Rezensionen

Das Land, von dem wir träumen
Roman

Autor: Anna Thaler

Erschienen 2022 bei Knaur eBook
ISBN 978-3-426-46242-3
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Alto Adige - 3 Sterne

Das Land von dem wir träumen, Historischer Roman von Anna Thaler, EBook, Knaur-Verlag
Auftaktband zur Südtirol-Saga
Zwei der Bruggmoser-Söhne sind im 1. Weltkrieg gefallen, die Italienisierung von Südtirol schreitet voran, Ludwig der Bruggmoser- Bauer passt sich der neuen Regierung an, er ändert seinen Namen in Ponte, das ärgert nicht nur seine Tochter Franziska, sondern auch seine Nachbarn und das ganze Dorf. Leopold der Hoferbe wird seine Eindrücke aus dem Krieg auch nicht mehr los und versucht mit Alkohol dagegen anzukämpfen, die Mutter wird mit dem Verlust ihrer Söhne nicht fertig und fällt in eine tiefe Depression. So hängt es an Franziska, der einzigen Tochter, den beiden Zwillingen Josepha und Johanna, entfernte Verwandte, und dem Knecht Wilhelm, den Hof zu halten.
Franziska hat Lehramt studiert, darf aber ihren Beruf nur in italienischer Sprache ausüben, Unterricht in deutscher Sprache und alles Deutsche ist verboten. Doch Franziska rebelliert gegen die Faschisten, in einem verlassenen Turm gründet sie eine illegale Katakombenschule.
Das Buch besteht aus 20 Kapiteln, passend zum Inhalt betitelt. Die Jahreszeiten mit Jahreszahlen teilen das Buch in diverse Teile von Frühjahr 1925 bis Februar 1928. Zu Beginn des Buches befindet sich ein hilfreiches Personenregister, auf welches ich am Anfang, öfters zurückgegriffen habe. Kursive dargestellt sind Gedanken und italienische Phrasen.
Ich habe mit schon eingehend mit der Geschichte Südtirols und auch den geheimen Deutschschulen beschäftigt, leider habe ich hier zu viel erwartet.
Franziska und ihre jüdische Freundin Leah, die Tochter eines jüdischen Goldschmiedes aus Meran, sind gut charakterisiert, bei ihnen war eine gute Weiterentwicklung erkennbar. Andere Figuren blieben leider im Dunkeln, besonders Wilhelm, der Knecht, der im angeblich im Bayrischen vor dem Krieg einen Bauernhof besaß, Leopold der Bruder und der Grund für seinen Alkoholmissbrauch, die Gründe ihres Vaters für die Bereitschaft sich ohne Bedenken italienisieren zu lassen, das hat mir gefehlt. Auch die Zwillinge Johanna und Josepha sind mir fremd geblieben. Da hätte ich mir mehr Informationen gewünscht, so dümpelt das Buch zu zwei Dritteln dahin, um im letzten Drittel endlich spannend zu werden. Als die Mutter am Ende für eine überraschende Wendung sorgt, hat das Buch enorm an Tempo zugenommen. Die Ereignisse haben sich geradezu überschlagen. Auch der geheime Unterricht konnte für mich keine Spannung erzeugen. Jederzeit war es aber möglich, dem Plot zu folgen. Dieser erste Teil ist mir insgesamt wie ein endloses Vorwort zur gesamten Trilogie vorgekommen, trotzdem sind die Personen nicht genügend charakterisiert worden. Ich hoffe jedoch, dass es in den anschließenden Bänden so rasant weitergeht, wie Band eins geendet hat. Viele Geschehnisse ( z.B. Flugblätter ) sind ohne weitere Verwicklungen im Sande verlaufen.
Gefehlt hat mir auch die bildmalerische Beschreibung des Settings, da ich das Passeier- und das Etsch-Tal als eine der schönsten Flecken auf Erden schätze, wobei das Buch mit den Worten angepriesen wird, dass die Autorin selbst ihr Herz an die wunderschöne Natur Südtirols verloren hat. Davon habe ich nicht viel bemerkt.
Dadurch, dass das Buch so vielversprechend endet, werden ich auch den nächsten Teil der Südtirol-Saga lesen, interessante Verwicklungen sind auf alle Fälle vorprogrammiert. Da ist noch Luft nach oben. Von mir 3 Sterne.
von Ele - 2022-08-15 12:14:00

Penibel recherchiert und fesselnd erzählt - 5 Sterne

Dieser historische Roman entführt uns in das Südtirol von 1925. Das ehemals zu Österreich-Ungarn gehörende „Welschtirol“ ist seit dem Ende des Ersten Weltkrieges Teil Italiens. Der Hass auf den „reichen, deutschen“ Norden hat gravierende Auswirkungen: Die Faschisten verbieten den Südtirolern, deutsch zu sprechen, die Namen müssen italianisiert werden. So wird aus Brugger (und seinen Komposita) Ponte. Amtssprache ist italienisch, wer in der Öffentlichkeit deutsch spricht, wird bestraft. Deutschsprachige Lehrkräfte erhalten Berufsverbot, was aber einige, wie unsere Protagonistin Franziska Bruggmoser nicht abhält, heimlich in einer Katakombenschule die Südtiroler Lebensart weiter zu geben.

Soweit der historische Hintergrund. Die Italianisierung Südtirols hat allerdings nicht nur Gegner. Franziskas Vater Ludwig Bruggmoser, nunmehr Luigi Ponte, erhofft sich Erleichterungen, wenn er sich dem Diktat der Regierung beugt. Damit bringt er nicht nur seine Tochter, sondern auch die meisten der Dorfbewohner auf. Niemand im Dorf nimmt ihm seine landwirtschaftlichen Produkte ab. Der Bauernhof schlittert in eine gefährliche finanzielle Schieflage. Franziska ist einfallsreich und versucht mit der Eröffnung einer Jausenstation, den Verkauf der Landwirtschaft zu verhindern, während der Bruder, der traditionell als Hoferbe vorgesehen ist, sich dem Alkohol hingibt. Letztendlich wird Luigi Ponte zwischen allen Stühlen sitzen, denn Franziskas Deutschunterricht wird von ihrem nichtsnutzigen Bruder an die Behörden verraten.

Meine Meinung:

Dieser fesselnde historische Roman beschäftigt sich nicht nur mit der Italianisierung Südtirols, sondern bietet einen Einblick in die traditionelle Welt der ländlichen Bevölkerung. Mädchen wird selten höhere Bildung zugestanden, die Erbhöfe fallen ausschließlich an den erstgeborenen Sohn, egal ob er ein Genie oder ein Trottel ist. Die anderen Geschwister haben wenig Auswahl: entweder als ausgenützte, weil unbezahlte Arbeitskraft bleiben oder den Hof und die Heimat verlassen. Die Mädchen werden „gewinnbringend“ verheiratet und verbessern ihre Situation oft nur unwesentlich.

Franziska wehrt sich mit allen Mitteln verschachert zu werden, trotzt den italienischen Behörden, indem sie eben deutsch unterrichtet. Interessant auch der Seitenblick auf die kleine Gruppe jüdischer Handwerker.

Franziska (und viele Südtiroler) träumen nach wie vor vom deutschsprachigen Südtirol, einem Land, das es nicht mehr gibt. Vater Bruggmoser/Ponte hat das frühzeitig erkannt, nützen wird es ihm nichts.

Gut gefallen mir die penible Recherche und der eindringliche Schreibstil. Die Figuren sind lebendig, haben ihre Ecken und Kanten. Natürlich ist den Lesern der oder die Eine sympathischer als der oder die Andere. Die widersprüchlichen Reaktionen mancher Protagonisten wirken authentisch.

Sehr gut ist die Stimmung zwischen den Menschen eingefangen. Man weiß nicht mehr, wem man trauen kann. Die Risse gehen durch die Familien. Das wird sich in wenigen Jahren noch verstärken, wenn die Nazis die „deutschen“ Südtiroler „heim ins Reich“ holen wollen und ihnen das Blaue vom Himmel versprechen. Doch das „Dableiben“ oder „Aussiedeln“ ist Gegenstand des nächsten Bandes dieser Familiensaga, auf den ich mich schon sehr freue.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem gut recherchierten und fesselnd erzählten historischen Roman 5 Sterne.
von Bellis-Perennis - 2022-05-26 07:11:00

Sehr interessant - 5 Sterne

Zum Inhalt:
Auch in Südtirol hat der 1. Weltkrieg Wunden hinterlassen. Söhne kehrten nicht zurück nach Hause, wie auch in der Familie Bruggmoser. Die Regierung veranlasst unter anderem auch Namensänderungen und so werden die Bruggmoser zu Ponte, was nicht nur Tochter Franziska aufbringt. Tochter Franziska beschreitet gerade eh einen sehr gefährlichen Weg, sie erteilt heimlich Deutschunterricht
Meine Meinung:
Eigentlich ein Roman, aber für mich auch ein stück weit Geschichtsunterricht, denn so richtig war mir die Geschichte um den Umbruch in Südtirol überhaupt nicht bekannt. Das allein hat mir schon sehr gut gefallen. Aber auch die Geschichte an sich war richtig gut und ich bin überrascht, wie gut mir das Buch gefallen hat. Das Cover deutete eher auf eine etwas seichtere Geschichte hin, ist es aber nicht. Mir hat auch der Schreibstil sehr gut gefallen. Das Buch liest sich enorm gut.
Fazit:
Sehr interessant
von brauneye29 - 2022-04-08 10:50:00