Rezensionen

Schau nicht hin
Kunst als Stütze der Macht - die Geschichte der Diven des NS-Kinos

Autor: Evelyn Steinthaler

Erschienen 2024 bei Verlag Kremayr & Scheriau
ISBN 978-3-218-01338-3
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Unterhaltung als Stütze der Politik - 4 Sterne

Ein Buch ergibt das nächste: nach ihrer gründlichen Recherche über berühmte Paare und Stars in der NS-Zeit ("Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein"), richtet Evelyn Steinthaler jetzt ihr Augenmerk auf vier Schauspielerinnen, die durch die Filmindustrie des NS-Staates Karriere gemacht haben. Am Beispiel von Marika Rökk, Zarah Leander, Kristina Söderbaum und Lida Baarová zeigt die Autorin auch in ihrem neuen Buch, wie sehr in einem totalitären Staat die Politik ins Private hineinspielt, in diesem Fall aber auch, wie scheinbar harmlose Unterhaltung dem Regime als Stütze und Festigung der Macht dienen kann. Je größer der Ruhm einer Diva, desto gefestigter auch das Ansehen des Staates, der das alles steuert – ein Kalkül, das zum Teil offenbar aufgegangen ist. Die Stars haben jedenfalls mitgespielt, den Ruhm genossen und die Nähe der Politik oft ausgeblendet.
Es geht Evelyn Steinthaler aber nicht nur um die Filme, die in seltensten Fällen (wie etwa "Jud Süß") ausgesprochene Propagandastreifen waren, sondern auch um den unkritischen Umgang mit diesen Werken und ihren Darstellerinnen in der Nachkriegszeit. Marika Rökk und Zarah Leander galten –oder gelten? – noch lange als Stars, der Ruhm von Kristina Söderbaum und Lida Baarová hat nicht so lange gehalten. Das Verhältnis der vier Diven zur Politik war nach 1945 bald kein Thema mehr, lässt sich allerdings auch erst im späteren Rückblick genauer einordnen. "Schau nicht hin" galt gleich nach dem Krieg für viele Menschen.
Evelyn Steinthaler spannt den Bogen dann noch weiter bis hin zur aktuellen Debatte über Kunst und politische Haltung, über cancel culture und zur Frage, ob man Künstler:innen und Kunstwerk trennen kann.
Die Autorin wirft viele Fragen auf, oder reißt sie auch nur an, ohne sie weiter auszuführen – vielleicht schon der Stoff für ein nächstes Buch? Ein interessantes Thema, bei etlichen Druckfehlern und anderen Ungenauigkeiten hätte ich mir an ihrer Stelle aber ein sorgfältigeres Lektorat gewünscht .
von HEYN Leserunde Renate Pfeiffer - 2024-03-14 19:20:00

Kein Titel - 5 Sterne

Die Kärntner Autorin Evelyn Steinthaler beschreibt in ihrem neuesten Buch das Propagandasystem der Nationalsozialist:innen anhand der Leben vier bekannter Frauen. Baarová, Leander, Rökk, Söderbaum: Alle waren sie erfolgreiche Filmschauspielerinnen der NS-Zeit und hatten kein Problem damit, sich diesem System unterzuordnen, da sie von der "entjudeten Filmindustrie" ebenso sehr profitierten wie die Nationalsozialist:innen. Was für ein treffend gewählter und vielseitig interpretierbarer Titel also für ein solches Buch, das sich nicht nur mit der nationalsozialistischen Filmbranche zur Zeit der Entstehung der jeweiligen Filme beschäftigt, sondern auch darauf eingeht, wie in den Jahren nach des Zweiten Weltkrieges in der Öffentlichkeit mit ebendiesen Filmen, den Schauspieler:innen und deren Rolle umgegangen wird.
Letztendlich bleiben die Fragen: Wo hört Kunst auf, wo fängt Politik an? Sind Künstler:innen immer von ihren Werken zu trennen?
Ein absolut fantastisch geschriebenes und inhaltlich wichtiges, notwendiges Buch!
von HEYNi Anna Partl - 2024-03-14 15:31:54

Über das Zusammenspiel von Kunst und Macht - 5 Sterne

„Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ (aus „Die Dreigroschenoper“ von Bertold Brecht)

Evelyn Steinthaler untersucht in diesem Buch anhand von vier erfolgreichen Künstlerinnen, wie weit diese in der NS-Zeit bereit waren, für ihren Erfolg zu gehen. Wie weit mussten sie sich dem Regime anbiedern, beugen, sich zu willigen Helferinnen machen lassen oder haben sie sich freiwillig vor den Karren spannen lassen?

Die vier Diven, die die Autorin unter die Lupe nimmt sind:

Lída Baarová
Zarah Leander
Marika Rökk
Kristina Söderbaum

Nachdem Kunst nicht im luftleeren Raum entsteht, muss das Umfeld genau betrachtet werden. Kann man Werk und Künstlerin trennen? Oder muss man das sogar? Diese Frage stellt sich heute mehr als je zuvor, wenn sich die Diskussion auch in Richtung der Aspekte der „#MeToo-Bewegung“ verlagert haben.

Sollen Filme oder Theaterstücke nicht mehr gesehen werden, weil Schauspieler, Regisseure oder andere Involvierte sich sexueller Übergriffe schuldig gemacht haben? Gilt für das politische Statements so mancher Künstler zu Putins Angriffskrieg auf die Ukraine nicht Ähnliches? Gibt es hier Parallelen zur NS-Diktatur? Womit ich wieder bei diesem Buch bin.

Der Titel des Buches „Schau nicht hin“ hat für mich zweierlei Bedeutung: Zum einen, dass die Künstler selbst nicht auf die Verbrechen des Regimes geschaut haben, und zum anderen die Aufforderung an das Publikum deren Werke nicht anzusehen. Denn worum geht’s bei den Darstellern? Vorrangig um den eigenen Erfolg. Eine Anbiederung mit dem jeweiligen Regime ist da natürlich förderlich.

Dazu passt das Zitat aus Bertold Brechts „Die Dreigroschenoper“ perfekt: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“.

Evelyn Steinthaler untersucht penibel die Biografien der vier Diven. Keine ist vom Regime „gezwungen“ worden. Alle vier haben sich FÜR ihre Karriere in der NS-Zeit entschieden. Andere wie Marlene Dietrich emigrierten oder wurden boykottiert und von der Gestapo überwacht wie Renate Müller (1906-1937), deren Sturz aus dem Fenster ihrer Villa bis heute für diverse Spekulationen sorgt.

„Gefeiert, gefallen, verehrt“ oder müsste es eher „Gefeiert, verehrt, gefallen“ heißen? Doch wie die Autorin feststellt, ist die Verehrung vor allem bei Marika Röck und Zarah Leander auch nach dem Ende des NS-Terrors ungebrochen. Ich kann mich an Samstagnachmittage oder Abende erinnern, an denen die Röck über den Bildschirm steppte.

In ihrem letzten Abschnitt beleuchtet Evelyn Steinthaler den Aspekt der Kunst als Stütze der Macht bis in die Gegenwart. Kann Kunst überhaupt „unpolitisch“ sein? Ich erinnere an die McCarthy-Ära in den USA in der zahlreiche Künstler de facto mit einem Arbeitsverbot belegt waren, weil man sie verdächtigte, den kommunistischen Ideen nahe zu stehen.

Die vier Schauspielerinnen Lída Baarová, Zarah Leander, Marika Rökk und Kristina Söderbaum dienen in diesem Buch als Paradebeispiel für das perfekt-perfide Zusammenspiel von Kunst und Macht.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das den Bogen von einer Karriere in der NS-Zeit bis hin zur aktuellen Diskussion um die Trennung Werk und Künstler spannt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
von Bellis-Perennis - 2024-03-03 09:34:00

Filmstars des deutschen Reich - 4 Sterne

Evelyn Steinhammer schreibt über Zeit der UFA. Das haben schon viele getan und sie baut darauf auf. Kenntnisreich und verdichtet schreibt sie in erster Linie über 4 Schauspielerinnen, die als Diven des Films dem Reich dienlich waren.
Es beginnt mit Zarah Leander, gefolgt von Marika Rökk.
Schließlich noch über due aus heutiger Sicht weniger bekannten Lída Baarová und Kristina Söderbaum.
Natürlich werden auch viele andere im Umfeld erwähnt.
Was die Diven getan haben, waren Unterhaltungsfilme, dennoch war es Propaganda.
Die Filme waren mit Durchhalteparolen durchsetzt.
Manche Filme waren sehr wirkungsvoll, z.B. Die große Liebe mit Zarah Leander. Da sang sie Davon geht die Welt nicht unter und Es wird einmal ein Wunder geschehen.
Auch 80 Jahre später kann man diesen Film noch ansehen, wenn man ihn richtig einordnet.
Obwohl sich die Schauspielerinnen betont unpolitisch gaben, werden auch sie gewusst haben, was sie tun. Bei allen fehlte auch nach dem Krieg ein Unrechtsbewusstsein und eine Aufarbeitung. Deshalb bleibt ihr Werk mit einem deutlichen Schatten verdunkelt.
Gut, dass dieses Buch das ganze im Zusammenhang und aller Deutlichkeit zeigt.  
von yellowdog - 2024-02-23 15:59:00