Nell ZinkVirginia

Taschenbuch

Rowohlt TB. (2020)

320 Seiten; 20 mm x 116 mm

ISBN 978-3-499-27140-3

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Virginia

Besprechung
Mit viel Humor und Wärme erzählt Nell Zink von einem Leben, in dem Hautfarben und Rollenmuster verschwimmen, in dem man weiß und schwarz, weiblich und männlich gleichzeitig sein kann, und sie tut das auf leichte, aber nicht banale Art und Weise: ein wunderbares Lesevergnügen. Irene Binal ORF 20190428

Langtext

Scharfzüngig und temporeich nimmt Nell Zink in dieser Gesellschaftssatire die Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft aufs Korn: Rasse, Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, Sexualität. Ihre Heldin Peggy Vallaincourt fühlt sich früh zu Frauen hingezogen, ihr Held Lee Fleming ist der schwule Spross einer konservativen WASP-Familie. Peggy besucht das Frauencollege, an dem Lee als Lyrikdozent lehrt, und zu beider Überraschung fangen sie etwas miteinander an. Das Ergebnis sind Heirat, ein Sohn, Byrdie, und eine Tochter, Mickie. Nach zehn Jahren ist die Ehe gescheitert - an Sprachlosigkeit und den verklemmten frühen Sechzigern.Peggy brennt durch und will beide Kinder mitnehmen, am Ende hat sie aber nur Mickie dabei, für die sie sich die Papiere eines toten schwarzen Mädchens erschwindelt. Fortan gilt die hellblonde Tochter als schwarz - falscher Ausweis genügt. Und als «Schwarze» leben Mutter und Tochter nun unerkannt in dem kleinen Ort in Virginia, wo sie sich in einem leerstehenden Haus Nachfragen nach ihrem Verbleib entziehen. Und lernen eine ganz neue Welt kennen ...
Nell Zink ist mit dieser auch bewegenden Komödie berühmt geworden und stellt überraschende, wichtige Fragen. Etwa, wie leicht eine Welt gewillt ist, jemanden für schwarz zu halten - entgegen jedem äußerlichen Anschein. Es bereitet höchstes Vergnügen, diesem Feuerwerk von einem Buch beim Abbrennen zuzusehen.



Nell Zink, 1964 in Kalifornien geboren, wuchs im ländlichen Virginia auf. Sie studierte am College of William and Mary Philosophie und wurde in Medienwissenschaft an der Universität Tübingen promoviert. Mit ihrem 2019 erschienenen Roman Virginia war sie für den National Book Award nominiert. Sie lebt in Bad Belzig, südlich von Berlin.

Michael Kellner, 1953 in Kassel geboren, war, früher im Leben, Buchhändler und Verleger und übersetzt u.a. William S. Burroughs, Allen Ginsberg, Armistead Maupin und Atticus Lish. Er lebt in Hamburg.


Provokante Gesellschaftssatire mit finsterem Humor
Verklemmtheit in den frühen 60er Jahren im US-Südstaat Virginia. Selten derart stilistisch Beeindruckendes gelesen:
…aber nun fing er an zu überlegen, ob er wirklich Jungs mochte oder nur die falschen Mädchen kennengelernt hatte.
…und am nächsten Nachmittag heirateten sie für fünfzehn Dollar.
Er: Lee ist der schwule Spross einer konservativen WASP-Familie.
Sie: Peggy fühlt sich zu Frauen hingezogen.

Lee ist mit Emily im indischen Hängebett zugange und steigt bekleidet mit einem engen Netzhemd mit einem Jungen ins Kanu. Lee hatte gedacht, seine Homosexualität sei vielleicht ein gewaltiger Tippfehler. Peggy fährt Lees unersetzlichen VW-kurierwagen Langsam und entschlossen in den See. Ich vermute, das Auto auf dem Cover ist kein VW, aber der See könnte der Salton Sea sein, obwohl er in Kalifornien ist. Die Familienkrise bricht aus.

Peggy hat ihre Flucht vorbereitet und will beide Kinder mitnehmen, doch nur Mickie dabei, für die sie sich die Papiere eines toten schwarzen Mädchens erschwindelt. Fortan gilt die hellblonde Tochter als schwarz und heißt Karen. Und als "Schwarze" leben Mutter Meg und Tochter nun unerkannt in dem kleinen Ort in Virginia, wo sie sich in einem leerstehenden Haus Nachfragen nach ihrem Verbleib entziehen.

Eine Coming-of-Age-Geschichte als Satire über Geschlechterrollen, Rassenzugehörigkeit, College-Leben und ein Schluss Slapstick-Krimi mit Situationskomik und Wortwitz.

Cover
Die Vorlage für das Cover stammt aus einer Fotoserie von Sean Murphy, Salton Sea, California, USA. Titel: Young man with mobile phone sitting on roof of car in water, wobei der Verlag den jungen Mann wegretuschiert hat; somit ist das „car in water“ übriggeblieben.
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