Rezensionen

Zugvögel
Roman

Autor: Charlotte McConaghy

Erschienen 2020 bei S. Fischer Verlag GmbH
ISBN 978-3-10-397470-6
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Zugvögel - 5 Sterne

Franny - verheiratet mit dem wesentlich älteren Biologieprofessor Niall - verbindet mit ihrem Mann eine gemeinsame Leidenschaft: den letzten Küstenseeschwalben zu folgen, bevor auch diese Vögel endgültig verschwinden. So begibt sie sich auf einem der letzten Fischerboote auf eine Reise, auch zu sich selbst, denn sie hat sich selbst satt und würde lieber sterben. Aber warum? Was ist ihr in ihrem jungen Leben bereits widerfahren, dass sie so verängstigt und rastlos ist und vor allem getrieben wird? Niall ist ihr Rettungsanker, trotzdem verlässt sie ihn immer wieder für Monate. Er bedeutet das Ende ihrer Einsamkeit. Nach und nach erfahren wir, woher ihre schier endlose Traurigkeit und die Suche nach ihren Eltern kommt.

Der Aufbau des Romans ist sehr gelungen, denn wir erleben die Zeit im Gefängnis, wo Franny wegen zweifachen Mordes - da wissen wir noch nicht, wer diese Menschen sind - zu vier Jahren verurteilt worden ist. Ein weiterer Schauplatz springt 12 Jahre nach Irland zurück, als Franny Niall kennen und lieben lernt. Ihre Alpträume und das Schlafwandeln stellen beide von Anfang an auf eine harte Probe. Und in der Jetztzeit, die in einer nicht näher bekannten Zukunft spielt, reist Franny auf dem Schiff.

Franny hat eine Tochter verloren, über deren Verlust beide nie hinwegkommen werden. Niall verzweifelt zusehends an der Umweltzerstörung und ist wütend, nichts mehr dagegen unternehmen zu können. Franny ist nur in der Wildnis richtig frei.

Was für ein großartiger & berührender Roman! Die Themen Umweltzerstörung, Liebe, Einsamkeit, Tod, Verzweiflung, Todes-Sehnsucht, Angst und Getriebensein werden auf eine grandiose Weise in die Lebensgeschichte von Franny verwoben.

Nehmen wir uns das aufrüttelnde Schlusswort der Autorin zu Herzen: "Ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass es eine Welt ohne Tiere, wie sie in Zugvögel dargestellt wird, niemals geben wird."
von Brigitte Thaler - 2020-12-03 14:21:00

Das melancholische Leben von Franny in einer traurig-tierlosen Zukunft. Sehr speziell, aber berührend. - 4 Sterne

Kurz zum Inhalt:
Franny ist schon ihr ganzes Leben lang von Vögeln fasziniert. Ihren Mann Niall lernt sie in einer Vorlesung kennen; er unterrichtet Ornithologie an der Universität.
Als nach und nach alle Vögel beginnen zu verschwinden, beschließt sie, den letzten Küstenseeschwalben auf ihrer Reise zu folgen und macht sich mit der ausgefallenen Crew eines der letzten Fischerboote auf den Weg in die Antarktis. Auf der Suche nach den letzten Fischen, immer den roten Punkt der GPS-Sender der Vögel im Auge; allen Naturgewalten zum Trotz.
Doch wohin die Tiere sie auch führen, ihrer Vergangenheit kann Franny nicht entfliehen...


Meine Meinung:
Die Schreibweise von "Zugvögel" ist am Anfang speziell, aber wenn man sich darauf eingelassen hat, ist man von der blumig umschreibenden Sprache gefangen genommen. Die Atmosphäre ist düster und melancholisch.
Die Autorin arbeitet mit vielen Zeitsprüngen, die leider nicht chronologisch sind. So muss man sich erst zurechtfinden.
Durch die vielen Dialoge ist die Geschichte lebendig; und die Autorin hat schöne Naturbeschreibungen (was davon noch übrig ist) eingefügt - auch wenn man erst mal herausfinden musste, dass die Geschichte wohl in einer fiktiven, nicht so fernen Zukunft spielt, da die Natur zerstört ist und es fast keine Wildtiere mehr gibt. Somit beinhaltet das Buch das aktuelle und brisante Thema Umweltzerstörung und Klimawandel.
Die Atmosphäre, die Verzweiflung und Angst vor der Naturgewalt, aber auch den Zusammenhalt und die Hilfe beim Seesturm hat die Autorin aufwühlend emotional beschrieben, man leidet mit Franny und der Crew mit und hat Kopfkino pur.

Die handelnden Personen sind detailreich beschrieben, sodass man sie bildlich vor Augen hat. Mir haben v.a. die total verschiedenen Charaktere der Crew auf dem Fischerboot gefallen; jeder ist anders mit Ecken und Kanten, speziell und eigen. Vor allem der Kapitän Ennis geht einem Nahe.
Franny ist ein vielschichtiger Charakter mit einer geheimnisvollen Vergangenheit, von der man viele Gedanken zu lesen bekommt. Sie will einerseits zu sich selbst finden, ist andererseits ruhelos und rastlos. Sie kann nicht an einem Ort sesshaft werden und hat "Wanderfüße", wie sie immer sagt. Auch ist sie psychisch angeschlagen und instabil. Sie ist hin- und hergerissen und hat Selbstzweifel; weiß nicht, wo sie hingehört. Doch sie weiß, wo sie hinwill: den Küstenseeschwalben über den Ozean bis in die Antarktis folgen.
Nachdem die Autorin anfangs immer nur kleine Puzzlestücke über die Person Franny hinwirft, ist die Neugierde über ihre Vergangenheit geweckt. Anfangs kann man die Bruchstücke noch nicht zusammensetzen, um zu erkennen, was in ihrem Leben passiert ist.
Leider ging mir genau das nach einiger Zeit auf die Nerven, da diese kleinen Happen immer wiederholt wurden, aber man keine weiteren Infos bekam und die einzelnen Teile nicht zusammensetzen konnte. Erst gegen Ende der Geschichte eröffnet sich das Gesamtbild, das sich aber schon früher herauskristallisiert hatte.
Das Ende ist schön, emotional, und gibt Hoffnung.


Fazit:
Die melodramatische Geschichte einer jungen Frau, die Erlösung sucht, indem sie den letzten Küstenseeschwalben in die Antarktis folgt. Speziell, aufwühlend, tief berührend.
von Petra Sch. - 2020-11-24 22:21:00

Am Meer - 5 Sterne

Franny, eine Ornithologin, hat ihr ganzes Leben am Meer verbracht und hat sich die Rettung der letzten Küstenseeschwalben zur Aufgabe gemacht. Sie versieht sie mit Peilsendern und folgt ihnen auf ihrem Weg in die Abtarktis, zu diesem Zweck heuert sie auf einem der letzten Fischerboote an. Eine abenteuerliche und lange Reise beginnt, ihrer geheimnisvollen Vergangenheit rund um ein Verbrechen und eine große Liebe kann sie aber dennoch nicht entfliehen.
von Inge Krenn - 2020-11-22 20:25:00

Zugvögel - 5 Sterne

Franny begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, um dem Vogelzug der Küstenseeschwalben zu folgen. Es ist zugleich auch eine Reise in die tiefen ihrer Vergangenheit.
von Doris Stadlbauer - 2020-11-21 19:18:00

Sehr aktuell! - 5 Sterne

Franny, eine junge Ornithologin beschließt den letzten Küstenseeschwalben für Forschungszwecke in die Antarktis zu folgen. Auf einem der letzten Fischerboote, das eigentlich gar nicht mehr in diesen Gewässern fahren darf, hat sie nicht anderes im Kopf als diese wunderschönen Vogel, die kurz vor dem Aussterben sind, denn der Mensch hat schon so gut wie alle Tiere ausgerottet.

Franny die schon als Kind stets den Drang verspürte, zu wandern und nie an einem Ort bleiben konnte, ist auch jetzt auf der Reise in ihre eigene Vergangenheit.

Wo ist ihr Mann, was ist mit ihrem Kind passiert und warum war Franny im Gefängnis?

In Zugvögel geht es um den Umweltschutz, um die Schönheit der Natur und die Grausamkeit der Menschen. Ein unglaublich berührendes sowie aktuelles Buch.
von Sandra Heugenhauser - 2020-10-30 11:53:00

Kein Titel - 4 Sterne

Franny hat schon immer am Meer gelebt, als reines Naturmädchen ist das Wasser ihr Element. Ebenso liebt sie die Natur und vor allem die Vögel. Als immer mehr Arten verschwinden und viele Tiere aussterben, macht sie sich auf und folgt den letzten Küstenseeschwalben. Angeheuert auf einem der letzten großen Fischerboote, mit einer eigenwilligen rauen Crew, segeln sie Richtung Antarktis, den Vögeln hinterher. Bestärkt mit dem Wunsch noch mehrerer ihrer Art anzutreffen, trotzt sie den widrigen Umständen. Auf dem Weg durch die raue Welt des Meeres erfährt der Leser in Rückblenden mehr aus Frannys Leben und Geheimnisse werden gelöst. Franny muss aber erkennen, dass sie vor ihrer Vergangenheit nicht fliehen kann und die Geschichte ihrer außergewöhnlichen Liebe lässt sie nicht los. Ein fesselnder Roman einer starken Frau voll von Dramatik und Abenteuer.
von Ingrid Mair - 2020-10-24 15:32:00

Das ist keine Klimadystopie, das ist fast schon Realität - 5 Sterne

Franny Stone macht sich von Grönland aus auf den Weg nach Süden in die Arktis, um den Küstenseeschwalben zu folgen. Drei Vögel hat sie mit Peilsender ausgestattet. Dafür muss sie jedoch ein Schiff finden, dass sie dorthin bringt. Sie findet einen Kapitän, jedoch die Crew ist ihr und ihrem Vorhaben gegenüber eher ablehnend eingestellt.

In Rückschauen, die in unterschiedlichen Zeitebenen angelegt sind, wird erzählt, was Franny dazu getrieben hat. Zu Beginn ist ihre Vergangenheit noch kryptisch und voller Rätsel, jedoch nach und nach wird klar, was es mit dieser Reise auf sich hat.

Im Roman gibt es keine Zeitangabe, jedoch spielt er in einer nicht allzu fernen Zukunft. 90% aller Wildtierarten sind ausgestorben, die Meere sind leergefischt, bald wird auch die Fischerei verboten. Die Zerstörung der Umwelt, der damit einhergehende Klimawandel und vor allem die Folgen sind die großen Themen des Romans.

Die Autorin schreibt eindringlich, tiefsinnig, poetisch und mit Gefühl und lässt Bilder im Kopf entstehen. Durch den puzzleartigen Aufbau der Geschichte, stellt man als Leserin Vermutungen an, was wohl in der Vergangenheit passiert sein mag, was sehr neugierig macht und für Überraschungen sorgt. Die Geschichte geht wirklich unter die Haut, vielleicht auch, weil mit Drama nicht gespart wurde.
von Nicole Koppandi - 2020-09-22 21:24:00

Nicht nur für Vogelfreunde! - 5 Sterne

„je stärker man ist, desto gefährlicher wird die Welt.“ (S. 284)

Ich bin kein Vogelfreund und trotzdem schockverliebt in dieses Buch! Ich bin nicht mal ein besonders großer Tierfreund… Darf man das überhaupt heutzutage noch sagen? Egal! Dieses Buch trägt den Titel „Zugvögel“(O-Ton: Migrations) und handelt in der Tat auch von Vögeln, aber das ist bei weitem nicht alles. Fast eine Nebensächlichkeit und doch ein zentrales Element.
Im Fokus dieser Geschichte steht Franny, eine Frau Mitte 30 die uns als Ich-Erzählerin mitnimmt auf ein großes Abenteuer und eine Reise durch ihr Leben. Kurios und sehr speziell ist Franny und verfolgt fanatisch ihr Ziel. „Im „Was wäre, wenn“ kann nur Reue gedeihen, und davon habe ich schon ein ganzes Meer voll.“ (S. 281) Während des Lesens entwickeln sich viele Fragezeichen, die sich dann wiederum auflösen und den Leser verstehend verabschiedet und versöhnt.
Charlotte McConaghy merkt man die Sorge um unsere Natur und ihren Tieren an und verarbeitet dieses anprangernde Element in dieser Geschichte geschickt um literarisch wachzuschütteln. Innerlich spürte ich regelrecht, dass wir alle jetzt aktiv werden müssen um den Zustand der hier futuristisch skizziert wird nicht eintrifft. Die Sprache ist schnörkellos und doch durchdringt sie mit ihrem Text Tiefen!
„ er antwortete, unser Leben habe gar keinen Sinn, es sei nur ein Kreislauf ständige Erneuerung, und wir sein unfassbar kleine Funken, sowie die Tiere, wir seien kein bisschen wichtiger als sie, des Lebens nicht würdiger als jedes andere Geschöpf.“ (S. 306)

Wunderbar an diesem Roman ist, dass es einerseits eine fassbare Zukunft zeigt und zugleich surreal in der Handlung wirkt. Ein Abenteuer, ein andersartige Geschichte und eine irritierende Protagonistin! Ich mochte es sehr!
von nil_liest - 2020-09-22 11:03:00

Die Suche nach Erlösung und der letzte Flug der Seeschwalben - 5 Sterne

"Zugvögel" ist das literarische Debüt von Charlotte McConaghy und ist im September 2020 bei S.Fischer Verlage erschienen.

Wir begegnen hier der einzigartigen, sehr eindrücklich beschriebenen Protagonistin Franny, die durch ihren starken Willen und ihre heimatlose Prägung ihre Umgebung in Atem hält.

Durch ihr Zusammenkommen mit Niall ihrer großen Liebe, einem Wissenschaftler und ihr gleich gesinnten Vogel- und Naturliebhaber, scheint erstmal Ruhe in ihr Leben zu kommen.

Doch schon bald verselbstständigen sich ihre Wanderfüße und die ungestüme und wilde Seite ihres Charakters tritt wieder in Erscheinung.

So verlässt sie immer wieder ihr Zuhause und ihren Mann auf der Suche nach innerem Frieden.

Der Roman erzählt von Frannys letzter Reise, abenteuerlich und gefährlich und immer auf der Spur der letzten Küsten-Seeschwalben.

Dabei werden Erinnerungen wach, die in Rückblenden ihr früheres Leben beleuchten.

Wer ist diese Frau, die heimatlos zwischen zwei Welten schwebt?

Was ist mit ihrer Tochter geschehen, lebt ihr Mann noch und warum war Franny im Gefängnis?

Viele Fragen und Geheimnisse, die erst am Ende der Reise eine Antwort finden.

Bei alldem liegt eine düstere Schwere in der Luft, die die verheerenden Folgen des Klimawandels signalisiert und dem Leser einen Blick in die Zukunft eröffnet.


Der atmosphärisch dichte und emotionale Sprachstil hat mich total begeistert und in seinen Bann gezogen.Metapher und Szenen aus der Natur und Tierwelt dienen als Sinnbild für Frannys Leben.

Besonders das Meer als Lebenselixier, unberechenbar, stürmisch und zugleich auch still und friedlich steht für ihren leidenschaftlichen von Höhen und Tiefen durchzogenenen Charakter.

Wie auf den Wellen des Meeres wird man lesend durch die Geschichte getrieben.

Franny folgt zusammen mit der Crew eines Fischerbootes den Vögeln und zugleich ihrer inneren Eingebung, um ihren Bestimmungsort zu erreichen.

Ein vielschichtiger Roman, der zugleich Liebesgeschichte, Kriminalroman und Ökodystopie miteinander verbindet, aufwühlt, nachdenklich macht und zum Ziel führt.





von Lesestern - 2020-09-20 22:13:00

Eindringlich und tiefsinnig, düster und packend, gefühlsvoll und erschreckend realitätsnah - 5 Sterne

„Zugvögel“ von Charlotte McConaghy ist 2020 im S. Fischer-Verlag erschienen. Der berührende und feinsinnig geschriebene Roman umfasst in der gebundenen Ausgabe 399 Seiten.
„Zugvögel“ in ein bestimmtes Genre einzuordnen fällt mir sehr schwer. In meinen Augen ist er eine Mischung aus Kriminalroman, Liebesgeschichte und Ökodystopie.

Die Autorin Charlotte McConaghy erzählt in ihrem Buch auf sehr berührende Art und Weise die Geschichte von Franny Stone. Im Hier und Jetzt ist es ihr ganzes fast zwanghaftes Bestreben, den letzten Küstenseeschwalben auf ihrer Reise in die Antarktis zu folgen. Um ihr Ziel zu erreichen überzeugt sie den Kapitän und dessen ganze Besatzung von ihrem Vorhaben und heuert auf deren Boot an.
Auf dieser teilweise illegalen und auch gefährlichen Reise lernt der Leser die Lebensgeschichte von Franny kennen, aber auch die ganz eigenen Charaktere der Crew.

Charlotte McConaghy spannt über ihr gesamtes Buch einen wunderbaren Spannungsbogen, der den Leser mitfiebern lässt, was sich alles in Frannys Vergangenheit ereignet hat und welche Auswirkungen dies letztlich auf sie haben wird. Die Autorin berichtet hierzu immer wieder in Rückblenden über Frannys mysteriöse Vergangenheit und lässt viel Raum für Spekulationen und Vorahnungen. Mich hat dieser Roman komplett in seinen Bann gezogen und richtiggehend gefesselt. Dieser gewisse mysteriöse Unterton, der während des gesamten Buches mitschwingt, ist wirklich faszinierend.
Charlotte McConaghy schreibt detailliert, ruhig, tiefsinnig und mit einem außerordentlichen Gefühl für Sprache. Dieses wunderbare Gefühl für Sprache lässt eine tiefgehende, leicht düstere Atmosphäre entstehen, die einen regelrechten Sogwirkung auf den Leser entwickelt. Jedenfalls war es bei mir so. Die düstere Atmosphäre entsteht auch dahingehend, dass sich die im Buch beschriebenen Auswirkungen des Klimawandels eine heutzutage tatsächlich vorstellbare Zukunftswirklichkeit sein kann.

Ich spreche eine absolute Leseempfehlung für dieses Buch aus, das bei jedem Leser sicherlich lange nachwirken wird und ein ganz besonderes Leseerlebnis ist. Es ist eindringlich und tiefsinnig, düster und packend, gefühlsvoll und erschreckend realitätsnah.
Ein wirklich faszinierendes und gelungenes Buch.
von BarbaraM - 2020-09-19 10:14:00