Fallwickl, MareikeUnd alle so still

Hardcover

Rowohlt Verlag, GmbH (2024)

368 Seiten; 29 mm x 131 mm

ISBN 978-3-498-00298-5

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Und alle so still

Besprechung
Fallwickl zeigt Geschick darin, zwischenmenschliche Beziehungen emotional packend zu beschreiben... Durch das im Buch geschilderte drastische Szenario wird klar, wie wichtig Care-Arbeit ist und dass wir noch viel an unseren Gesellschaftsstrukturen arbeiten müssen. ROSALYN KLEUTGENS Frankfurter Allgemeine Zeitung 20240418

Langtext

Ein großer feministischer Gesellschaftsroman über Widerspruchsgeist und Solidarität

An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. Hier kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, der etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, der die Schule abgebrochen hat und versucht, sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, die als Pflegefachkraft im Krankenhaus arbeitet und deren Pflichtgefühl unerschöpflich scheint.

Es ist der Beginn einer Revolte, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie immer getan haben. Plötzlich steht alles infrage, worauf unser System fußt. Ergreifen Elin, Nuri und Ruth die Chance auf Veränderung?



Mareike Fallwickl, 1983 in Hallein bei Salzburg geboren, lebt mit ihrer Familie im Salzburger Land. 2018 erschien Dunkelgrün fast schwarz. 2019 folgte Das Licht ist hier viel heller. Ihr Bestseller Die Wut, die bleibt war ein großer Erfolg bei Presse und Publikum. Die Bühnenfassung hatte im Sommer 2023 Premiere bei den Salzburger Festspielen. Mareike Fallwickl setzt sich für Literaturvermittlung ein, mit Fokus auf weiblichen Erzählstimmen.


Ein tolles Buch
"Wenn Frauen sich nicht länger unterdrücken lassen, daß wirklich nicht mehr zulassen, wenn sie einander bestärken und unterstützen, kann womöglich endlich Gleichberechtigung entstehen. Das Grundgefühl zwischen Frauen ist Liebe, hat Sunny gesagt." Aus "Die Wut die bleibt." Von Mareike Fallwickl s.372

Dieses Zitat aus Marieke Fallwickls Roman aus dem Jahr 2022 beschreibt für mich sehr gut worum es im aktuellen Roman "und alles so still" geht.
Was geschieht wenn Frauen sich verweigern, sich wehren, sich widersetzen. Diese Fragen versucht Mareike Fallwickl in ihrem neuen Buch zu beantworten und das meiner meinung nach Grandios. Was als stiller protest beginnt wird immer stärker und mächtiger.

Auf eine meisterhaft schonungslose Art legt sie nicht nur einen Finger sondern gleich beide Hände in die Wunden, spricht über sexualisierung, carearbeit und Emanzipation.
"Die Erzieherinnen im Kindergarten: Frauen. Die Lehrerinnen in der Grundschule: Frauen. In sämtlichen Filmen und Serien und Büchern sind die Mütter für alles zuständig. So wird uns die Welt erzählt, es ist unmöglich, davon nicht geprägt zu werden." S.292

Dieses Buch ist wie schon "die Wut die bleibt" ein Aufruf hinzusehen auch oder gerade weil es wehtut und wirkt hierbei wie eine Fortführung der im vorgängerroman von Mareike Fallwickl aufgegriffenen Gedanken. Allerdings wird hier nicht mit Gewalt auf Gewalt reagiert sondern durch Verweigerung seitens der Frauen versucht eine Art stillstand zu erzwingen was ich sehr spannend finde.

Immer wieder lässt die Autorin ihre ProtagonistInnen aus deren Lebenssituation heraus erzählen. Ihr Schmerz, ihre Wut und auch ihre Solidarität, ihre Würde, auch der Kampf nach eben jener und ihr Zusammenhalt werden total authentisch wiedergegeben.
Was ich auch sehr spannend fand ist die Figur von Nuri einem jungen Mann, der versucht sich selbst zu finden und dabei daran zu kauen hat das die Welt ihm sein Recht auf Sanftheit abspricht wodurch der Roman nochmal eine weitere Ebene bekommt.

Das Buch hat durchaus einige triggerwarnungen verdient ist jedoch ungemein wichtig, lesenswert, interessant und auf gute weise aufwühlend. Ein grandioses Anschreiben gegen Ungleichheit und für mehr Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und selbstermächtigung.




Wenn Frauen streiken würden
von Lu
Was wäre, wenn sich alle Frauen* solidarisieren und einheitliche Ziele verfolgen würden? Sicher ist das unrealistisch, aber es ist ein spannendes Gedankenexperiment!" Und alle so still" ist ein fesselnder Roman, der von diesem bemerkenswerten Ereignis ausgeht: Frauen liegen auf der Straße und verweigern Care-Arbeit, um gegen die Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft zu protestieren. Die Wege der Protagonist:innen Elin, Nuri und Ruth überschneiden sich an diesem besonderen Tag im Juni, und durch ihre unterschiedlichen Perspektiven erfahren wir mehr über die Auswirkungen dieses Protests. Dabei spitzt der Roman die Konflikte zwischen Männern und Frauen stark zu, um auf die gesellschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen.

Der Roman bringt die Themen der Ausbeutung von Frauen, prekären Arbeitsverhältnissen und sozialen Ungerechtigkeiten eindringlich, teils derb, teils poetisch zur Sprache. Besonders einfallsreich sind die Zwischeneinschübe aus der Perspektive von Gegenständen wie einer Pistole oder einer Gebärmutter, die eine einzigartige Sichtweise auf die Ereignisse bieten.

Insgesamt ist "Und alle so still" ein äußerst aktuelles Werk, das wichtige gesellschaftliche Probleme anspricht und den Leser zum Nachdenken anregt. Auch wenn mich die anfänglich derbe Sprache zunächst abschreckte, konnten mich die Tiefe und Relevanz der Geschichte letztendlich überzeugen. Dies war mein erster Fallwickl-Roman, aber sicher nicht mein letzter!

Ein cooles Gedankenexperiment, das mich nicht völlig gekriegt hat
Wir lernen drei Hauptpersonen kennen: Elin, um die 20, Influencerin, die auch die negativen Seiten dieses Jobs zu spüren bekommt. Nuri, auch um die 20, Mann mit Migrationshintergrund, kämpft sich ohne Schulabschluss rund um die Uhr durch schlechte bezahlte Jobs. Ruth, Mitte 50, ist Krankenpflegerin in einem Krankenhaus und durch den Fachkräftemangel arbeitet auch sie gefühlt rund um die Uhr und kommt sowohl mental als auch körperlich an ihre Grenzen.

Wie auch schon im letzten Buch lehnen sich im neuen Buch von Mareike Fallwickl lehnen die Frauen gegen die Männer-Welt auf. Diesmal geht dies jedoch gewaltfrei von Statten, zumindest von Seiten der Frauen. Inhaltlich geht es um Care-Arbeit und um den Pflegeberuf. Im Buch geht Fallwickl diesmal so weit, dass Frauen nicht mehr mitmachen, und sich und ihre Arbeit niederlegen, in stillem Protest. Da liegen sie nun, tun nichts mehr und bald eskaliert die Situation.

Fallwickl konstruiert, wie sie selbst in einem Live-Talk gesagt hat, ein Gedankenkonstrukt, in dem sie aufzeigen will, wie es wäre, wenn Frauen sich verweigern, streiken und untereinander nur mehr solidarisch und verständnisvoll wären. Und das ohne Sorgearbeit das System zusammenbricht.
Die Idee finde ich unheimlich spannend, auch wenn sie mir persönlich (nach Beendigung des Buches) zu kurz gegriffen ist, denn es gibt zig andere Dinge, die uns ALLE täglich betreffen, und wenn die nicht mehr gemacht werden, bricht ein System auch auseinander. Mit ist vollkommen klar, dass diese Arbeit, die wir als Frauen unablässig leisten, mehr gesehen, mehr honoriert (auch in monetärer Hinsicht) werden muss. Doch ausgehend von dem Gedankenexperiment schaudert es mich einfach. Und das möchte ich kurz erklären.

Vielleicht bin ich nicht die komplett richtige Zielfrau für diese Geschichte, denn vieles was täglich beklagt wird ist nicht zu 100% meine Lebensrealität (meine Care-Arbeit bspw. findet bei zwei älteren Menschen statt) und auch die von Menschen in meinem Umfeld, die Care-Arbeit leisten oder in der Pflege tätig sind. Und ich möchte auch gar nicht bezweifeln, dass es diese Erschöpfung gibt, denn im Buch von Franziska Schutzbach wird diese ausführlich und nachvollziehbar beschrieben.

Was mich so beschäftigt nach der Lektüre ist, dass ich dieses Buch nicht als vereinend empfinde, im Gegenteil. Mir mutet es an vielen Stellen wie eine Utopie an, deren Gegner nur Männer sind und das ist nicht die ganze Wahrheit (gibt da noch Politik, etc. und so). Es wird außer Acht gelassen, dass es sehr wohl auch Frauen gibt, die auf diese gewünschte Solidarität einen Dreck geben. Diese Stereotypisierung im Buch ist vielleicht gewollt, aber mir ist sie auch too much. Nuri ist plötzlich DER Mann, der Frauen komplett versteht. Elin, deren Einkommen auf dem Spiel mit ihrem Körper beruht, hat plötzlich vollstes Verständnis für das Thema Care-Arbeit, hatte aber selbst noch nie Berührungspunkte damit und macht innerhalb weniger Tage eine komplette Drehung ihrer Persönlichkeit. Ruth war mich für der einzig greifbare Charakter, deren Tun ich nachvollziehen konnte, die ein Opfer des Systems ist. Viele Dinge im Buch sind auch einfach nicht erklärt, sie geschehen auf einmal ohne Erläuterung.

Was ich cool gefunden hätte für diese gute Idee, dass diese etwas differenzierter herausgeschält ist. Die prekäre Situation von vielen Frauen in der Gesellschaft wird thematisiert und öffnet den Raum für eine Diskussion, jedoch ohne vielleicht auch Lösungsansätze zu bieten. Dass es vor allem eines kulturellen Wandels bedarf, um traditionelle Geschlechterrollen zu überdenken und zu verändern, kommt eigentlich gar nicht vor.

„Und alle so still“ … es sollte provozierend sein und der Grundgedanke, den sie erklärt, ist sehr interessant. Der hat mich gekriegt, daher wollte ich das Buch lesen!

Mich persönlich jedoch hat die Message nicht zu 100% erreicht, denn sie fühlt sich nicht fertig gedacht an, spielt mir persönlich zu viel mit Stereotypen (Migration, ALLE Frauen sind erschöpft, ALLE Frauen legen sich nieder – in manchen Ländern legt sich sicher niemand nieder, weiße CIS-Frau, , Pflege, etc.), entfacht zwar eine Diskussion, jedoch mit dem Tenor darauf, dass alle Männer böse sind; plötzlich sind alle Frauen solidarisch (das sind sie nicht, das ist etwas, dass ich sehr oft im beruflichen Kontext erlebe und das wird es auch nicht, denn so sind Menschen nicht). Und mir fehlt auch ein wenig die Diversität, auch wenn wir Nuri im Plot haben. Als divers kommt dies jedoch nicht bei mir an.

Ich habe das letzte Buch sehr gefeiert und ich mag es sehr, dass Fallwickl den Finger in die Wunde drückt, um Dinge aufzuzeigen. Ich hätte mir in diesem Buch weniger von allem, und mehr von möglichen Lösungen gewunschen, denn eine weitere Verhärtung von Fronten wird uns nicht weiterbringen.

Der Schreibstil ist direkt, trocken, stellenweise etwas sperrig. Dennoch bin ich leider, außer mit Ruth, nicht warm geworden mit der Lektüre. Mir wirkte vieles zu gewollt, ohne Ziel und wo man eigentlich hinmöchte; nur Chaos und keine Auflösung …

Im Buddyread mit hat unsere Whats-App-Gruppe förmlich geglüht vor Diskussionen, möglichen Annahmen und Szenarien in unseren Köpfen. Bei dreiviertel des Buches hatte ich Angst in eine Leseflaute zu rutschen.

In meinem Gedankenexperiment wäre es jedoch genial gewesen, diese Idee auf zwei oder drei Bücher aufzuteilen, denn ich verstehe im Grundsatz, was Fallwickl möchte. So war mir persönliche die Lektüre diesmal zu gewollt negativ und anstrengend. Oder vielleicht habe ich die Lektüre in ihrem Umfang einfach nicht verstanden. Mag auch sein.

Was passiert, wenn die Frauen einfach nicht mehr mitmachen
von Petris
Mareik Fallwickl ist eine Autorin, die dorthin schaut, wo es weh tut. Sie sieht sich die Erschöpfung und Müdigkeit der Frauen an, die durch ihre vielen unbezahlten Tätigkeiten, die sie zusätzlich zur Erwerbsarbeit, auf ihren Schultern tragen, ganz oft am Limit sind. Aber sie verliert auch nicht den Blick für andere, ausgebeutete Gruppen, Migrant:innen, prekär arbeitende, Menschen ohne Lobby.
In „Und alle so still“ erzählt sie von einem Gedankenexperiment. Was passiert, wenn die Frauen einfach aufhören, den Laden am Laufen zu halten.
Es beginnt ohne Ankündigung, ohne Aufruf, leise. Eines Tages liegt eine Gruppe von Frauen vor dem Krankenhaus. Ganz still, ohne Banner, ohne Slogans. Sie liegen nur ruhig da. Und keine weiß, wie es begonnen hat. Die Aktion weitet sich aus. Es werden immer mehr Frauen. Sie verlassen ihre Häuser, bleiben bei einigen, die ihre Häuser zur Verfügung stellen, versorgen sich gegenseitig, aber nicht mehr die Männer und die ganze Gesellschaft.
Erzählt wird chronologisch von Freitag bis Freitag, wir hören mehrere Erzählstimmen. Elin, eine junge Frau und Influencerin, die sich einsam fühlt. Erzogen von ihrer feministischen Mutter wurden ihr Unabhängigkeit und Freiheit gegeben, doch sie fühlt sich wurzellos. Ihre Großmutter Iris, zu der es keinen Kontakt gibt, ist eine der ersten Frauen, die sich einfach hinlegt und aufhört zu funktionieren. Auch sie ist eine der Erzählstimmen. Ruth, Elins Tante, ist Krankenschwester. Bislang wusste Elin nichts von ihrer Existenz, jetzt lernen sie sich kennen. Ruth hat sich aufgeopfert, hat ihren behinderten Sohn gepflegt bis zu seinem Tod, gibt jetzt alles in ihrem Beruf. Gedankt wurde es ihr selten. Dass sich die Schwester abgewendet hat tut weh. Auch Nuri, hier geboren, Sohn einer migrantischen Mutter und eines Vaters, der sich kaputt gerackert hat und der keine Gefühle zeigt. Er ist Schulabbrecher, arbeitet in prekären Jobs, um den Absprung aus seinem lieblosen Elternhaus zu schaffen.
Dieser Roman ist einfach großartig gemacht, perfekt konstruiert, auch sehr realistisch erzählt. Genau so könnte es sein, wenn die Frauen aufhören zu funktionieren. Sehr einfühlsam beschrieben ist die Müdigkeit, die Erschöpfung von allen, die sich kümmern, die wie Nuri versuchen, ihr Leben zu verbessern. Das ewige schlechte Gewissen, weil es nie genug ist, nie schaffbar.
Von mir gibt es eine begeisterte Empfehlung. Das Buch macht auch Mut, Mut, dass sich Frauen solidarisieren, sich gegenseitig unterstützen, zusammenhalten. Ein spannendes Thema, wunderbar umgesetzt.

Liegen
von CanYouSeeMe
"Und alle so still" ist ein Roman der Autorin Mareike Fallwickl, welcher als großer feministischer Gesellschaftsroman beworben wird. Das erhöht die Ansprüche an das Buch deutlich. Die Autorin hat bereits mehrere Bücher, darunter auch Bestseller geschrieben, dieses Buch ist jedoch das erste, das ich von ihr lese.

Die Thematik dieses Buches ist scheinbar leicht zu beschreiben, dann jedoch so weitschweifig, ausladend und vieles umgreifend, dass eine kurze Zusammenfassung nicht adäquat scheint. Fallwickl schreibt in einer unbestreitbar feministischen Perspektive, teils utopisch anmutend bezüglich der Solidarität unter weiblich gelesenen Personen. Es werden viele verschiedene Themen aufgegriffen, Feminismus wird systemisch betrachtet und macht somit sehr viele einzelne Themen auf - darunter leidet die Tiefe in den einzelnen Bereichen, wie z.B. sexualisierte Gewalt, Ausbeutung marginalisierter Gruppen, geschlechtergebundene Care-Arbeit, und so vieles mehr.

Der Schreibstil der Autorin war mich mich zu Beginn etwas holprig, innerhalb der ersten Kapitel bin ich jedoch gut in die Story hineingekommen. Die Handlung wird aus den Perspektiven drei verschiedener Personen erzählt: Elin, Nuri und Ruth. Dazu kommen personifizierte Einschübe einer Pistole, einer Gebärmutter und der medialen Berichterstattung. Dieses Stilmittel hat mich positiv überrascht und konnte interessante Perspektiven zum Gesamteindruck ergänzen.

Auch wenn dieses Buch keine formvollendete Abhandlung über Missstände und Ungerechtigkeiten ist, mitunter den roten Faden aus den Augen verliert und nicht immer klar ist, welche Message im Endeffekt neben // so wie es ist kann es nicht bleiben // übrig bleiben soll - ich habe dieses Buch sehr gern gelesen und konnte es nicht aus den Händen legen! Daher gebe ich trotz kleiner Mängel volle Punktzahl für ein mitreißendes und bewegendes Buch!

„Nicht mehr flüchten, nicht mehr weichen ... wir bleiben. Wir fordern den Raum ein, der uns zusteht.“
von Klee
„Die Unbeugsamkeit. Die Courage. Der Wille, sich die Freiheit zu nehmen“

Dass Mareike Fallwickl eine der ganz großen weiblichen Stimmen unserer Zeit ist, ist mir schon lange klar. Spätestens seit „Die Wut die bleibt“ bekommt sie die Aufmerksamkeit, die sie mehr als verdient. Ich fand ALLE ihre bisherigen Bücher einfach großartig! Umso mehr habe ich mich auf diese Neuerscheinung gefreut und hoffe, sie schlägt da ein, wo es weh tut. Denn sie enthält eine wichtige Botschaft. Es freut mich sehr, wenn dieses Buch auch Männer lesen, denn es geht uns alle an - es geht nicht um Männer gegen Frauen, es geht um eine Veränderung. Und die kann nur passieren, wenn alle an einem Strang ziehen, unabhängig vom Geschlecht.

Die Geschichte von Elin, Nuri, Iris und Ruth hat mich sofort in den Bann gezogen. Es entwickelt sich eine unfassbare Sogwirkung und man kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ganz besonders gut fand ich auch die Kapitel mit der Überschrift „Die Gebärmutter“, auch „Die Berichterstattung“ und „Die Pistole“. Ganz großes Kino!
Das Buch bekommt von mir klare 5 Sterne, und die sind noch lange nicht genug.
„Und alles so still“ ist ein Buch, das sicher noch lange nachhallen wird - unbedingt lesen!!!


„Wenn einer dich niederhaut und du aber wieder aufstehst“, sagt Nuri leise zu Elin, „wer von euch beiden ist dann stärker?“

„Nicht mehr flüchten, nicht mehr weichen“, antwortet Femme, „wir bleiben. Wir fordern den Raum ein, der uns zusteht.“

Wichtige Botschaft
von Anja S
Der neue Roman von Mareike Fallwickl mit einer sehr wichtigen Botschaft.

Was wäre, wenn alle Frauen aufhören nur noch zu funktionieren? Wie gehen die Männer damit um? Wer kümmert sich um die Kinder und kranken Menschen? Genau darum geht es hier. Ein wichtiges Buch mit einer wichtigen Botschaft an alle!

Wie gewohnt von der Autorin lässt sich das Buch gut lesen, einige sprachlich wunderschöne Passagen gibt es aber mir ist der Roman auch manchmal etwas zu direkt und für mein Empfinden etwas zu viel. Die Story war in Ordnung aber auch sehr fiktional. Wenn es diese Solidarität zwischen Frauen geben würde wäre das ganz wunderbar aber leider gibts da auch so diverse Charaktere, dass diese Verbundenheit für mich fast an ein Wunder grenzen würde.

Wunderbar geschrieben ist ein Abschnitt über einen behinderten Sohn von einer Protagonistin. Das hat mich unheimlich berührt.

Und alle so still
von Maxie Bantleon
„Das Patriarchat kann sich darauf verlassen, wann immer irgendwo ein Kind oder eine alte Person umfällt, kommt eine Frau und hebt es auf.“

Ich möchte mich jetzt an dieser Stelle einfach mal selbst zitieren. In meinem Buchtipp zu Mareike Fallwickls Roman „Die Wut, die bleibt“ schrieb ich, meiner Meinung nach habe sie damit ihren bisher besten Roman verfasst. Jetzt könnte ich diesen Satz einfach wiederholen oder auf das Wörtchen „bisher“ verweisen – oder einfach die Feststellung treffen: Sie hat sich mit ihrem neuesten Werk noch einmal selbst übertroffen!

„Und alle so still“ ist ein Roman, den ich in einem Rutsch durchgelesen habe und dann ein paar Tage sacken lassen musste – um ihn dann erneut zu lesen. Beim ersten wie beim zweite Mal hat sich bei mir dieser Knoten im Hals gebildet, den Sie sicher auch kennen, dieser Knoten, wenn man kurz vorm Weinen ist und gar nicht genau weiß: Ist es vor Freude, vor Wut, vor Traurigkeit? Und je mehr Seiten ich gelesen hatte, desto größer wurde er, weil die Geschichte so großartig, so schön und so schrecklich ist und so wahr.

Fallwickl schreibt in ihrem Nachwort, dass sie schon beim Schreiben der letzten Seiten von „Die Wut, die bleibt“ wusste, dass in dieser Geschichte eine weitere Geschichte steckt: Was wäre, wenn sich alle Frauen zusammentäten, wenn sich alle Frauen verweigern würden?
Genau diese Fragen und weitere wie „Was wäre, wenn Frauen sich nicht länger unterdrücken lassen? – Wenn sie einander bestärken und unterstützen würden?" – bilden das Grundgerüst des neuen Romans, und man sollte ihn meiner Meinung nach nicht als eine Art Fortsetzung, sondern als ein Weiterdenken betrachten. Dass wir hier ganz kurz auch Lola wiederbegegnen, ist besonders schön.

In „Und alle so still“ geht es darum, dass die Frauen am Ende ihrer Kräfte angelangt sind, dass sie es leid sind, dass das ganze System auf ihrer Verfügbarkeit beruht, ihrer Kraft und ihrer Zeit.
Sie sind es leid, dafür zu kämpfen, dass Care-Arbeit aufgewertet wird, dass sie die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit erhalten, dass es besseren Schutz vor Gewalt gibt und dass Täter zur Verantwortung gezogen werden.
Sie sind es leid, um ihre Rechte zu kämpfen, „denn wie furchtbar ist das? Dass wir grundsätzlich rechtelos sind, außer wir wenden unfassbar viel Energie und Zeit auf, um ein Zipfelchen Gleichberechtigung zu erwischen…
Hinter allen Arten des Unrechts steckt dasselbe Problem, dass wir nicht gehört, nicht gesehen, nicht geachtet werden. Und es gibt keinen Grund mehr, dass wir weitermachen wie bisher.“

Aber damit ist jetzt Schluss, und so fängt es an, in einer Stadt, aber eigentlich überall, dass die Frauen als Zeichen gegen die Unsichtbarkeit sichtbar werden. Urplötzlich und überall liegen Frauen auf den Straßen und in den Parks, es sind viele, aber bei Weitem nicht genug, und sie sind alle so still. Es ist wie ein kollektiver Burnout.

Die Geschichte wird abwechselnd und dann überlappend erzählt aus der Sicht von Elin, einer jungen Influencerin, die sich dem stillen Protest anschließt, und aus der Sicht von Ruth, einer Krankenpflegerin, die die Frauen zwar versteht, aber sich nicht gegen ihr Gefühl der Verantwortung für ihre Patienten stellen kann und will. Obwohl auch sie längst weit über die Grenzen ihrer Belastbarkeit gegangen ist.

Und dann ist da noch Nuri, zwar ein junger Mann, aber einer mit Migrationshintergrund, schlecht ausgebildet und demzufolge ausgebeutet in seinen drei Jobs. Nuri gehört zu denen, die kein Wochenende kennen und keinen Tag-und-Nacht-Rhythmus haben, zu denen, die sich immer nur abstrampeln und trotzdem isoliert am Rande der Gesellschaft leben. Nuri ist einer der wenigen Männer, der versteht, warum die Frauen nicht mehr aufstehen.

„Und alle so still“ ist ein unglaublich intensiver Roman, in den ich mich von Anfang an wie hineingesogen fühlte. Das liegt natürlich zum einen an Mareike Fallwickls Talent, mit Worten umzugehen und mit Sprache Bilder zu erschaffen, aber auch an ihrem Hintergrundwissen und ihrer Recherchearbeit, die wirklich enorm gewesen sein muss.

Die eine Woche des stillen Protest, die sie hier erzählt, zeigt uns, dass es gar nicht nur um einen Care-Streik geht. Es geht nicht nur „um die Arbeit an sich, nicht um das Füreinandersorgen und Umeinanderkümmern, sondern um die Unsichtbarkeit dieser Arbeit.“
Es geht darum, dass diese so oft unsichtbare Arbeit endlich nicht mehr als selbstverständlich angesehen wird, sondern die ihr gebührende Wertschätzung erfährt.
Es geht nicht darum, dass Frauen sich ihre Fähigkeit, sich an menschlichen Bedürfnissen zu orientieren, ihre Fähigkeit zur Sorge und ihre Zugewandtheit abtrainieren und damit aufhören. „Aber Männer sollten endlich damit anfangen.“

Meinen größten Respekt für Mareike Fallwickl, die wieder einmal eindrucksvoll und unermüdlich aufzeigt, in welcher Situation wir Frauen uns befinden und was passieren könnte oder was passieren muss, damit sich vielleicht doch einmal etwas ändert!

Dieser Roman macht wütend und sprachlos! Er sollte für alle Pflichtlektüre sein! Hut ab, Fr. Fallwickl!
von Irmgard Preißler
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