Steven VertovecSuperdiversität

E-Book (EPUB)

Suhrkamp Verlag (2024)

364 Seiten

ISBN 978-3-518-77892-0

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Kurztext / Annotation

Superdiversität erforscht die zunehmenden Diversifizierungsprozesse und die hochkomplexen sozialen Konfigurationen, durch die frühere Formen der Vielfalt in unseren modernen Gesellschaften nochmals potenziert werden. Migration spielt bei diesen Prozessen eine Schlüsselrolle, wie der international führende Sozialwissenschaftler Steven Vertovec in diesem bahnbrechenden Buch zeigt. Sie bringt nicht nur Veränderungen in allen sozialen, kulturellen, religiösen und sprachlichen Bereichen mit sich, sondern auch in der Art und Weise, wie diese mit Faktoren wie Geschlecht, Alter und ökonomischem wie rechtlichem Status zusammenwirken.

Im Mittelpunkt des von Vertovec entwickelten Konzepts der »Superdiversität« steht die Beziehung zwischen sozialer Kategorisierung und sozialer Organisation. Immer komplexere Kategorisierungen haben erhebliche Konsequenzen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Sie erfordern eine Neubewertung sozialer Identitäten als mehrdimensional, wandelbar und durchlässig. Infolge des Klimawandels wird sich die Diversifizierung noch weiter verstärken, die Komplexität noch weiter erhöhen. Superdiversität liefert überzeugende Argumente für die Anerkennung dieser neuen Verhältnisse und fordert uns zum Umdenken auf.

Steven Vertovec, geboren 1957, ist ein US-amerikanischer Sozialwissenschaftler, Ethnologe und Religionswissenschaftler. Er ist Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften. Zuvor war er Professor für transnationale Anthropologie an der Universität von Oxford und Direktor des British Economic and Social Research Council's Centre on Migration, Policy and Society (COMPAS). Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine Prägung des sozialwissenschaftlichen Begriffs »Superdiversität« und seine darauf aufbauenden Forschungen. Von 2008 bis 2011 gehörte er dem Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration an, seine Expertise wurde darüber hinaus etwa von der Europäischen Kommission, der G8, der Weltbank und der UNESCO in Anspruch genommen.

Textauszug
Was steht auf dem Spiel?

Diversifizierung bringt eine grundlegende Form des sozialen Wandels mit sich. Mit dieser Aussage stütze ich mich auf wichtige akademische Arbeiten zur Idee der sozialen Transformation - einer Umgestaltung, die sich über wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Bereiche sowie über Makro- und Mikroskalen erstreckt (siehe Smelser 1998, Wiltshire 2001, Rosenau 2003, Castles 2001, 2010). Wenn wir von sozialem Wandel sprechen, meinen wir weitreichende Veränderungen darin, wie Gesellschaften organisiert sind und wie wir über sie denken. Mit der Diversifizierung der Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen - von Nationalstaat, Stadt und Stadtteil bis hin zum Klassenzimmer, dem Arbeitsplatz und dem Park - unterliegen inhärente Merkmale des Sozialen einem Wandel. Dazu gehören die Art und Weise, wie wir einander begrifflich kategorisieren, unsere Einstellungen gegenüber den »Anderen«, die Interaktionen und Praktiken, die durch Begegnungen mit Anderen entstehen oder reproduziert werden, und die gesellschaftlichen Positionen, die sowohl all diese Faktoren untermauern als auch sich aus ihnen entwickeln. Die Diversifizierung und die Dynamik der Vielfalt bewirken Veränderungen im Kern der sozialen Strukturen und Beziehungen. Aus diesen Gründen müssen wir Geertz folgen und die Untersuchung von Diversifizierung und Diversität als einen der grundlegendsten Bereiche der sozialwissenschaftlichen Forschung betrachten. Es geht hier darum, wie wir als intrinsisch verschiedenartige Menschen zusammenleben, leben können und leben werden.

Die Erforschung von Diversifizierung und Vielfalt ist sicherlich nicht neu, ebenso wenig wie das Phänomen höchst diverser Gesellschaften. Seit der Antike waren die meisten Gesellschaften, vor allem 18Imperien, in der Vergangenheit äußerst divers - sprachlich, religiös und in Bezug auf das, was wir heute als Ethnizität bezeichnen (siehe unter anderem Grillo 1998, Greatrex und Mitchell 2000, Hoerder 2002, Heather 2010, McInerney 2014, Blanton 2015, Vertovec 2015b). 1986 erklärte der renommierte Historiker William McNeill, »Polyethnizität« kennzeichne fast alle Gesellschaften der Geschichte. Ferner schrieb er, die Vorstellung von Gesellschaften als tatsächlich oder idealerweise »homogen« (sei es in Bezug auf Ethnie, race, Sprache oder Religion) sei als eine Art historische Anomalie entstanden, und zwar aufgrund der modernistischen Bestrebungen zur Nationenbildung, insbesondere in Westeuropa seit etwa 1750. Dennoch hat solch eine Annahme von Homogenität als Norm und Diversität als Ausnahme lange Zeit nicht nur nationale Narrative und Politiken geprägt, sondern auch sozialwissenschaftliche Paradigmen (zusammen mit dem »Containermodell« von Nationalstaaten, auf dem der »methodologische Nationalismus« basiert; vgl. Beck 2000, 2002, 2004, Wimmer und Glick Schiller 2002). Dementsprechend gibt es zahlreiche soziologische Studien darüber, was Diversität, also eine Abweichung von einem Idealzustand, mit Gesellschaften »anstellt«. Dazu gehören bekannte (und kritisierte) Studien, die Diversität als Bedrohung für den sozialen Zusammenhalt (Putnam 2007), als Hindernis für politische und wirtschaftliche Entwicklung (Alesina und Ferrara 2005) oder als bedeutenden, wenn nicht gar problematischen Faktor bei der Umverteilung von öffentlichen Gütern (Singh und vom Hau 2016) betrachten. Dem stehen positivere Ansichten gegenüber, die aber ebenfalls auf einer Diversität-als-Ausnahme-Prämisse beruhen, wie etwa, dass mehr Diversität zu Kreativität und Innovation in städtischer Umgebung anrege (Florida 2002) und Manage



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