Rezensionen

In diesen Sommern
Roman

Autor: Janina Hecht

Erschienen 2021 bei Beck
ISBN 978-3-406-77449-2
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Coming-of-Age mit Schwierigkeiten - 5 Sterne

"In diesen Sommern" erzählt von Teresas Kindheit und Jugend. Episodenhaft gewährt uns die Ich-Erzählerin Einblick in ihr Aufwachsen am Land. Sie erzählt vom ersten Mal Fahrrad fahren, von den Tagen im Schwimmbad, von der Weinlese auf Großvaters Hof und von den sonnigen Urlauben in Italien.

Doch alle Geschichten sind durchzogen von einer Düsternis, die nie weicht und immer schwerwiegender wird. Denn der Vater ist Alkoholiker und neigt zu Gewalt, die sich anfangs eher gegen die Mutter richtet, aber später auch gegen die Kinder.

Diese Erinnerungsfragmente zeichnen langsam ein Bild der Familie. Der Konflikt zwischen Liebe und Hass und immer wieder das schwappen auf eine der beiden Seiten.

Es ist ein Aufwachsen mit ständiger Wachsamkeit, es kommt aber auch immer wieder zu einem Herausfordern, einem Überschreiten der Grenzen. Die kurzen Kapitel geben dem Erzähltem viel Gewicht. Die Geschichte ist auf das nötigste reduziert und transportiert diese innere Zerrissenheit ausgesprochen gut.

Das Aufatmen, als die Mutter mit den Kindern den Vater verlässt können wir gut nachvollziehen, doch für die Teresa und ihren Bruder löst sich nicht alles. Sie fühlen sich ihrem Vater dennoch irgendwie verpflichtet und kämpfen mit der Frage, wie viel Bedeutung ihre schönen Erinnerungen haben Angesichts der Gewalt, die sie durch ihren Vater erfahren haben.

Ich bin begeistert, von der Art, wie uns die Autorin an diese Geschichte heranführt. Der Mut zur Lücke macht das Buch besonders, denn dadurch hat jeder Satz Gewicht.

Janina Hecht hat mit diesem Buch ihr Talent zum Schreiben mehr als bewiesen und ich bin überzeugt, dass wir von dieser Autorin noch viel erwarten können. Ich freue mich schon jetzt auf ihr nächstes Buch, denn dieses hier konnte mich restlos überzeugen.
von Miro - 2021-07-23 21:38:00

Ein überzeugendes Debüt - 5 Sterne

Janina Hecht ist mit diesem Roman ein überzeugendes Debüt gelungen. Erzählt wird die Geschichte Teresas, die auch die Ich-Erzählerin ist. Dabei wählt sie eine interessante Erzählform. In unterschiedlich langen (oft weniger als eine Seite) Episoden aus den Sommern ihrer Kindheit, Jugend und des Erwachsenwerdens, lernen wir sie und ihre Familie kennen. Das sind zum Teil schöne Momente, doch in den meisten geht es um die Schwierigkeiten mit dem Vater, der alkoholkrank ist und zur Gewalt neigt. Am Anfang kommt das nur subtil vor, doch wird es immer klarer. Das alles erzählt sie schlicht, nahezu emotionslos und dennoch kommen die starken Gefühle ganz klar durch. Sie verurteilt nicht, sie erzählt einfach. Vom ersten Aufbegehren gegen den Vater, von der Mutter, die es erst sehr spät schafft, den Vater zu verlassen, vom Zwiespalt der Gefühle für den Vater, davon, wie sich die Geschwister gegenseitig unterstützen und Halt geben, aber auch von Dingen, die normal sind beim Aufwachsen.
Das Konzept ist hervorragend gelungen, mich hat diese Geschichte berührt, und ich habe sie mit Spannung gelesen. Obwohl so fragmenthaft erzählt wird, fügen sich die Episoden zu einer ganzen Geschichte, die immer mehr Form annimmt. Ganz klar wird auch, dass die Beziehungen zu gewalttätigen Elternteilen schwierig sind, weil trotz allem eine ganz enge Verbundenheit herrscht und man auch die anderen Seiten kennt, es gibt auch schöne Erinnerungen, und es bleibt in solchen Beziehungen oft sehr lange ein Funke Hoffnung, dass sich etwas ändert (was es selten tut). Eine Stelle, die diese Hoffnung sehr gut beschreibt ist auch auf der Rückseite des Schutzumschlages abgedruckt:
„Mein Vater, wie er ganz ruhig den Tag beginnt, nicht ausgeglichen, aber stabil. Nie schrie er am Beginn des Tages, er ging mit vorsichtigen Schritten, manchmal etwas Weiches in seinem Gesicht. Als hätte sich erst danach etwas verändert, als führten erst der Mittag und der Nachmittag in eine andere Richtung, und an jedem Morgen hätte es die Möglichkeit zu einem anderen Verlauf der Geschichte gegeben, die ich schreibe.“
Ein Roman, der ungewöhnlich ist, der überrascht und der mich sprachlich, mit seiner Struktur und dem Thema überzeugt hat. Sehr lesenswert!
von Petris - 2021-07-17 09:34:00

Ein überzeugendes Debüt - 5 Sterne

Janina Hecht ist mit diesem Roman ein überzeugendes Debüt gelungen. Erzählt wird die Geschichte Teresas, die auch die Ich-Erzählerin ist. Dabei wählt sie eine interessante Erzählform. In unterschiedlich langen (oft weniger als eine Seite) Episoden aus den Sommern ihrer Kindheit, Jugend und des Erwachsenwerdens, lernen wir sie und ihre Familie kennen. Das sind zum Teil schöne Momente, doch in den meisten geht es um die Schwierigkeiten mit dem Vater, der alkoholkrank ist und zur Gewalt neigt. Am Anfang kommt das nur subtil vor, doch wird es immer klarer. Das alles erzählt sie schlicht, nahezu emotionslos und dennoch kommen die starken Gefühle ganz klar durch. Sie verurteilt nicht, sie erzählt einfach. Vom ersten Aufbegehren gegen den Vater, von der Mutter, die es erst sehr spät schafft, den Vater zu verlassen, vom Zwiespalt der Gefühle für den Vater, davon, wie sich die Geschwister gegenseitig unterstützen und Halt geben, aber auch von Dingen, die normal sind beim Aufwachsen.
Das Konzept ist hervorragend gelungen, mich hat diese Geschichte berührt, und ich habe sie mit Spannung gelesen. Obwohl so fragmenthaft erzählt wird, fügen sich die Episoden zu einer ganzen Geschichte, die immer mehr Form annimmt. Ganz klar wird auch, dass die Beziehungen zu gewalttätigen Elternteilen schwierig sind, weil trotz allem eine ganz enge Verbundenheit herrscht und man auch die anderen Seiten kennt, es gibt auch schöne Erinnerungen, und es bleibt in solchen Beziehungen oft sehr lange ein Funke Hoffnung, dass sich etwas ändert (was es selten tut). Eine Stelle, die diese Hoffnung sehr gut beschreibt ist auch auf der Rückseite des Schutzumschlages abgedruckt:
„Mein Vater, wie er ganz ruhig den Tag beginnt, nicht ausgeglichen, aber stabil. Nie schrie er am Beginn des Tages, er ging mit vorsichtigen Schritten, manchmal etwas Weiches in seinem Gesicht. Als hätte sich erst danach etwas verändert, als führten erst der Mittag und der Nachmittag in eine andere Richtung, und an jedem Morgen hätte es die Möglichkeit zu einem anderen Verlauf der Geschichte gegeben, die ich schreibe.“
Ein Roman, der ungewöhnlich ist, der überrascht und der mich sprachlich, mit seiner Struktur und dem Thema überzeugt hat. Sehr lesenswert!
von Petris - 2021-07-17 09:33:00