Gerhard ZeillingerÜberleben

Hardcover

Verlag Kremayr & Scheriau (2018)

224 Seiten; 222 mm x 141 mm

ISBN 978-3-218-01129-7

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Überleben

Langtext
Walter Fantl ist vierzehn, als Hitler in Österreich einmarschiert, mit 18 wird er nach Theresienstadt, mit 20 nach Auschwitz deportiert. Gemeinsam mit seinem Vater geht er am 29. September 1944 über die Rampe von Birkenau, ahnungslos, was geschehen wird. Als der 21-Jährige im Juli 1945 nach Wien zurückkommt, ist ihm nichts von seinem Leben geblieben als ein breiter Ledergürtel: das Einzige, was er nach der Selektion behalten durfte. Bis zur Befreiung ist der Gürtel für ihn ein Überlebenssymbol, an das er sich jeden Tag klammert. Und bis heute ein Stück Erinnerung an die dunkelste Zeit seines Lebens: als er seine gesamte Familie verlor.
Heute ist Walter Fantl einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen in Österreich. Basierend auf jahrelangen Gesprächen und zahlreichen Originaldokumenten zeichnet der Historiker und Journalist Gerhard Zeillinger den bewegenden Lebensweg nach, der von der behüteten Kindheit in Bischofstetten in Niederösterreich direkt in den Horror der NS-Zeit und in die Stunde null nach der Befreiung mündet. Zeillingers dokumentarischerzählender Stil macht diese berührende Geschichte achtzig Jahre später noch einmal lebendig und schildert sehr eindringlich das Bild einer Zeit, die uns bis heute beschäftigt.


Eine berührende und unmenschliche Geschichte
Als Walter 1924 als Sohn jüdischer Eltern geboren wurde, konnte noch niemand ahnen, welch schreckliche Jahre noch auf sie zukommen werden. Im österreischischen Bischofstetten wächst Walter mit seiner Schwester Gertrude noch unbkümmert auf, sein Vater ist ein angesehener Kaufmann und so können sie es kaum glauben, dass sie 1938 plötzlich verhaftet werden und man sie ein Jahr später zwingt ihr gesamtes Hab und Gut zu verkaufen. In Wien gelandet beginnt Walter die Ausbildung zum Schlosser, wo er schon bald Wohnungen von SS- Angehörigen oder Nazis instand halten muss. Sämtlich Versuche seines Vaters nach Amerika auszuwandern schlagen fehl und so landen er und seine Familie 1942 im Ghetto Theresienstadt. Es folgen noch weitere Stationen wie das KZ Auschwitz - Birkenau, wo nun Walter alleine ist und miterleben muss, wie Menschen verhungern, von brutalen Kapos ermordet werden und man Juden aus- selektiert und in den Verbrennungsöfen ermordet. Unmenschliches hat Walter gesehen und erlebt. Er wiegt nur mehr 37 kg und schon mehr tot als lebendig, erfolgt für ihn und seine Kameraden der sogenannte ,, Todesmarsch´´, den er nur dank hilfsbereiter Mithäftlingen überlebt.

Der Literaturwissenschaftler und Historiker Gerhard Zeillinger, hat in jahrelanger, intensiver Recherche mit Zeitzeugen und Originaldokumenten, das berührende Buch ,, Überleben - Der Gürtel des Walter Fantl ´´ geschrieben.
Die Lebens- und Leidensgeschichte des Protagonisten, der einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen ist, ist ein Einblick in eine der dunkelsten Geschichte aus der Zeit als Hitler in Österreich einmarschiert ist. Ich mag mir gar nicht vorstellen, welch furchtbare Erinnerungen bei Walter Fantl hervorgerufen wurden, als er gemeinsam mit dem Autor an der Entstehung des Romanes gearbeitet hat. Das Buch beginnt im Grunde nach dem Krieg 1945 als Walter in das zerstörte und zerbomte Wien zurück gekehrt ist. Hier bekommt man anschaulich ein trostloses Bild von den Menschen, die zumeist ohne Familie, ohne Hab und Gut in eine Stadt zurück kommen, in der Juden nicht mehr erwünscht sind. Der erwähnte Gürtel ist das einzige, das Walter noch besessen hat und für ihn war dieser Gegenstand das Wertvollste, was er in seiner Gefangenschaft besessen hat, ohne ihn, wäre sein Überlebenswille schon sehr viel früher gebrochen.
Die beschriebenen Szenen über brutale Misshandlungen, über die Vernichtung der Juden in den Krematorien sind so bildhaft und intensiv, dass es mir oft nicht möglich war, weiter zu lesen. Diese Unmenschlichkeit, wie immer wieder einfach zur Belustigung der SS Leute Juden mit perfinden Spielen umgebracht wurden, haben mir immer wieder die Tränen aufsteigen lassen. Besonders emotional sind die Stellen, bei denen Walter Fantl selbst aus seiner Erinnerung heraus dem Leser etwas berichtet.
Der Autor hat einen Teil der unschönen Geschichte aus der Hitlerzeit beeindruckend nieder geschrieben und die Geschehnisse in den Lagern sind emotional, beschämend, traurig und manchmal so unglaublich ob der Grausamkeiten, dass ich jedem Überlebenden nur meinen Repekt zollen kann. Ich habe selten so ein Buch gelesen, das über wahre Begebenheiten so direkt und brutal berichtet.
Wie herzlos und unmenschlich Walter diese Zeit erlebt hat kommt aus vielen Textstellen beeindruckend hervor:
,, Dann bin ich zu einem Kapo hin und habe gefragt : Was ist mit den anderen? Wo ist mein Vater? Und der schaut mich an und zeigt auf einen der Schornsteine und sagt: Siehst du den Rauch? Das sind die anderen, das ist dein Vater.``

,, Überleben´´ von Gerhard Zeillinger, eine absolute Leseempfehlung.

Eine beeindruckende Biografie
Walter Fantl lebt mit seinen Eltern und der Schwester in Bischofstetten, einem kleinen Ort im niederösterreichischem Mostviertel. Die Fantls betreiben einen von drei Gemischtwarenläden. Dass sie Juden sind, wissen alle im Dorf, doch keiner stört sich daran – vorerst. Mit der Machtübernahme Hitlers und dem Anschluss an Deutschland beginnt die Leidensgeschichte der Fantls. Walter ist gerade einmal 14 Jahre alt. Wie so viele Juden erkennen sie die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig. Die Ausgrenzung der Fantls, die Arisierung des Geschäftes, die Umsiedlung nach Wien und die verzweifelten Versuche des Vaters die nötigen Papiere und das Geld für die Schiffspassagen zu bekommen, werden von Walter Fantl eindringlich und detailliert geschildert.

Die Fantls werden zuerst 1942 gemeinsam nach Theresienstadt und 1944 dann nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Noch weiß niemand, dass Walter der einzige Überlebende seiner Familie sein wird.

"Dann bin ich zu einem Kapo hin und habe gefragt: Was ist mit den anderen? Wo ist mein Vater?
Und der schaute mich an und zeigt auf einen der Schornsteine und sagt: Siehst du den Rauch? Das sind die anderen, das ist dein Vater".

Was an dieser Biografie so fasziniert ist, dass es Walter, auch in den vielen Stunden der Schinderei und Demütigungen gelingt, einige wenige glückliche Momente mit Leidensgenossen zu erleben. Das Symbol seiner Hoffnung, den Wahnsinn zu überleben, ist sein Ledergürtel. Der ist das einzige, was ihm noch geblieben ist. Kleidung, Schuhe oder Wertsachen wurden ihm von Mithäftlingen gestohlen oder gegen Nahrungsmittel eingetauscht. Doch an den Gürtel klammert er sich mit all seiner Kraft.

Das Buch endet nicht – wie so viele – mit der Befreiung aus dem KZ sondern bietet den Lesern ein weiteres authentisches Kapitel:
"Nach dem Krieg und wir sind frei". Es beschreibt den Weg aus dem KZ zurück, verschweigt aber nicht, dass Walter und seiner Freunde im polnischen „Niemandsland“ herummarodieren und verlassene Häuser plündern. Das finde ich sehr mutig, denn bislang habe ich darüber nichts gelesen. Walter kommt nach Wien zurück, fühlt sich verloren, sucht nach Familie und Freunden und kehrt freiwillig nach Theresienstadt, dem scheinbar einzigen Fixpunkt, zurück. Seine Freunde wandern aus, der eine nach Palästina, der andere nach Amerika. Doch wirklich willkommen sind die Überlebenden nirgends.
Nach vielen Kämpfen mit der Bürokratie erhält er das elterliche Wohnhaus zurück, hat es aber niemals mehr betreten.

Meine Meinung:

Für mich als Wienerin, die im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, aufgewachsen ist, sind die Adressen an denen Walter mit seiner Familie gewohnt hat, alle geläufig. Von der Großen Mohrengasse über die Schreygasse bis zum Sammellager in der Kleinen Sperlgasse 2a.

Historiker Gerhard Zeilinger mit Walter Fantls Biografie ein bewegendes und bemerkenswertes Zeitdokument gelungen, das als Ergänzung im Geschichtsunterricht gelesen werden sollte. Neben dem einfühlsamen Text, der ohne Schnörkel die Dinge beim Namen nennt, bilden die perfekt platzierten Fotos eine eindrucksvolle Ergänzung. Wie haben die Fotos gerettet werden können? Das ehemalige (christliche) Kindermädchen hat die Kassette mit Fotos, Dokumenten und Erinnerungsstücken vor der Vernichtung bewahrt und für Walter aufgehoben.

Fazit:

Ein Buch, das unbedingt gelesen werden sollte. Gerne gebe ich 5 Sterne.

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