zu übernehmen, braucht Maira Geld, und dafür muss sie wohl oder übel das Haus ihrer Kindheit verkaufen. Sie fährt in den kleinen Ort an der Ostsee, um in der Sperlingskate klar Schiff zu machen. Fast achtzehn Jahre ist es her, dass sie zuletzt hier war, nach diesem einen fürchterlichen Tag, von dem an sie allein war in der Welt.
Eigentlich will Maira nur so schnell wie möglich einmal noch das alte Haus begutachten und es dann nach dem Termin beim Notar der Abrissbirne überlassen. „Es ist keine Schande, die Vergangenheit ziehen zu lassen und sich um die Zukunft zu kümmern.“
Doch so einfach ist es nicht, denn einmal beim Haus angekommen, öffnet Maira nicht nur dessen Haustür, sondern zugleich die Tür zu ihrer Vergangenheit. „Wie kann die Zeit hier einfach stehen geblieben sein? Alles, wirklich jede Kleinigkeit ist so, wie ich sie in Erinnerung habe… Wie können all diese Sachen hier auf einmal so wichtig sein, nachdem sie mir jahrelang egal waren?“
Und auch wenn sie sich einzureden versucht, dass nicht ihre Erinnerungen ihr Leben bestimmen, sondern nur das Jetzt, muss sie sich den Erinnerungen stellen.
Es sind Erinnerungen an eine warme, bunte Kindheit, an ihre enge Freundschaft zu Anne und Jasper und an dieses Zugehörigkeitsgefühl, dass Maira nach dem einen Tag, an dem das Früher aufgehört und das Jetzt angefangen hat, nie wieder gespürt hat. Und es sind die Erinnerungen an ihre wunderbare, unkonventionelle Mutter.
Was ist damals wirklich geschehen an dem Tag, an dem Maira und Jasper den gestrandeten Schweinswal nicht retten konnten – an dem Tag, an dem Mairas Mutter gestorben ist? Was ist damals geschehen, dass Maira heute so große Angst vor dem Wasser hat und nicht mehr schwimmen kann?

„Unter Wasser ist es still“ ist die berührende Geschichte einer Frau, die als junges Mädchen eine vermeintlich große Schuld auf sich geladen hat und jetzt das Gefühl hat, sich in ihrer Vergangenheit zu verheddern.
Es ist die Geschichte einer wunderbaren, leider abrupt endenden Kindheit, einer großen Liebe zur Natur und einer innigen Freundschaft. Und es ist die Geschichte einer Heilung.
Das alles vor der großartigen Kulisse der Ostseeküste und des Meeres. Und am Ende der Geschichte bekommt Maira nicht nur ihre Freundschaft zu Jasper und Anne zurück, sie bekommt auch das Meer zurück.
„Auflaufen. Gurgeln, ablaufen. Auflaufen, Ablaufen. Immer hat es das getan, immer wird es das tun, auch wenn wir Menschen längst verschwunden sind. Selbst wenn wir die Erde in Schutt und Asche legen und alles Lebendige auslöschen, das Meer wird bleiben. Und irgendwann wird das Leben dort erneut beginnen. Das Leben geht immer weiter.“
Autor: Mareike Fallwickl

Und alle so still - 5 Sterne

„Das Patriarchat kann sich darauf verlassen, wann immer irgendwo ein Kind oder eine alte Person umfällt, kommt eine Frau und hebt es auf.“

Ich möchte mich jetzt an dieser Stelle einfach mal selbst zitieren. In meinem Buchtipp zu Mareike Fallwickls Roman „Die Wut, die bleibt“ schrieb ich, meiner Meinung nach habe sie damit ihren bisher besten Roman verfasst. Jetzt könnte ich diesen Satz einfach wiederholen oder auf das Wörtchen „bisher“ verweisen – oder einfach die Feststellung treffen: Sie hat sich mit ihrem neuesten Werk noch einmal selbst übertroffen!

„Und alle so still“ ist ein Roman, den ich in einem Rutsch durchgelesen habe und dann ein paar Tage sacken lassen musste – um ihn dann erneut zu lesen. Beim ersten wie beim zweite Mal hat sich bei mir dieser Knoten im Hals gebildet, den Sie sicher auch kennen, dieser Knoten, wenn man kurz vorm Weinen ist und gar nicht genau weiß: Ist es vor Freude, vor Wut, vor Traurigkeit? Und je mehr Seiten ich gelesen hatte, desto größer wurde er, weil die Geschichte so großartig, so schön und so schrecklich ist und so wahr.

Fallwickl schreibt in ihrem Nachwort, dass sie schon beim Schreiben der letzten Seiten von „Die Wut, die bleibt“ wusste, dass in dieser Geschichte eine weitere Geschichte steckt: Was wäre, wenn sich alle Frauen zusammentäten, wenn sich alle Frauen verweigern würden?
Genau diese Fragen und weitere wie „Was wäre, wenn Frauen sich nicht länger unterdrücken lassen? – Wenn sie einander bestärken und unterstützen würden?" – bilden das Grundgerüst des neuen Romans, und man sollte ihn meiner Meinung nach nicht als eine Art Fortsetzung, sondern als ein Weiterdenken betrachten. Dass wir hier ganz kurz auch Lola wiederbegegnen, ist besonders schön.

In „Und alle so still“ geht es darum, dass die Frauen am Ende ihrer Kräfte angelangt sind, dass sie es leid sind, dass das ganze System auf ihrer Verfügbarkeit beruht, ihrer Kraft und ihrer Zeit.
Sie sind es leid, dafür zu kämpfen, dass Care-Arbeit aufgewertet wird, dass sie die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit erhalten, dass es besseren Schutz vor Gewalt gibt und dass Täter zur Verantwortung gezogen werden.
Sie sind es leid, um ihre Rechte zu kämpfen, „denn wie furchtbar ist das? Dass wir grundsätzlich rechtelos sind, außer wir wenden unfassbar viel Energie und Zeit auf, um ein Zipfelchen Gleichberechtigung zu erwischen…
Hinter allen Arten des Unrechts steckt dasselbe Problem, dass wir nicht gehört, nicht gesehen, nicht geachtet werden. Und es gibt keinen Grund mehr, dass wir weitermachen wie bisher.“

Aber damit ist jetzt Schluss, und so fängt es an, in einer Stadt, aber eigentlich überall, dass die Frauen als Zeichen gegen die Unsichtbarkeit sichtbar werden. Urplötzlich und überall liegen Frauen auf den Straßen und in den Parks, es sind viele, aber bei Weitem nicht genug, und sie sind alle so still. Es ist wie ein kollektiver Burnout.

Die Geschichte wird abwechselnd und dann überlappend erzählt aus der Sicht von Elin, einer jungen Influencerin, die sich dem stillen Protest anschließt, und aus der Sicht von Ruth, einer Krankenpflegerin, die die Frauen zwar versteht, aber sich nicht gegen ihr Gefühl der Verantwortung für ihre Patienten stellen kann und will. Obwohl auch sie längst weit über die Grenzen ihrer Belastbarkeit gegangen ist.

Und dann ist da noch Nuri, zwar ein junger Mann, aber einer mit Migrationshintergrund, schlecht ausgebildet und demzufolge ausgebeutet in seinen drei Jobs. Nuri gehört zu denen, die kein Wochenende kennen und keinen Tag-und-Nacht-Rhythmus haben, zu denen, die sich immer nur abstrampeln und trotzdem isoliert am Rande der Gesellschaft leben. Nuri ist einer der wenigen Männer, der versteht, warum die Frauen nicht mehr aufstehen.

„Und alle so still“ ist ein unglaublich intensiver Roman, in den ich mich von Anfang an wie hineingesogen fühlte. Das liegt natürlich zum einen an Mareike Fallwickls Talent, mit Worten umzugehen und mit Sprache Bilder zu erschaffen, aber auch an ihrem Hintergrundwissen und ihrer Recherchearbeit, die wirklich enorm gewesen sein muss.

Die eine Woche des stillen Protest, die sie hier erzählt, zeigt uns, dass es gar nicht nur um einen Care-Streik geht. Es geht nicht nur „um die Arbeit an sich, nicht um das Füreinandersorgen und Umeinanderkümmern, sondern um die Unsichtbarkeit dieser Arbeit.“
Es geht darum, dass diese so oft unsichtbare Arbeit endlich nicht mehr als selbstverständlich angesehen wird, sondern die ihr gebührende Wertschätzung erfährt.
Es geht nicht darum, dass Frauen sich ihre Fähigkeit, sich an menschlichen Bedürfnissen zu orientieren, ihre Fähigkeit zur Sorge und ihre Zugewandtheit abtrainieren und damit aufhören. „Aber Männer sollten endlich damit anfangen.“

Meinen größten Respekt für Mareike Fallwickl, die wieder einmal eindrucksvoll und unermüdlich aufzeigt, in welcher Situation wir Frauen uns befinden und was passieren könnte oder was passieren muss, damit sich vielleicht doch einmal etwas ändert!
Autor: Sepp Schellhorn

Sepp, was machst du? - 5 Sterne

„Sepp, was machst du?“ ist die Frage – fast möchte ich sagen: der Schlachtruf – die zu Beginn eines jeden Koch-Videos von Sepp Schellhorn erschallt. Der breiten Masse dürfte Sepp Schellhorn wahrscheinlich durch ebendiese Küchen-Clips bekannt sein, und seine gleichermaßen unterhaltsamen wie informativ-nützlichen Auftritte haben ihn zum Social-Media-Star gemacht, beliebt bei Jung und Alt. Da ist es natürlich naheliegend, dass daraus ein Kochbuch entstanden ist; übrigens nicht das erste, denn bereits vor ein paar Jahren ist Schellhorns Generationenkochbuch erschienen, in dem Sepp, seine Mutter und sein Sohn ihre Lieblingsgerichte vorgestellt haben.

Und jetzt also „Sepp, was machst du?“, das Buch!
Hier finden sich neunzig Rezepte für jede Lebenslage, sprich Haupt- und Nachspeisen, Pasta und Knödel, typisch Österreichisches wie Wiener Schnitzel oder natürlich Salzburger Nockerln und – der Sepp sagt es selbst: Er ist ein Suppenfreak – jede Menge Suppen. Für mich also ideal!

Ich hatte das Glück, bei der Präsentation des Kochbuchs in Sepp Schellhorns Restaurant M32 auf dem Mönchsberg in Salzburg eingeladen zu sein, und ich muss sagen: Der Sepp ist auch in natura genauso lustig und normal wie in seinen Videos! Zur Verkostung kam natürlich auch so einiges: u.a. seine himmlische Spargelcremesuppe – bitte unbedingt nachkochen, solange noch Spargelzeit ist – und köstliche Bärlauch-Kaspressknödel sowie eine Zitronentarte, die ich demnächst nachzubacken gedenke. Endlich wird der Flambierbrenner, der sonst ein eher tristes Dasein in meiner Küche fristet, zum Einsatz kommen!

Und heute gemacht und für hervorragend befunden: Das Burrata-Sandwich mit einer Basilikumcreme und kleinen Tomaten.
Ich möchte dem Sepp beipflichten: „Oaaahhh – ich könnte mich da hineinlegen…“
Autor: Jane Crilly

Der Gärtner von Wimbledon - 5 Sterne

Der junge Henry fühlt sich auf dem weitläufigen, hochherrschaftlichen Anwesen Blake Hall wie zuhause und fast schon zugehörig zur Familie und der besseren Gesellschaft. Aber eben nur fast, denn er ist doch nur der Sohn des Gärtners. Seine Freundschaft zu Rose, der Tochter des Hauses, ist sehr innig, und später wird daraus eine tiefe Liebe. Natürlich ist es eine Liebe, die nicht sein darf und die keine Zukunft hat – zu groß ist der Standesunterschied.
Je weiter man liest, desto mehr beschleicht einen auch der Verdacht, dass Henry mehr und von ganzem Herzen liebt, während Rose eine junge Frau ist, die vor allem nach Eigenständigkeit strebt. Ihr größter Traum ist es, Profi-Tennisspielerin zu werden und eines Tages in Wimbledon zu gewinnen.
Doch auch dafür ist die Zeit im England der 1940er Jahre noch nicht reif…
„Der Gärtner von Wimbledon“ ist eine bittersüße Liebesgeschichte, die ganz wunderbar die Stimmung der damaligen Zeit widerspiegelt und mit ihrem traurigen, aber sehr gelungenen Ende zu Herzen geht.
Wir haben das schmale Buch im Urlaub zu viert untereinander weitergegeben und waren alle sehr angetan von der Geschichte!
Autor: Wahl, Caroline

22 Bahnen - 5 Sterne

Wenn Tilda nachts auf ihrer Matratze liegt und der Wind durch die weit geöffneten Fenster auf sie fällt, dann scheint kurz alles gut zu sein. Dann denkt sie, dass sie das Ganze noch lange aushalten kann. „Solange der Wind nachts auf mich fällt, denke ich, kann ich mich tagsüber in den Krieg da draußen stürzen. Gegen meine Mutter, gegen ihre Launen, gegen diese Kleinstadt. Und für Ida.“

Seit Tilda denken kann, kümmert sie sich um ihre jüngere Schwester und ist für die zehnjährige Ida mehr Mutter als ihre richtige Mutter.
Die Mutter trinkt – mal mehr, mal weniger, aber immer zu viel.
Manchmal gibt es bessere Phasen und dann brät Tildas Mutter Spiegeleier, um die Scheiße, die sie gebaut hat, wieder gut zu machen, und deswegen hassen Tilda und Ida Spiegeleier, aber das ist sozusagen ihr Familienritual. Die Reuephase dauert niemals lang, meistens ist die Mutter ein Monster, das die Töchter anschreit (und schlimmeres), und wenn sie dieses Funkeln in den Augen hat, wissen sie, dass sie zerstören will. Die Narbe unter Tildas Auge stammt von der Cornflakesschüssel, die die Mutter mal nach ihr geworfen hat, und die kleine Ida hat irgendwann beschlossen, nicht mehr zu weinen.

Für Tildas beste Freundin Marlene war schon Tildas Entscheidung fürs Mathestudium ein gewisses Nein zum Leben, aber ihre Versuche, Tildas soziales Leben wieder in Schwung zu bringen, scheitern, denn Tilda will Ida abends nicht mehr mit der Mutter allein lassen. Außerdem ist sie abends einfach platt nach den Stunden in der Universität und der langen Straßenbahnfahrt hin und zurück sowie der vielen Arbeit als Kassiererin im Supermarkt – da hat sie wenig Lust, sich Marlenes Geschichten vom tollen Großstadtleben in Berlin anzuhören, irgendwie ist man sich in letzter Zeit doch fremd geworden.

Ein bisschen Zeit für sich findet Tilda nur beim Schwimmen im Freibad, wo sie beinahe täglich ihre 22 Bahnen schwimmt.
Und dann taucht Viktor – groß, schön und sagenumwoben – wieder in der Stadt auf und zieht ebenfalls Tag für Tag seine 22 Bahnen. Viktor erinnert Tilda an den Sommer vor ein paar Jahren, an dessen Anfang sein jüngerer Bruder Ivan, Tilda und Marlene Freunde wurden und auf dessen Höhepunkt Ivan starb.
Ab sofort schwimmt Tilda eine Bahn mehr und versucht, Viktor aus ihrem Kopf zu kriegen, denn der ist sowieso schon viel zu voll, aber gleichzeitig beruhigt es sie, ihm bei seinen 22 Bahnen zuzuschauen. Viktor ist wie ein Rätsel für Tilda, das sie lösen will, wie eine Matheaufgabe, die sie nicht versteht, und sie hasst es, wenn sie eine Matheaufgabe nicht sofort versteht…

„22 Bahnen“ ist das perfekte Buch für den Sommer – Sie brauchen es nicht mal im Schwimmbad zu lesen, denn Sie werden den Geruch nach Chlor und Sonnencreme, egal wo Sie sind, in der Nase haben.

Das einzig negative, was mir zu Caroline Wahls Debütroman einfällt, ist die Tatsache, dass er so KURZ ist.
Ich hätte immer und immer weiterlesen wollen, wie es mit Tilda, ihrer kleinen Schwester Ida, ihrer Mutter und Viktor weitergeht, so wunderbar berührend, traurig und gleichzeitig tröstlich ist ihre Geschichte.

Und zu meiner größten Freude erscheint bereits im Mai mit "Windstärke 17" der neue Roman von Caroline Wahl!
Autor: Jane Gardam

Gute Ratschläge - 5 Sterne

Ich jubele: Endlich ein neuer Roman von Jane Gardam. Und was für einer!
Im Leben von Eliza Peabody geht es ganz schön rund. Zuerst wurde ihre Nachbarin Joan im Armyshop gesehen, wo sie einen Schlafsack und ein Einmannzelt gekauft hat und, und jetzt fährt sie anscheinend im Volvo der Familie Richtung Himalaya. „Eine Frau, die ein so wundervolles Heim verlässt, zwei so lebhafte Kinder, Charles‘ ganzes Geld und den lieben genügsamen Charles selbst, muss krank sein.“
Da sich Eliza für Joans Verschwinden ein Stück weit verantwortlich fühlt – schließlich hat sie ihr vorgeworfen, eine Hypochonderin zu sein, die sich einfach mal zusammenreißen solle – fühlt sie sich nun bemüßigt, Joan einen Brief um den anderen zu schreiben, in denen sie unter anderem die titelgebenden „guten Ratschläge“ verteilt. Hierbei nimmt Eliza kein Blatt vor den Mund, denn in ihrem Zirkel heißt es immer, sie sei „unverblümter als ein Steingarten.“
All die Briefe bleiben unbeantwortet, aber Eliza schreibt weiter und weiter, „aus reiner Gewohnheit“, und mit der Zeit werden die Briefe, obwohl immer noch an die „liebe Joan“ adressiert, mehr und mehr zu einer Art Selbstreflektion auf das eigene Leben.
Eliza war jahrelang eine hochrangige Diplomatengattin, und ihr Zuhause war in Ländern wie Syrien, Iran, Ägypten, Bangladesch – das waren auf- und anregende Zeiten.

Doch seit sie wieder in der Rathbone Road lebt, ist sie wie all die anderen gutsituierten Gattinnen dort: „Reich, beige und fad wie kandierte Maronen.“
Und je mehr wir über Elizas Leben und ihre dreißigjährige Ehe mit Henry erfahren – die darin gipfelt, dass Henry ihr beim Weihnachtsessen eröffnet, dass er ausziehen wird, um künftig mit Charles zusammenzuleben – desto mehr wird klar, dass wir es nur oberflächlich betrachtet mit einer selbstgerechten und geschwätzigen Frau zu tun haben.
Tatsächlich ist Eliza alles andere als beige und fad; sie ist eine Meisterin der Seitenhiebe und schreibt sehr pointiert. Ein Satz wie „Diplomatenfrauen durften damals keinen eigenen Beruf haben. Damals war es eine Vollzeitbestrafung, man musste repräsentieren“ entlarvt die britische Upper Class doch wirklich vortrefflich!
Eliza ist aber auch eine zutiefst einsame Person, die ein schweres Trauma aus den Anfängen ihrer Ehe nie verarbeiten konnte. Hat Henry sie wirklich verlassen, weil Eliza unmöglich geworden war? Weil er dachte, dass sie verrückt würde? Oder ist es der Riss in ihrer Seele, der die Kluft zwischen ihnen immer weiter vertieft hat?

Lesen Sie dieses großartige Buch – schon allein der Brief vom 12. April, in dem Eliza ihre Unterhaltung mit Mr und Mrs Deecie – „Deecie wie Washington“ – wiedergibt, ist es wert, dass dieses Buch gekauft wird!
In Richtung des Hanser Verlags möchte ich meine Bitte, fast ist es ein Appell, wiederholen: Wenn es noch mehr nicht übersetzte literarische Schätze von Jane Gardam zu bergen gilt – bitte, bitte, bitte tut es!
Autor: Julius Roberts

Vom Kochen & Leben auf dem Land - 5 Sterne

Wenn zur Zeit nach dem Buch „von dem Autor, der so ähnlich wie Julia Roberts heißt“ gefragt wird, ist ganz klar, was gesucht wird: „Vom Kochen & Leben auf dem Land“ von Julius Roberts. Der junge Brite ist mit der US-Schauspielerin aber weder verwandt noch verschwägert.
Julius Roberts ist ein sogenannter „first-generation-farmer“, der in seinem ersten Buch jede Menge Rezepte mit wunderbaren Essays über sein Leben auf dem Land, im Südwesten Englands (Dorset) nahe der Küste, vereint.
Wenn man das liest, ist man eigentlich sofort versucht, seine Siebensachen zu packen, um ihm einen Besuch abzustatten. Dass das Buch so wunderbar bebildert ist – natürlich mit appetitanregenden Fotos der ganzen Gerichte, aber vor allem mit herrlichen und heimeligen Bildern vom Cottage (innen und außen) und der schönen Landschaft – trägt dazu natürlich seinen Teil bei!
Für mich waren aber die Worte von Nigel Slater, bekanntermaßen einer meiner Lieblingsköche, ausschlaggebend, „Vom Kochen & Leben auf dem Land“ zu einem meiner Lieblings-Kochbücher zu küren.
Slater sagt: „Ein herzerwärmendes Buch. Die Rezepte sind absolut großartig.“ Und einer seiner Empfehlungen vertraue ich zu 100%.
Also: Kaufen! Kochen! Freuen!