Rezensionen

Die Dauer der Liebe
Roman

Autor: Gruber, Sabine

Erschienen 2023 bei Beck'sche, C. H., Verlagsbuchhandlung Oscar Beck
ISBN 978-3-406-80696-4
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Ergreifend - 5 Sterne

Eine bewegende Geschichte über Liebe, Verlust, Trauer und Neubeginn feinfühlig und lebensnah erzählt. Lesenswert!
von HEYNi Isabella Lehner - 2023-09-01 16:54:49

Die Dauer der Liebe - 5 Sterne

Was bleibt wenn man den jahrelangen Lebensgefährten jäh verliert? Renata muss sich ins Leben zurückkämpfen und mit der Herkunftsfamilie auseinandersetzten, die sie nie wirklich akzeptiert haben. Berührend aber manchmal auch zornig lässt die Autorin an den Gefühlen teilhaben.
von Doris Stadlbauer - 2023-08-17 10:50:48

Die Dauer der Liebe - 5 Sterne

Renata war 25 Jahre mit Konrad zusammen. Als er plötzlich stirbt, muss sie sich fragen, wie Leben überhaupt geht. Zudem steht sie ohne finanzielle Absicherung da, weil sie nicht verheiratet waren und ein kleiner Formfehler das Testament, welches zugunsten Renatas ausgefallen ist, zunichte macht. Konrads Familie aus Innsbruck war ihr, der Südtirolerin, gegenüber immer feindlich gesinnt, vor allem die gehässige Schwiegermutter, und reißt sich jetzt sein gesamtes Erbe unter den Nagel, auch Konrads wertvolle Fotozeichnungen. Das gemeinsame Landhäuschen bleibt davon ebenfalls nicht verschont, zusammen erworbene Gegenstände und Geschenke werden auf Willhaben verscherbelt.
Renata erträgt den täglichen Schmerz kaum, die Gewissheit seines Todes, sie versucht nur, die Zeit hinter sich zu bringen. Seine Spuren in der Wiener Wohnung verschwinden allmählich. 25 gemeinsame Jahre ergeben einen riesigen Erinnerungsspeicher. Konrad geht ihr verloren.
Zu Lebzeiten hat Konrad ihr geraten, dass sie ihm versprechen muss, sich nach seinem Tod wieder jemanden zu suchen. Aber auf Tinder, diesem Illusionskatalog, sind nur Frösche, die sich niemals in einen Prinzen verwandeln werden. Hier zeigt die Autorin ihre humorvolle und lustige Seite, wie sie die Tinder-Männer typisiert – der komplette Gegensatz zu ihrer schmerzvollen Sehnsucht.
Renata wollte immer ein Kind von Konrad. Warum hat es nicht funktioniert? Wer ist Caterina?
Die Zitate im Roman zeugen von der eindringlichen und sinnlichen Sprache, sind einprägsam und treffen mitten ins Herz: „Die Verschonten scheinen keine Zeit zu haben, die Getroffenen wissen nicht, wohin damit.“
Beim Lesen habe ich mir gedacht: So kann nur eine Frau schreiben, die ebenfalls ihren Partner verloren hat – wie die Autorin selbst.
Ein wirklich ausgezeichnetes Buch, in dem die Autorin den Schmerz, die gemeinsamen Erinnerungen, das Begehren, aber auch den neuen Lebensmut ergreifend und hautnah beschreibt!
Absolute Empfehlung!
von Brigitte Thaler - 2023-08-14 11:16:44

Die Dauer der Liebe - 5 Sterne

Die bekannte Südtiroler Schriftstellerin Sabine Gruber hat nun ihren neuesten Roman publiziert: „Die Dauer der Liebe“. Hier geht es um die Übersetzerin Renata (ein bedeutungsträchtiger Name: der italienische Name „Renata“ bedeutet im Deutschen so viel wie „die Wiedergeborene“), die ihren Lebensgefährten verliert und mit gänzlich unerwarteten Konflikten konfrontiert wird. Es ist ein Buch über Verlust und Weiterleben, aber auch eine Überlegung, wie lange die Liebe andauert… Sie dauert gewiss so lange, wie die Lektüre des Romans andauert, aber sie verändert sich mit der Zeit. Dies wird an der Protagonistin, die durchaus auch autobiographische Züge trägt, deutlich: Renata muss sich selbst ins Leben zurückkämpfen und die Frage beantworten, ob Konrad, ihr Partner, Geheimnisse vor ihr hatte?

Sabine Gruber denkt darüber nach, wie man über den Tod schreibt, was einen posthumen Liebesroman ausmacht. Die Autorin selbst war 20 Jahre lang mit einem österreichischen Journalisten liiert, der 2016 auf tragische Weise umgekommen ist. Sie berichtet also im Roman von einer Trauer, die sie selbst erlebt hat und jetzt verarbeitet. Und, wie Renata, stammt Sabine Gruber ebenfalls aus Südtirol, was nicht unwichtig ist, kennt man die tragischen Geschicke der Bergregion zur Zeit Mussolinis und die damit verbundene „Option“, die noch immer Gräben in die Familien reißt; der Geliebte Renatas – im Roman trägt er den Namen Konrad – spiegelt in seiner Tätigkeit als Bildkünstler, Architekt, der sich mit faschistischen Bauten in Italien beschäftigt, diese Problematik wider. Diese historische Komponente ist besonders ansprechend für jene, die sich für die Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit interessieren - eine Aufarbeitung, die in Italien noch zu wenig stattgefunden hat. Doch in erster Linie geht es im Buch um das Weiterleben nach dem Verlust eines geliebten Menschen: Die Romanfigur kann zu Beginn den Schmerz nicht fassen, nicht realisieren – und empfindet die Trauer wie eine Krankheit, die nicht zu vertreiben ist, sie erschöpft, man gewöhnt sich an den Zustand, aber Trauer verändert das Empfinden. So verändert sich die Liebe in der Abwesenheit des Toten, der nur in der Erinnerung an das gemeinsam Erlebte zelebriert wird, wie die Autorin an einer Stelle schreibt: „Warum begann Renata nun, an seiner Treue zu zweifeln? Weil das endgültige Schweigen auch Verschwiegenes einschließt, das nie mehr aufgebrochen werden kann? Weil die körperliche Nähe fehlt, die einzige spürbare Wahrheit, die vorübergehend alle Zweifel auszuräumen versteht?“

Sabine Gruber hat ein beeindruckendes Dokument der Liebe hinterlassen, wobei es vielleicht gerade die von der Autorin selbst empfundene Tiefe der Trauer ist, die verhindert, dass ein wirklicher Roman entstehen konnte, denn m. E. ist der Text zu nahe am Geschehen und vermittelt den Eindruck, dass die Distanzierung noch nicht vollzogen ist; so ist der poetische Blick, der das Schmerzvolle literarisch umkleiden und erträglicher machen kann, abhandengekommen. Erst das leise Sich-Entfernen der Autorin selbst wird den Figuren erlauben, ein Eigenleben zu entwickeln, das dann zu den Lesenden zu sprechen vermag. Denn der zu lebendige Schmerz sperrt sich der künstlerischen Verarbeitung, was sich an der teilweise spröden, wenn auch klaren Sprache der Autorin bemerkbar macht: Der Schmerz selbst bleibt wie ein Stachel in der Seele, der festsitzt und stagniert, während man doch lernen muss, ohne den anderen weiterzuleben.– Doch trotz dieser, vielleicht der Unmittelbarkeit und Vehemenz der Thematik selbst verschuldeten, mangelnden literarischen Verarbeitung können wir Gewinn aus der Lektüre ziehen, denn auch der – wenn auch leidvolle, so doch lebendige – Stachel im Fleisch ist etwas, das uns über uns selbst hinauswachsen lässt: „Lass nie den Erfolg seine Leere verbergen, die Leistung ihre Wertlosigkeit, das Arbeitsleben seine Öde. Behalte den Sporn, um weiter zu kommen, den Schmerz in der Seele, der uns über uns selber hinaustreibt.“ (Dag Hammarskjöld)
von Katja Hölzl - 2023-07-28 13:31:51

Traurig und humorvoll zugleich - 4 Sterne

Konrad ist tot. Ganz spontan gestorben. Zusammengebrochen auf einem Parklatz. Herzinfarkt. Renata und Konrad sind seit 25 Jahren ein Paar, aber nicht verheiratet. Wenn sie es gewesen wären, wäre Renata die Erste gewesen, die von Konrads Tod erfährt. So klopfen die Polizisten erst einen Tag später an ihre Haustüre.

Die italienisch deutschsprachige Autorin Sabine Gruber erkundet in ihrem neuen Roman die Frage, wie man ohne den geliebten Menschen weiterlebt. Wie lang ist die Dauer der Liebe?
Ich finde in diesem Roman einige wunderschöne und trostvolle Beschreibungen einer lange dauernden Liebe.

„Der liebende Blick ist nicht blind, er nimmt den von der Zeit veränderten Körper wahr, aber in dem, was der andere geworden war, entdeckt er noch die Schönheit der ersten Jahre, leuchtet etwas auf, das nur zu sehen imstande ist, wer einander seine langem kennt.“

Die Überlegung liegt nahe, dass Gruber viel von ihren eigenen Erfahrungen einbringt, da ihr eigener langjähriger Partner überraschend nach 20 Jahren Beziehung starb.

Nach Konrads Tod, muss Renata nicht nur mit dem Verlust ihres Partners zu leben lernen, sie muss es aushalten wie seine narzisstische Mutter und der geldgierige Bruder den Nachlass Konrads zerfleddern. Renata hat wegen eines ungültigen Testaments keinerlei Anspruch auf Konrads Sachen und künstlerische Arbeiten. Ihr wird jedes Erinnerungsstück genommen und Renata muss das Wissen ertragen, dass sie für Konrads Familie nie wirklich die Frau an seiner Seite war, sondern nur ein vorübergehendes zu akzeptierendes Übel.

Die Jahre die Konrad nicht mehr leben wird, die gemeinsame Zeit, die es nicht mehr geben wird. Erinnerungen, die verblaßen und nicht mehr durch neue ersetzt werden.

Gruber beschreibt, wie nach dem körperlichen Verlust von Konrad sein langsames Verschwinden aus dem Alltag und aus den Gedanken einsetzt. Das ist traurig aber unvermeidbar, wenn das Leben weiter gehen soll.

Der Roman ist poetisch und wehmütig, aber stellenweise auch humorvoll auf seine Art. Anders als der Klappentext vielleicht suggeriert, stellt Gruber die Fragen nach Konrads Geheimnis nur an den Rand des Romans. Für mich arbeitet sie mit diesem Thema die Ambivalenzen und Polarität heraus, die in einer Beziehung auftreten können, ohne dass die Liebe dadurch zerstört wird.

Ich denke darüber nach, warum Gruber Konrad in den Mittelpunkt des Romans stellt. Ich erfahre sehr viel über sein künstlerisches Schafften, über seine Faszination von italienischer faschistischer Architektur und seiner Vergangenheit, aber sehr wenig über Renatas Interessen und Beruf. Aber es fühlt sich letztendlich stimmig an, wie ein Versuch die Erinnerung doch noch festzuhalten oder auf Papier diesen einen friedlichen Ort zu schaffen, wo es „genügt, Kalziumphosphat zu sein“.
von @lust_auf_literatur - 2023-07-18 15:12:00

Kein Titel - 5 Sterne

Sabine Gruber hat vor einigen Jahren ein Buch geschrieben. Der Titel war „Stillbach oder die Sehnsucht“. Vielen damaligen LeserInnen blieb es nachhaltig in Erinnerung und auch uns hat es ungemein beeindruckt, weil es in der großen Menge an Büchern, die wir Jahr für Jahr lesen irgendwie herausstach. Es war die Geschichte einer jungen alleinerziehenden Frau in Südtirol nach dem 2. Weltkrieg.
Darum geht’s aber jetzt nicht, sondern um das neue Buch von Sabine Gruber. Es ist wieder kein leichter Stoff, es geht um Renata, deren Lebensgefährte überraschend verstirbt und es geht darum, wie sie mit dem Verlust umgeht.
Es ist ein ergreifendes, sehr kluges Buch, poetisch, wütend, komisch, schmerzhaft. Und es hat uns nach „Stillbach“ wieder sehr gefreut, etwas von Sabine Gruber lesen zu dürfen.
von Aloisia Prenninger - 2023-07-17 16:56:45