Mario Vargas LlosaHarte Jahre

E-Book (EPUB)

Suhrkamp Verlag (2020)

350 Seiten

ISBN 978-3-518-76476-3

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Kurztext / Annotation

Harte Jahre ist ein vielstimmiges Romanepos über Macht, Verschwörung und Verrat - über die Fallstricke der Geschichte und die dreisten Machenschaften imperialer Politik. Und ein virtuoser literarischer Hochseilakt.

Im Jahr 1954 bringt ein Militärputsch die Regierung Guatemalas zu Fall, mit freundlicher Unterstützung des CIA. Und zwar vermittels einer dreisten Lüge, die als Wahrheit durchgeht: US-Präsident Eisenhower hatte in Umlauf gebracht, Guatemalas Präsident Árbenz billige und unterstütze die Ausbreitung des sowjetischen Kommunismus auf dem Kontinent. Eine Lüge, die das Schicksal ganz Lateinamerikas verändern wird. Diese folgenreiche historische Episode - die uns schmerzlich an unsere Gegenwart erinnert - greift Mario Vargas Llosa auf und erzählt sie lebhaft und packend in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit. Wer gründet welche Intrigen? Wer sind die Profiteure? Wer bleibt auf der Strecke?



Mario Vargas Llosa, geboren 1936 in Arequipa/Peru, studierte Geistes- und Rechtswissenschaften in Lima und Madrid. Bereits während seines Studiums schrieb er für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen und veröffentlichte erste Erzählungen, ehe 1963 sein erster Roman Die Stadt und die Hunde erschien. Der peruanische Romanautor und Essayist ist stets als politischer Autor aufgetreten und ist damit auch weit über die Grenzen Perus hinaus sehr erfolgreich. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Das grüne Haus, Das Fest des Ziegenbocks, Tante Julia und der Schreibkünstler und Das böse Mädchen.
Vargas Llosa ist Ehrendoktor verschiedener amerikanischer und europäischer Universitäten und hielt Gastprofessuren unter anderem in Harvard, Princeton und Oxford. 1990 bewarb er sich als Kandidat der oppositionellen Frente Democrático (FREDEMO) bei den peruanischen Präsidentschaftswahlen und unterlag in der Stichwahl. Daraufhin zog er sich aus der aktiven Politik zurück.
Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt er 1996 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2010 den Nobelpreis für Literatur. 2021 wurde er in die Académie Française aufgenommen. Heute lebt Mario Vargas Llosa in Madrid und Lima.



Textauszug

Auch wenn sie einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt sind und in den Geschichtsbüchern allenfalls einen Platz am Rande einnehmen, waren die beiden Personen, die im zwanzigsten Jahrhundert das Schicksal Guatemalas, ja ganz Mittelamerikas am meisten beeinflusst haben, wahrscheinlich Edward L. Bernays und Sam Zemurray, zwei Männer, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Temperaments und ihres Wirkens nicht unterschiedlicher hätten sein können.

Zemurray wurde 1877 unweit des Schwarzen Meeres geboren und wanderte, als Jude in einer Zeit, da im Russischen Reich die Pogrome wüteten, mit nicht einmal fünfzehn Jahren an der Hand einer Tante in die USA aus, wo sie in Selma, Alabama, im Haus von Verwandten unterkamen. Edward L. Bernays gehörte ebenfalls einer Familie jüdischer Emigranten an, allerdings aus besseren Kreisen, sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch, außerdem gab es in der Familie eine berühmte Persönlichkeit: seinen Onkel Sigmund Freud. Abgesehen davon, dass beide Juden waren - so wenig eifrig sie ihre Religion auch praktizierten -, hatten sie praktisch nichts gemein. Edward L. Bernays rühmte sich, so etwas wie der Vater der Public Relations zu sein, die er zwar nicht erfunden habe, jedoch (auf Kosten Guatemalas) in die luftigsten Höhen katapultieren würde, bis er sie zur wichtigsten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Waffe des zwanzigsten Jahrhunderts gemacht hätte. Das zumindest sollte sich bewahrheiten, auch wenn seine Egozentrik ihn bisweilen zu maßlosen Übertreibungen anstachelte. Die erste Begegnung zwischen den beiden hatte 1944 stattgefunden, und in dem Jahr auch begann ihre Zusammenarbeit. Sam Zemurray hatte ihn um einen Termin gebeten, und Bernays empfing ihn in seinem damals noch kleinen Büro im Herzen Manhattans. Es ist anzunehmen, dass Zemurray, dieser große, schlecht gekleidete Kerl, unrasiert, ohne Krawatte, in einer verschossenen Jacke und rustikalen Halbstiefeln, Bernays mit seinen eleganten Anzügen, seiner gewählten Sprache, den Yardley-Parfums und aristokratischen Manieren auf den ersten Blick nicht sonderlich beeindruckte.

»Ich habe versucht, Ihr Buch Propaganda zu lesen, aber ich habe nicht viel verstanden«, stellte Zemurray sich dem Werbefachmann vor. Er sprach ein schleppendes Englisch, als wäre er sich bei jedem Wort unsicher.

»Dabei ist es in einer sehr einfachen Sprache geschrieben, jedem des Lesens Kundigen zugänglich«, kanzelte Bernays ihn ab.

»Dann wird es an mir liegen«, räumte sein Gegenüber ein, ohne sich im mindesten angegriffen zu fühlen. »Ehrlich gesagt, ich bin kein großer Leser. In meiner Kindheit drüben in Russland habe ich gerade mal die Schule hinter mich gebracht, und Englisch habe ich nie richtig gelernt, das wird Ihnen sicher aufgefallen sein. Wenn ich Briefe schreibe, ist es noch schlimmer, alles voller Rechtschreibfehler. Mich interessiert mehr die Tat als das Geistesleben.«

»Tja, wenn das so ist, dann weiß ich nicht, womit ich Ihnen behilflich sein könnte, Mister Zemurray«, sagte Bernays und tat schon, als wollte er aufstehen.

»Ich will Ihnen nicht die Zeit stehlen«, hielt Zemurray ihn zurück. »Ich leite ein Unternehmen, das Bananen aus Mittelamerika in die Vereinigten Staaten importiert.«

»Die United Fruit?«, fragte Bernays überrascht und musterte seinen unansehnlichen Besucher nun interessierter.

»Wie es aussieht, haben wir einen miserablen Ruf, sowohl in den USA als auch in ganz Mittelamerika, das heißt in den Ländern, in denen wir tätig sind«, fuhr Zemurray mit einem Achselzucken fort. »Und offenbar sind Sie der Mann, der das in Ordnung bringen könnte. Ich möchte Sie engagieren, als Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Unternehmen. Wie auch immer, wählen Sie die Bezeichnung, die Ihnen am besten gefällt. Und um Zeit zu sparen, bestimmen Sie auch gleich das Honorar.«

So hatte die Beziehung zwischen den beiden



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