Tasmanien
Hardcover
Suhrkamp Verlag (2023)
335 Seiten; 216 mm x 134 mm
ISBN 978-3-518-43132-0
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€ 25,70
Besprechung
»... kein typischer Roman, sondern ein Buch, das aufwühlt.« Carolin Gasteiger Süddeutsche Zeitung 20231204
Langtext
»Ich befehle Ihnen, dieses Buch zu kaufen!« Ulrich Matthes
Tasmanien ist ein lebenspraller Roman über unsere Gegenwart. Mit seinem einfühlsamen, präzisen Blick auf die Welt, die uns umgibt - Glaube, Wissenschaft, Klima, Elternschaft, Liebe - erzählt der italienische Bestsellerautor Paolo Giordano davon, wie wir alle nach einem Ort suchen, wo eine Zukunft möglich scheint. Damit gelingt ihm etwas Besonderes: Er gibt uns das Gefühl, weniger allein zu sein.
Tasmanien erzählt die Geschichte eines Mannes, der die Kontrolle über die Welt verloren hat und nun auf der Suche nach seiner, nach unserer Zukunft ist. Paolo ist Anfang vierzig und italienischer Journalist und Romancier. Seine Ehe hat einen kritischen Punkt erreicht, als seine Frau beschließt, die Versuche der künstlichen Befruchtung einzustellen, und die beiden sich vom Lebenstraum eines gemeinsamen Kindes verabschieden müssen. Um seiner eigenen Krise zu entkommen, bricht Paolo zur Klimakonferenz nach Paris auf, tauscht sich mit einem Wolkenforscher über klimatische Phänomene aus, mit einer Kriegsreporterin über internationalen Terrorismus - er reist in zahlreiche Städte und Länder, nur um nicht zu Hause zu sein. Doch wie soll er herausfinden, wie es mit ihm, mit allem weitergehen soll, wenn er sich der Welt immer wieder entzieht?
poetisch, aber hatte andere Erwartungen
Der Wissenschaftler Novelli, ein Freund des Erzählers Paolo, Tasmanien wäre die letzte Rettung - also der letzte Zufluchtsort -> Süßwasserreserven, Temperaturen usw.
Paolo stürzt sich auf Grund privater Gründe in eine Krise - er sucht Antworten auf alle möglichen Krisen, nicht nur für seine eigenen, sondern die Welt betreffend. So viel Verzweiflung.
Der Roman hat leider keinen roten Faden. Er springt hin und her - in Raum und Zeit, in verschiedenen Themen. Ich hatte mir hier inhaltlich definitiv etwas anderes erwartet. Es ist keine leichte Kost - die Sinnkrise von Paolo in Kombination mit den Krisen die die ganze Welt betreffen.
Der Schreibstil jedoch gefällt mir - schön poetisch.
Auch das Cover sagt mir von der Gestaltung her zu.
Mich persönlich hat das Buch schon angesprochen, es war jedoch anders wie erwartet und der rote Faden hat mir gefehlt.
Zeitgeistig, aber inhaltlich unverbindlich
Ich kann nicht einmal sagen, ob ich „Tasmanien“ für ein gutes Buch halte, zu undifferenziert ist meine Meinung darüber. Es entzieht sich meinem Zugang auf mir ungewohnte und unübliche Weise.
Paolo Giordano schreibt über seine Figur Paolo, die genauso alt ist und einen ähnlichen Beruf hat, wie er selbst. Das lässt mich spekulieren, wie ähnlich Giordano seinem Ich-Erzähler wirklich ist.
Paolo steckt in einer tiefen individuellen und globalen Sinnkrise. Seine Ehe ist am Scheideweg, der gemeinsame Kinderwunsch bleibt unerfüllt.
Klimaveränderungen, Terroranschläge und der unbedingte Zerstörungswille der Menschheit, das sind die globalen Themen, die Paolo beschäfftigen.
Sein einziger Coping Mechanismus: Flucht und Verdrängung. Paolo vermeidet jegliche Stellungnahme und Verantwortung.
Paolos Verhalten scheint mir nicht das eines erwachsenen Mannes, es scheint mir das eines heranwachsenden Kindes.
Das mag alles sehr zeitgeistig sein, ich persönlich kann dieser Erzählart nicht viel abgewinnen. Wahrscheinlich liege ich mit meiner Interpretation daneben, aber mir deucht das schon sehr nach detaillierten Beschreibungen von Vermeidungsstrategien in Kombination mit fragiler Männlichkeit.
Ja, es ist unleugbar ein universales Problem, dass wir uns angesichts unserer privaten und globalen Krisen gerne abwenden und entziehen, doch in Giordanos Bearbeitung des Themas finde ich nichts neues. Zudem ist er mir seiner mutmaßlichen Aussage zu unverbindlich und deutungsoffen. Das sehen die vielen italienischen Leser*innen auf jeden Fall anders, denn „Tasmanien“ gilt als das meistgelesene Buch des vergangenen Jahres.
In den Passagen, in den denen Giordano über die historische Atombombe und seine Entwickler schreibt, spüre ich meine alte Faszination für den Autoren. Sie sind fesselnd und spannend geschrieben und bieten die Parallelen in unsere heutige Zeit deutlich an. Auch handwerklich beherrscht Giordano sein Werkzeug, das wiederkehrende Thema der Wolken (sowohl symbolisch als auch konkret) sowie das allegorische Tasmanien ziehen sich als roter Faden durch den Roman und schaffen so ein anspruchsvollen und literarischen Roman im typischen Giordano Stil.
Ich möchte keine Empfehlung für oder wieder den Roman aussprechen. Meine Enttäuschung ist tu einem gewissen Teil meiner hohen Erwartungshaltung geschuldet und die schwache Ausarbeitung der Themen hat vielleicht seinen eigenen Sinn und Reiz, der mir verschlossen blieb.
Haben wir Menschen eine Zukunft?
Der Protagonist des neuen Romans von Paolo Giordano heißt Paolo und ist ebenfalls studierter Physiker. Inzwischen arbeitet er allerdings als Journalist und Romanautor. Er ist mit der etwa zehn Jahre älteren Lorenza verheiratet, die einen Sohn aus einer anderen Beziehung hat. Paolos Ehe ist kinderlos und gerät in eine Krise, als seine Frau beschließt, keine weiteren Versuche mit künstlicher Befruchtung mehr zu unternehmen. Der 40jährige Paolo ist unglücklich und muss sich neu orientieren. Er will so wenig wie möglich zu Hause sein. Deshalb reist er zu Veranstaltungen überall in der Welt und berichtet darüber. So ist er zum Beispiel 2015 bei der Klimakonferenz in Paris, wo er seinen Freund Guilio und den Wolkenforscher Jacopo Novelli trifft. Auch Guilio hat nach seiner Scheidung große Probleme, weil er vor Gericht um das Sorge- und Umgangsrecht für seinen Sohn kämpfen muss. Hier soll Paolo aufgrund seiner Beobachtungen eine für ihn günstige Aussage machen.
Vor dem Hintergrund seines privaten Unglücks beschäftigt sich Paolo mit all den Themen, die die Menschen bedrohen: Klimawandel, Terrorakte überall in der Welt, Kriege und nicht zuletzt die atomare Bedrohung. Er arbeitet an einem Buch über die Bombe, d.h. über die im August 1943 von den Amerikanern über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben. Er nimmt deshalb in Japan an den jährlichen Gedenkfeiern zu diesem Anlass teil und wird mit dem Leid der Überlebenden und ihrer Angehörigen konfrontiert. Das trägt nicht gerade zur Aufhellung seiner Stimmung bei. Mit seinem Buch kommt er ohnehin nicht voran. Er leidet unter einer regelrechten Schreibblockade.
Giordano setzt sich in seinem Roman mit gesellschaftlich relevanten Themen wie z.B. mit den Chancen von Männern und Frauen in der Wissenschaft, aber vor allem mit all den aktuellen Bedrohungen auseinander, die die Menschen ängstigen und unsicher machen. Das wirkt sich auch auf den Leser aus, der zwar Kenntnisse hinzugewinnt, sich aber nach der Lektüre fragt, ob die Menschheit eine Überlebenschance hat. Ich halte “Tasmanien“ für ein interessantes und wichtiges Buch, das zu dem neu entstandenen Genre CliFi gehört, wie so viele andere, die gerade erscheinen, z.B. T.C. Boyle, “Blue Skies“.