Édouard LouisAnleitung ein anderer zu werden

Hardcover

Aufbau-Verlag (2022)

272 Seiten; 20 mm x 140 mm

ISBN 978-3-351-03956-1

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Anleitung ein anderer zu werden

Besprechung
»Édouard Louis ist einer der präzisesten Beobachter der Gegenwartsliteratur, sein neuester Roman belegt das eindrucksvoll.« Florian Eichel DIE ZEIT 20221013

Langtext

Der neue Roman von Édouard Louis, Autor von »Das Ende von Eddy«

Was kostet es, das eigene Leben in die Hand zu nehmen?

Mit Mitte zwanzig hat er schon mehrere Leben hinter sich: Eine Kindheit in extremer Armut, die Scham über die eigene Herkunft, die Flucht vom Dorf in die Stadt, den Aufbruch nach Paris. Er macht sich frei von den Grenzen seiner Herkunft, nimmt einen neuen Namen an, liest und schreibt wie ein Besessener, probiert sich aus, will alle Leben leben. Immer neue Welten erschließen sich ihm. Mit unbändiger Energie erfindet er sich wieder und wieder, schließt Freundschaften und hinterfragt doch die radikale Selbstveränderung, die sich nie ganz vollendet. Édouard Louis hat ein großes Buch geschrieben darüber, was man zurücklässt, wenn man bei sich selbst ankommt.

»Ein starkes Buch.« ARD Morgenmagazin

»Édouard Louis beginnt seinen neuen, autobiografischen Roman mit einer derart fesselnden Einführung in sein Leben, dass man schon nach wenigen Seiten süchtig nach mehr ist.« Zeit Magazin

»Ein Buch von aufwühlender Schönheit.« Le Monde 

»Es hat eine enorme aufpeitschende Kraft, wie Édouard Louis sein Leben reflektiert.« Edgar Selge 

»Ein seltener Glücksfall - ein Autor, der etwas zu sagen hat und bereit ist, es ohne Rücksicht auf sich selbst zu tun.« The New York Times 

»Fesselnd.« FAZ

»Höchst eindrucksvoll. In der Radikalität, mit der er vorgeht, liegt eine enorme Kraft. « Jörg Magenau, rbb



Édouard Louis, geboren 1992, gilt als einer der wichtigsten Autoren der jüngeren Generation. Sein Roman »Das Ende von Eddy« machte ihn 2015 international bekannt. Er erzählte darin von seiner Kindheit in einem Dorf in Nordfrankreich in prekärsten Verhältnissen. In »Anleitung ein anderer zu werden« erzählt er davon, wie er die Grenzen seiner Herkunft hinter sich ließ. Seine Bücher erscheinen in 35 Sprachen und werden an Bühnen überall auf der Welt fürs Theater adaptiert. Zuletzt erschienen »Im Herzen der Gewalt«, »Wer hat meinen Vater umgebracht« sowie »Die Freiheit einer Frau«. Édouard Louis lebt in Paris.

Sonja Finck, geboren 1978 in Moers, lebt als literarische Übersetzerin in Berlin und Gatineau (Kanada). Sie überträgt unter anderem Annie Ernaux ins Deutsche. 2019 erhielt sie den Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis.


Leben als ständige Flucht
Eddy verbrachte seine Kindheit in der nordfranzösischen Provinz. Aufgewachsen zwischen Armut und Homophobie ist schon früh klar, dass es hier nicht weiter geht. Ein anderes Leben ruft. So ist das Gymnasium der erste Stopp auf einer hungrigen Suche nach Klassenaufstieg, Akzeptanz und auf der Flucht vor der Scham. Doch das reicht noch lange nicht, und so scheint auch in Paris das Ende noch nicht gefunden zu sein.

Die Tatsache, dass das Buch eine autobiografische Aufarbeitung der Entwicklung des Autors selbst ist, hat mich weniger gereizt, als der Wunsch, das bestehende Klassensystem zu sprengen, und mit Bildung und einem wachen Geist in höhere gesellschaftliche Sphären aufzusteigen. Gerade in Frankreich, wo das in meiner Wahrnehmung schwerer ist, als in Deutschland. Und so war ich von den ersten 100 Seiten des Buches wirklich gefesselt, verfolgte, wie Éduard sein Leben in Armut und dem bildungsfernen Umfeld seiner Gemeinde wahrnimmt, ausbricht und beginnt seinen eigenen Weg zu gehen, sich von seiner Familie immer mehr abkapselt. Allerdings hatte ich gewisse Schwierigkeiten damit, dass das Buch als reine Autobiografie verfasst ist, dabei aber teilweise Empfindungen und fundamentale Entscheidungsprozesse auf Charakterebene unterschlagen wurden. Konsequenterweise empfand ich dann stellenweise Éduard als unnahbar und unsympathisch. Die immer weiter voranschreitende Flucht wirkte auf mich als gierig und Éduard als unzufrieden. Auch empfand ich es so, dass die Handlung mit Voranschreiten des Buches immer mehr abflachte. Die bahnbrechenden Umwälzungen im Leben, die das erste Drittel und auch weiter hinein das Buch prägten, fehlten mir im letzten Drittel massiv. Viel mehr hatte ich das Gefühl, in einem Hin- und Hergehetze zwischen den unterschiedlichen Sexualpartnern des Ich-Erzählers gelandet zu sein. Was mir stilistisch wiederum sehr gefallen hat, ist, dass das Buch aufgebaut ist, als würde Éduard eine Aussprache mit seinem Vater führen, und sich immer wieder findet, wie dieser in Éduards Vorstellungen dazu äußern würde.

Insgesamt verdient das Buch aber in meinen Augen es nicht, Roman genannt zu werden, wie es auf dem Cover steht, da es sich viel mehr um eine interessante, aber dennoch nicht weltbewegende Autobiografie handelt.

ein spannendes Buch
Der Protagonist des Buches ist ein junger Mann. Ein Mann, der nicht aus leichten Verhältnissen kommt. Im Gegenteil, er kommt aus tiefster Armut und sein Ziel ist es diese Armut und diese Verhältnisse hinter sich zu lassen. Das Gute ist, er hat Talent. Und dieses Talent setzt er für seine Ziele ein. Er schafft es in die Großstadt für ein Studium und findet auch neue Freunde. Das Buch ist von dem Autor sehr persönlich geschrieben, da es biographische Züge hat. Eine große Besonderheit des Buches ist es, dass es auch private Bilder des Autors enthält, die seine Kindheit in den einfachen Verhältnissen dokumentieren. Dies finde ich sehr speziell, aber nicht schlecht. Der Schreibstil ist sehr gut, da er den Leser sehr gut mitnimmt und fesselnd ist. Ich habe mich sehr von dem Buch unterhalten gefühlt und empfand die Geschichte auch als spannend.

Metamorphose
Bereits "Das Ende von Eddy" von Edouard Louis hatte mir sehr gefallen und somit war ich gespannt auf das neue Buch dieses - ja, so nenne ich ihn - Ausnahmeschriftstellers. Das Cover finde ich sehr geschickt gemacht und nach der Lektüre halte ich es für sehr passend gewählt.
Aufgeteilt in vier Teile erhalten wir Einblick in die Romanbiographie dieses jungen Mannes, der aus einem nordfranzösischen Dorf stammt und dieser Enge und Armut durch Fleiß und Anstrengung zu entfliehen versucht, der über sich selbst hinaus wächst. Dafür muss er jedoch die Entfremdung von seinem Elternhaus in Kauf nehmen.
Der virtuose Umgang mit der Sprache ist unglaublich und macht dieses Buch zu einem kleinen Juwel. Ein Schriftsteller, der so akribisch an seinem Text feilt und diesen zu einem Kunstwerk gestaltet - davor habe ich große Hochachtung, denn mir ist bewusst, dass ich sehr gerne lese, aber keinerlei Talent im Verfassen von Texten besitze.

Entwicklungsroman der etwas anderen Art
von yellowdog
Edouard Louis schreibt immer autofiktional. Sein Leben ist sein Thema.
Eddy will ein anderer werden, um dem bisherigen Leben zu entkommen.

Es ist die Flucht vor der Armut und der Scham, die ihn in seiner Kindheit und Jugend in einem nordfranzösischen Dorf prägten.

Ein paar Jahre lebte er mir Elena zusammen, die ihn mit Büchern, anspruchsvollen Filmen und Kultur vertraut macht. Gegenüber Elena öffnet und outet er sich schließlich sogar.

Eddy nennt sich jetzt Edouard. Schließlich geht er nach Paris, doch Geld hat er nicht. Deshalb prostituiert er sich sogar.

Durch das Lesen und Schreiben findet er zu sich, das treibt ihn an und das gibt ihm Hoffnung auf ein besseres, abgesichertes Leben.

Edouard Louis schreibt ehrlich, schmerzhaft ehrlich. Das gibt dem Buch etwas gnadenloses. Die Härte macht die Radikalität des Buches aus.

Am Ende aber stehen die Abschnitte von Edouard Louis über seine Bücher. Das gibt der Anleitung dann doch noch etwas versöhnliches.

Durch die Nacht zum Licht
von Emmmbeee
Ein dreißigjähriger Mann blickt auf seine Anfänge in einem nordfranzösischen Dorf und sein bisheriges Leben zurück. Mit dem Stigma der Armut versehen (aber arm waren andere Dorfbewohner auch), weit schwerwiegender jedoch mit dem der Homosexualität durchlebte er eine äußerst schwierige Kindheit.
Daraus will er sich befreien, und es gelingt dem Jugendlichen, sich Stufe für Stufe emporzuarbeiten. In den ersten Jahren fördern ihm Helena und ihre Familie in Amiens und statten ihn mit dem wichtigsten Knowhow aus. Doch auch sie muss er hinter sich lassen, wenn er in Paris den Aufstieg schaffen will.
Per aspera ad astra, von der Widerwärtigkeit zu den Sternen, so zeichnet Edouard Louis seinen Weg. Es ist eine gewaltige Leistung, immer wieder Bestnoten zu erreichen, sich zu Eliteschulen vorzukämpfen, sich mehr als seine Mitbewerber der Zulassungen würdig zu erweisen.
Er setzt sich in entbehrungsreichen Jahren mit eisernem Willen durch, doch wird ihm sein Elternhaus immer fremder. Seine Eltern können bald nicht mehr mit ihm Schritt halten und fühlen sich von ihm verachtet. Er meidet sie, auch wenn er sie liebt. Selbst dieser Konflikt macht ihm schwer zu schaffen. Veränderung bedeutet auch viel Verlust.
In einer gepflegten Sprache, temporeich, farbig, lebendig schildert Edouard Louis seine schmerzhafte Metamorphose. Wenn das Leben Veränderung bedeutet, dann ist das seine ein Paradebeispiel. Selbst aus seinem Geburtsnamen Eddy Bellegeule (schöne Fresse) schält sich der junge Mann heraus.
Einige Punkte kommen mir unwahrscheinlich vor, etwa dass bereits die Mitschüler des Erstklässlers sein Schwulsein erkannt oder dass Helenas Eltern es geduldet haben sollen, wenn die beiden Teenager im selben Bett schliefen. Doch es ist ein Roman, also muss nicht alles mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
Mir gefällt, wie das Werk durchstrukturiert ist. Es beginnt gleich schon mit zwei Prologen und ist in vier Teile portioniert, die zugleich die vier wichtigsten Abschnitte in Edouards Leben darstellen. Zahlreiche Fotos ergänzen den Text.
„Anleitung ein anderer zu werden“ ist ein Buch, das jungen und sicher auch älteren Menschen Mut macht, ihren eigenen Weg zu finden und ihn unbeirrt zu gehen.

Ein Weg zu sich selbst
von begine


Der französische Schriftsteller Edouard Louis beschreibt in seinem Roman, Anleitung ein anderer zu werden“,wie er den Sprung aus dem Dorf geschafft hat.

Er macht seinem Vater Vorwürfe, weil sie so arm waren und in einem Dorf wohnten. Er wurde nicht gefordert zu lesen oder sich weiter zu bilden.
Schon als kleiner Junge wurde er als Schwuli beschimpft.

Er kam aufs Gymnasium und wohnte bei einer Freundin in der Stadt. Aber für seine Veranlagung war es noch nicht das Richtige. Bis er nach Paris kam.

Teilweise fand ich seine Erinnerungen an seine Kindheit zu überzogen.
Dann das sein Vater 1967 auf einem schmutzigen Sofa zur Welt kam, kommt mir nicht so glaubhaft vor.

Edouard verstand es gut sich an Personen zu halten, z. B. seine Freundin. Das er schon früh bei der Familie einzog und die Mutter der Freundin über seine Mutter herzieht, fand ich eigenartig.

Der Schreibstil ist aber klasse. Das er mir zu viel jammerte, ist da wohl mein Problem. Ich mache aus allem das Beste und kann das nicht so verstehen.

Trotzdem ist das ein guter Roman, den ich gerne weiter empfehle.

Vom Privileg, ein Leben ohne Privilegien kennengelernt zu haben
von cosmea
“Anleitung ein anderer zu werden“, der neue Roman von Edouard Louis, ist wie seine vier Vorgänger autobiografisch. Wie schon in “Das Ende von Eddy“ erzählt er von seiner von extremer Armut geprägten Kindheit in einem kleinen Dort in der Picardie. Weil er anders ist als andere, wird er schon als kleiner Junge als Schwuchtel und schwule Sau beschimpft und immer wieder körperlich angegriffen. Er hat von Anfang an nur einen Wunsch, diesem Milieu zu entkommen und Rache für diese schreckliche Kindheit zu nehmen. Eine erste Chance auf Veränderung bietet sich ihm, als er das Gymnasium in Amiens besuchen darf. Er findet in Elena eine enge Freundin, die ihm durch ihr weltoffenes, gastfreundliches Elternhaus eine andere Welt erschließt. Nach dem Abitur helfen ihm andere gebildete, gutsituierte Freunde, sich auf die Prüfung für die Ecole Normale Supérieure vorzubereiten, denn Eddie, der sich inzwischen Edouard nennt, hat begriffen, dass Bildung Macht ist und dass man den sozialen Aufstieg nicht wirklich ohne den Besuch einer Eliteschule schafft. In diesen Jahren bis Mitte 20 lebt er wie ein Getriebener, besessen vom Wunsch nach Veränderung, immer wieder bemüht, sich an ein neues Umfeld anzupassen und zieht weiter, wenn es nicht funktioniert. Er versucht, alle Leben zu leben, obwohl dieser Versuch durch seine Herkunft eigentlich zum Scheitern verurteilt ist. Keiner aus seinem Dorf hat diesen Neuanfang bisher geschafft, nicht einmal die jungen Männer, die Kellner oder Koch werden wollten.
In Louis Buch steckt mehr als sein persönliches Schicksal. Es enthält auch eine gute Portion Sozialkritik, zeigt es doch, dass die gut situierte Hälfte der französischen Gesellschaft gar nicht weiß, wie erbärmlich die andere Hälfte zum Teil lebt. Das zeigt sich schon in der Schule, wenn Eddy das Kantinenessen für sich abbestellen muss, weil kein Geld da ist und ihm gesagt wird, seine Eltern sollten sich doch mal ein bisschen bemühen. Noch krasser ist die Szene in der Zahnarztpraxis in Paris, wo er vier Jahre lange seine kaputten, schiefen Zähne reparieren lässt, weil es mit einem solchen Gebiss niemand nach oben schafft. Die entsetzte Zahnärztin behauptet, jeder in Frankreich könne sich einen Zahnarztbesuch leisten. Schließlich gebe es die Krankenversicherung, die den größten Teil der Kosten abdeckt. Dass Menschen wie in seinem armen Dorf in der Provinz nicht einmal jeden Tag etwas zu essen haben, weiß auch sie nicht.
Mir hat das Buch gut gefallen, obwohl mir vieles bereits aus “Das Ende von Eddy“ und “Im Herzen der Gewalt“ bekannt war und wir ja auch wissen, wie die Geschichte ausgeht: Edouard Louis, 30, hat es geschafft und ist einer der führenden Autoren der französischen Gegenwartsliteratur.

ein Leben mit vielen Hürden
von inya
Der Autor hat mit diesem autobiographischen Buch sehr viel Mut bewiesen. Denn es schildert und zeigt sogar an Hand von Fotos sehr intime Details seines Lebens und vor allem seiner Kindheit. Diese Kindheit hat der Autor in Armut verbracht und in seinem jungen Leben geht es vor allem darum, dieser Armut aus seiner Kindheit und auch der Umgebung, in der er aufgewachsen ist, zu entfliehen. Er schafft dies auch durch ein Studium in Paris. Dort lernt er auch endlich die ersehnten Freunde kennen, die er sich gewünscht hat. Doch muss er auch hier ein Versteckspiel betreiben, da er seine Herkunft und seine Armut natürlich nicht so preisgeben kann. Dieses Buch ist schonungslos und behandelt ein hartes Thema. Trotzdem kann man es sehr flüssig lesen, da es sehr gut geschrieben ist und auch spannend für den Leser gehalten ist. Eine interessante Geschichte.
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