Richard David PrechtJäger, Hirten, Kritiker

E-Book (EPUB)

Goldmann Verlag (2018)

288 Seiten

ISBN 978-3-641-23069-2

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Kurztext / Annotation
Dass unsere Welt sich gegenwärtig rasant verändert, weiß inzwischen jeder. Doch wie reagieren wir darauf? Die einen feiern die digitale Zukunft mit erschreckender Naivität und erwarten die Veränderungen wie das Wetter. Die Politik scheint den großen Umbruch nicht ernst zu nehmen. Sie dekoriert noch einmal auf der Titanic die Liegestühle um. Andere warnen vor der Diktatur der Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley. Und wieder andere möchten am liebsten die Decke über den Kopf ziehen und zurück in die Vergangenheit.

Richard David Precht skizziert dagegen das Bild einer wünschenswerten Zukunft im digitalen Zeitalter. Ist das Ende der Leistungsgesellschaft, wie wir sie kannten, überhaupt ein Verlust? Für Precht enthält es die Chance, in Zukunft erfüllter und selbstbestimmter zu leben. Doch dafür müssen wir jetzt die Weichen stellen und unser Gesellschaftssystem konsequent verändern. Denn zu arbeiten, etwas zu gestalten, sich selbst zu verwirklichen, liegt in der Natur des Menschen. Von neun bis fünf in einem Büro zu sitzen und dafür Lohn zu bekommen nicht!

Dieses Buch will zeigen, wo die Weichen liegen, die wir richtig stellen müssen. Denn die Zukunft kommt nicht - sie wird von uns gemacht! Die Frage ist nicht: Wie werden wir leben? Sondern: Wie wollen wir leben?

Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Er ist Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Seit seinem sensationellen Erfolg mit »Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?« waren alle seine Bücher zu philosophischen oder gesellschaftspolitischen Themen große Bestseller und wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Seit 2012 moderiert er die Philosophiesendung »Precht« im ZDF und diskutiert zusammen mit Markus Lanz im Nr.1-Podcast »LANZ & PRECHT« im wöchentlichen Rhythmus gesellschaftliche, politische und philosophische Entwicklungen.



Textauszug

Der erste Kontakt

»Die Wirtschaft der Zukunft funktioniert ein bisschen anders. Sehen Sie, im 24. Jahrhundert gibt es kein Geld. Der Erwerb von Reichtum ist nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben. Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern - und den Rest der Menschheit.«[1]

Mehr als zwanzig Jahre ist es her, da prognostizierte Captain Jean-Luc Picard, Kommandant der USS Enterprise, aus der Zukunft des Jahres 2373, was auf die Menschheit zukommt: eine Gesellschaft ohne Geld und Lohnarbeit! Für das 24. Jahrhundert ist nämlich völlig undenkbar, was 1996 noch gängiger Menschheitsalltag ist - sich durch materielle Entlohnung motivieren zu lassen, um etwas für sich und die Gesellschaft zu tun.

Was in Star Trek VIII - Der erste Kontakt in der Maske der Zukunft erscheint, ist mehr als eine Science-Fiction-Fantasie. Es ist ein alter Menschheitstraum, geträumt seit dem Heraufdämmern des Kapitalismus und der Lohnarbeit im 16. und 17. Jahrhundert. Schon die Utopien des englischen Gentlemans Thomas Morus, des kalabrischen Mönchs Tommaso Campanella und des technikbegeisterten Lordkanzlers Francis Bacon kennen weder Geld noch goldenen Lohn. Die Frühsozialisten des 19. Jahrhunderts schwärmten von einer Zeit, in der die Maschinen arbeiten und die Arbeiter singen - erreicht durch clevere Automaten. Das »eigentliche Ziel ist der Versuch und Aufbau der Gesellschaft auf einer Grundlage, die die Armut unmöglich macht«[2], gibt Oscar Wilde dem 20. Jahrhundert als Auftrag mit auf den Weg. Erträumt wird das Ende der Lohnarbeit durch »Automation«. Denn nur die freie Zeit ermögliche es den Menschen, sich zu vervollkommnen. Wer die Hände frei hat, kann endlich das leben, worauf es vor allem anderen ankommt: seinen Individualismus!

Berühmter noch ist das Urbild, das Karl Marx und Friedrich Engels entwarfen. Besoffen von ihren Ideen, ihrer noch jungen Freundschaft und reichlich gutem Wein definieren sie 1845 in ihrem Brüsseler Exil das erste Mal, was »Kommunismus« sein soll: eine Gesellschaft, die es jedem ermögliche, »heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden«.[3] Die »klassenlose Gesellschaft«, träumen die beiden jungen Männer, werde den »totalen Menschen« schaffen. Und aus gesellschaftlicher Arbeit wird »freie Tätigkeit«.

Kommunismus als Individualismus, Pflege des eigenen Bewusstseins, liebevolle Sorge und echte Verantwortung? Wie weit entfernt ist Marx' und Engels' Utopie von den Zerrbildern des stalinistischen Staatskapitalismus! So lange schon hat dieser das Wort »Kommunismus« als Geisel genommen und den Traum vom »totalen Menschen« durch ein totalitäres System ersetzt! Und wie schillernd und zeitbedingt sind die Farben, in denen Menschen sich die passenden Exterieurs einer wahrhaft freien Gesellschaft ausmalten: die weißen Gewänder der im Sonnenkult aufgehenden Solarier beim Dominikanermönch Campanella; der Samtjacken-Dandyismus Oscar Wildes; die Schäferromantik der vergangenen Feudalzeit bei Marx und Engels, geträumt im Anblick der Industrieschlote. Und manchmal ist es ein steriles Raumschiff ohne jedes Grün, fantasieverlassen wie ein Atombunker bei Captain Picard.

Wir stehen heute, im Jahr 2018, vor einem Epochenumbruch. Die »Automation«, lang ersehnt, könnte nun zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit tatsächlich ein erfülltes Leben ohne Lohnarbeit für sehr viele ermöglichen. Die alte Arbeitswelt der oft gleichförmigen Dienstleistungsberufe, auf die uns die Schule noch immer abrichtet, bröckelt dahin; nicht anders als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die schweren körperlichen Arbeiten in Be



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