Rezensionen

Der letzte Sessellift

Autor: Irving, John

Erschienen 2023 bei Diogenes Verlag AG
ISBN 978-3-257-07222-8
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John Irving... und wie er die Welt sieht - 5 Sterne

In seinem vermutlich (leider!) letzten großen Roman feiert John Irving noch einmal all jene Themen, die ihn schon sein Leben lang begleiten: unkonventionelle Familien, seltsame Freundschaften, Queerness, Homosexualität, individuelle Lebenskonzepte, skurrile Charaktere, gebrochene Konventionen, Gewalt, Geheimnisse, Verluste und immer wieder die lebenslange Suche nach der eigenen Identität.
Es ist tatsächlich ein Heimkommen in das Irving'sche Universum. Vielleicht hat man deshalb auch immer ein wenig das Gefühl, dass es eine Art Vermächtnis ist.

Neben der Lebensgeschichte von Adam Brewster (unschwer zu erkennen, dass John Irving auch sehr viel Autobiografisches hinein verpackt hat) gibt es noch zahlreiche andere Geschichten, die er hier erzählt – er führt den Leser souverän durch die verschiedensten Schicksale. Aber darüber hinaus kommentiert er die politische Entwicklung der letzten 50 bis 70 Jahre in Amerika. Eine Entwicklung die zu Bigotterie, wachsendem Hass und Intoleranz insbesondere gegenüber der LGBTQ-Gemeinschaft führte. Irving positioniert sich eindeutig in dieser Frage - nicht umsonst lebt er mittlerweile in Toronto.

„Der letzte Sessellift“ – und auch das gibt ein wenig das Gefühl von „Abschied“ und „Vermächtnis“ - ist ein 1080 Seiten langes Plädoyer für Toleranz und gegen alle Vorurteile und Ausgrenzungen. Aber Irving ist kein Prediger mit erhobenem Zeigefinger... seine Phantasie ist überbordend, seine Erzählweise ausschweifend, er schreibt stilistisch abwechslungsreich und wird nie langweilig. Tragikomische und dramatische Episoden wechseln mit witzigen und vor allem schwarzhumorigen Elementen – ganz großes Kino!

Pflichtgenuss für alle Irving-Fans!
von MiriamBrandl - 2023-08-13 05:33:00

Identitätssuchspiel - 4 Sterne

Das neue Buch von John Irving ist endlich da und wieder gerät man unweigerlich in den Erzählsog dieses mittlerweile über 81-jährigen Autors, der unermüdlich die Geschichte der Sehnsucht nach Klärung der Identität seiner Protagonist:innen beschreibt. John Irvings Suche nach dem Vater ist vertraut und auch dieses Mal geht es um den Vater, der selbst noch fast Kind im Schiort Aspen mit Little Ray, der Mutter der Hauptfigur, einen Sohn zeugt. Adam wächst nicht nur in der von der Mutter inszenierten Unsicherheit bezüglich seines Vaters auf, sondern ist umgeben von ungewöhnlichen, oft bizarren Menschen, deren Lebensgestaltung Adam irritiert, verwundert und prägt, sind sie doch alle schwul oder lesbisch oder queer oder trans oder schlicht schräg, verstrickt in der Suche nach der eigenen (sexuellen) Identität. Die liebenswürdigen Marotten werden bitter, wenn Adam Grenzverletzungen und Übergriffen der wenig haltgebenden Menschen seiner Umgebung ausgesetzt ist. Die miteinander verwobenen Schicksale entwickeln sich über mehr als 70 Jahre und über 1000 Seiten.
Irving schiebt Kapitel mit Drehbuchcharakter ein, Adam und andere finden sich im Hotel Jerome, dem Ort seiner Zeugung in unheimlichen Geisterwelten wieder, die an Jelineks Untote erinnern, das Identitätssuchspiel geht nach dem Tod - fast alle Hauptfiguren werden ermordet oder begehen Suizid - (nicht für alle offensichtlich) weiter. Hier gerät man mit Adam/John in ein Spannungsfeld. Ist das Buch ein Plädoyer für Diversität und Toleranz oder drückt es die Hoffnung auf bindungsrelevante Klarheit und Struktur aus? Was brauchen Menschen für Ihre Entwicklung? Wie weit darf Teilhabe von Kindern an der Identitätssuche der Erwachsenen gehen und wann beginnen Hemmung und Trauma?
John Irving nähert sich sukzessive dem Drama der eigenen Biographie, doch noch wird die Wut des Protagonisten delegiert und das Trauma nicht benannt. Das Irvingsche Identitätssuchspiel ist endlos, wie beim Sessellift geht die Bergfahrt in die Talfahrt über, kommt man nie ans Ziel, dreht ewig seine Runden, es sei denn, man steigt aus oder der Lift wird von Geisterhand gestoppt.
von Herwig Oberlerchner - 2023-06-27 17:25:00

Der letzte Sessellift - 5 Sterne

Ich sag´s gleich, ich bin ein Irving-Fan. Schon immer. Aber vielleicht gerade deswegen auch besonders kritisch. Für mich ist dieses Werk "Irving in Bestform" und erinnert mich fast ein bisschen an "Hotel New Hampshire", nicht nur, weil ebenfalls ein Hotel vorkommt. Die Geschichte von Adam, der sich aufmacht, um die Geschichte seiner Familie zu ergründen, ist so episch umfassend, so dicht und so skurril, wie man es von Irving erwartet. Jede Menge eigenwilliges Personal, überraschende Erkenntnisse, viele Dinge, die nicht so sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen; und das alles so dicht und kurzweilig erzählt, dass ich dann immer schwer aus der Geschichte wieder herausfinde und die Atmosphäre noch lange in mir nachschwingt. Unter diesen Voraussetzungen darf man sich von den mehr als 1000 Seiten nicht abschrecken lassen.
von Lucia Kirchner-Krämer - 2023-06-06 11:48:55

Eine Herzensempfehlung! - 5 Sterne

Ich weiß, es sind über 1000 Seiten. Wir sprechen hier über einen richtigen Wälzer! ABER ... wir sprechen hier über John Irving! Und John Irving ist für mich einer der großen Erzähler unserer Zeit.
"Der letzte Sessellift" ist ein letztendlich ein Plädoyer für Toleranz, ein Roman übers ( vermeintliche ) Anderssein, oft schimmert wohl auch die Biographie des Autors durch. Das Buch ist bevölkert mit liebenswürdigen und außergewöhnlichen Figuren, der Erzähler Adam führt den geneigten Leser durch seine Familiengeschichte, immer zärtlich, immer besorgt und voller Liebe. Ich habe beim Lesen oft gelacht, aber auch geweint und bin manch einen Abend länger aufgeblieben als gut für mich war ( Sie wissen schon 1000 Seiten ... ), aber letztendlich waren auch diese 1000 Seiten nicht lang genug!
Ich empfehle dieses Buch aus ganzem Herzen!
von HEYNi Eva Hafner - 2023-06-06 09:20:59

10 von 5 Sternen! - 5 Sterne

Ich liebe dieses Buch - es ist voller wunderbarer Menschen, die Irving unnachahmlich warmherzig und liebevoll durch ihr Leben begleitet, es atmet Toleranz und Demut der Buntheit des Lebens gegenüber, ist angefüllt mit einer zarten Altersweisheit UND - nicht zu vergessen - typisch Irving, voller Humor und Skurrilität. Lesen, lesen, lesen!!
von HEYNi Tanja Zwiener - 2023-05-31 12:43:10

Der letzte Sessellift - 5 Sterne

Mit Spannung wurde der neue Roman des bekannten amerikanischen Schriftstellers John Irving erwartet – für sein Drehbuch zu „Gottes Werk, Teufels Beitrag“ hatte er im Jahre 2000 den Oscar erhalten. Nun entwirft er in seinem umfangreichen Schmöker „Der letzte Sessellift“ eine spannende Figurenkonstellation rund um den Ich-Erzähler Adam, der sehr viele biographische Parallelen zum Autor selbst hat. Die Erzählung ist gefüllt mit skurrilen Figuren, vermag zu ergreifen dank einer berührenden Vatersuche und entwickelt eine enorme emotionale Sogkraft, sodass die Außenseiter, die im Zentrum der Geschichte stehen, uns ans Herz wachsen und wir dem Autor gerne Seite um Seite folgen. Klug spannt Irving immer wieder den Bogen zu aktuellen Themen wie Demenz, individuelle Freiheit, die Suche nach unkonventioneller Liebe oder die Frage nach der sexuellen Identität. Dies gelingt anhand einer komplexen Familiengeschichte, die sich über mehrere Generationen erstreckt und gleichzeitig Spiegel der amerikanischen Gesellschaft und deren Probleme ist. So öffnet sich ein literarischer Raum für ungewöhnliche Verstrickungen wie lesbische Frauen, die dennoch Männer lieben, einem kleinwüchsigen Mann, der eine Frau sein möchte, und natürlich auch ein Raum für Bezüge zum Autor selbst: “Schriftsteller können nicht aufhören zu schreiben“ und „einer/e wird den letzten Satz des anderen/der anderen vervollständigen…“. Übrigens finden wir zwischen den Seiten auch immer wieder liebevolle Hinweise auf Österreich, denn Irving selbst hat viele Jahre in Wien verbracht.
Mich hat der Roman aufgrund seiner Atmosphäre voller Empathie und Toleranz begeistert, die den Menschen erlaubt, das sein zu können, was sie selbst sein möchten. Die typisch einprägsamen Irving-Charaktere werden uns sicher auch nach der Lektüre noch begleiten – ein wenig wie die Gespenster, die nur Adam und seine Mutter „Little Ray“ sehen können. Und immer wieder stoßen wir beim Lesen auf Sätze, die uns nicht mehr loslassen: „Der erste Verlust eines geliebten Menschen, der erste Tod von jemandem, der einem nahe steht – ab da fließt die Zeit anders. Früher schien sich über lange Strecken nichts zu ereignen. Doch nach einem Verlust bemerkt man auf einmal die Drehung der Erde. Ständig ist sie in Bewegung, ständig ein Stück voraus. Für den Rest des Lebens weiß man, dass noch mehr Tode kommen – einer nach dem anderen, der eigene eingeschlossen.“
Wenn auch wir uns in den „Sessellift“ setzen, der nach oben führt, wird es einmal der „letzte“ sein, auf den wir aufsteigen. Aber mit Humor, nicht mit Schwermut lehrt uns Irving, diesem Moment entgegenzusehen, denn noch leben wir im „Inzwischen“, noch fühlen wir uns zugleich vom Fahrtwind ermattet und erfrischt… schwebend über den Bäumen, wie in einem Sessellift, aber doch noch angebunden an ein Seil, das uns hält. Unsere Geschichte ist eine Sesselliftfahrt durch dieses „Einstweilen“: „Herr, unser kleines Leben – ein Inzwischen, / Durch das wir aus dem Nichts ins Nichts enteilen. / Und unsre Jahre: Spuren, die verwischen, / Und unser ganzes Sein: nur ein Einstweilen.“ (Mascha Kaléko). – Ein Buch wie ein Vermächtnis!
von Katja Hölzl - 2023-05-22 14:03:10

Unkonventionelle Familie - 5 Sterne



Der Nordamerikanische Schriftsteller John Irving schreibt oft über schüchterne Männer und starke Frauen.
Immer wieder muss ich mir einen Roman von ihm gönnen.

Das neue Werk „Der letzte Sessellift“ ist ein ganz schön dicker Brocken, mit seinen 1088 Seiten.

Im Mittelpunkt steht die Familie von dem Schriftsteller Adam.
Von ihn erfahren wir alles über seine Mutter und sein Leben. Seine Mutter ist lesbisch.
In dem Roman geht es um Lesben, Schwule unfeinen Mann, der sein Stiefvater wird, , der sich zur Frau um operieren ließ.
Adam sieht auch noch Gespenster.
Der Roman liest sich angenehm und ich war sehr zufrieden.
John Irvings Schreibstil ist einfach brillant.



von begine - 2023-04-25 12:20:00