Rezensionen

Die schlafenden Geister des Lake Superior
Eine Kimberley-Reynolds-Story | Der neue Kurzroman vom Meister der Urban Fantasy

Autor: Ben Aaronovitch

Erschienen 2023 bei DTV
ISBN 978-3-423-21877-1
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Ein US-amerikanisches Spin-off zu Aaronovitchs Die-Flüsse-von-London-Reihe - 3 Sterne

Diese Fantasyerzählung mit Geistern, Eistornadas und unheimlichen Tierwesen spielt vor der eindrucksvollen Kulisse des Lake Superior an der Grenze zwischen den USA und Kanada. Dieses Setting war eine hervorragende Wahl: eine raue Gegend, die von eisiger Kälte, alten Mythen, der bewegten und nicht immer glorreichen Geschichte der USA und dem großen "Oberen See" mit all seinen düsteren Geheimnissen geprägt ist.
Hier ermittelt die für übernatürliche Fälle zuständige FBI-Spezialagentin Kimberley Reynolds, die auf der Suche nach einem ehemaligen Kollegen ist, der einen unheimlichen Vorfall gemeldet hat und danach verschwunden ist. Kimberley ist quasi das US-amerikanische Pendant zu Peter Grant vom Scotland Yard in London aus Aaronovitchs Die-Flüsse-von-London-Reihe, zu dem sie auch gelegentlich in Kontakt steht. Das ist ein Punkt, der mir sehr gefiel: Durch diese Verbindung wird die Flüsse-in-London-Romanwelt ausgebaut, erscheint so authentischer und Fans der Reihe können mit diesem Buch noch tiefer in diese Welt eintauchen.
Mit ihrer christlichen Prägung ist Kimberley eine etwas ungewöhnliche Heldin. Ungewöhnliches finde ich eigentlich gut, aber weder war sie mir sympathisch noch hatte sie irgendetwas Interessantes an sich. Letzteres galt auch für die meisten anderen Figuren, abgesehen von einem Jungen, der allerdings erst spät in die Geschichte eintrat. Selbst die unheimlichen Wesen, die in dieser Geschichte ihr Unwesen treiben, wirkten zwar angemessen gruselig und gefährlich, aber auch etwas flach und eindimensional - sehr schade. Als Drehbuch hätte dieses Buch vielleicht besser funktioniert, da die Schauspieler:innen ihr Talent einbringen und die Figuren mit mehr Leben und Tiefe hätten erfüllen können. Leider ging es mir wie schon so oft bei Aaronovitchs Büchern, nur hier in besonders starker Ausprägung: Alle Zutaten für eine gute Geschichte sind vorhanden, aber die Umsetzung ist einfach nicht überzeugend. Die Geschichte liest sich flott, es geschieht viel und eigentlich auch ziemlich Aufregendes und dennoch konnte für mich keine richtige Spannung aufkommen, da mir die Hauptfiguren nicht nahe genug waren.
Fast schon interessanter war für mich die deutsche Übersetzung, da die Übersetzerin Christine Blum etwas andere Sprachgewohnheiten hat als ich ("der Level" statt "das Level" (wobei das keine Kritik sein soll, beide ist korrekt) und das Wort "verpuscheln" kannte ich noch gar nicht). Das empfand ich als bereichernd.
Fazit: Für mich leider kein Highlight, aber ein Buch, das sich leicht liest, unterhaltsam und auch schön gruselig ist.
von Alais - 2024-02-21 11:01:00

Gerne mehr von Kimberley! - 5 Sterne

Kimberley Reynolds vom FBI ist "Peter Grant"-Leser*innen bestens bekannt. Nun legt ihr Erschaffer, Ben Aaronovitch, einen Kurzroman vor, in dem Kimberley Reynolds alleine ermittelt.

Es ist höchst interessant, Kimberley als Nicht-Praktizierende beim Ermitteln zuzusehen. Nach einem Anruf ihres pensionierten Vorgängers reist sie nach Wisconsin. Wie es an diesem Schauplatz ungefähr aussieht, verrät uns das schöne Cover, ein toller optischer Blickfang, dessen Bilder Vorfreude auf den Inhalt machen.

Es ist tiefster Winter und als wäre das noch nicht alles, hat ein Eistornado die halbe (fiktive) Stadt Eloise erwischt. Unerklärlich für die meisten Bewohner, nicht aber für uns Leser*innen - es muss etwas mit dem "abstrusen Scheiss", mit einem Falcon-Fall, zu tun haben.

Kimberley merkt schnell, dass hier mehrere Welten aufeinander treffen - und wohl eine uralte Geschichte dahinter stecken muss: die einer Expedition anno 1843, bei der mehrere Expeditionsteilnehmer verschollen sind. Doch zuerst geht sie dem nicht so spurlosen Verschwinden von Patrick Henderson nach. Mit Hilfe von Meteorologe William Boyd und anderen Figuren (und obwohl sie bis am Ende nicht weiss, wem sie vertrauen kann und wem nicht) deckt sie schlussendlich sämtliche Rätsel auf.

Dass Kimberley einen christlichen Background hat, passt perfekt zu den USA, auch das Gegenüberstellen der indigenen Bevölkerung mit der Magie praktizierenden Folly-Szene. Es macht die Hintergründe glaubhafter, insgesamt eine tolle Idee des Autors.

"Die schlafenden Geister des Lake Superior" ist enorm temporeich und fetzig. Letzteres manchmal sogar wortwörtlich, es gibt kaum ein paar Sekunden, in denen es ruhiger wird. Viel zu schnell ist dieser Kurzroman ausgelesen!

Fazit: Die Story hätte gerne länger sein können!
5 Punkte.
von Bücher in meiner Hand - 2023-05-21 14:34:00