Rezensionen

All das zu verlieren
Roman

Autor: Leila Silmani

Erschienen 2021 bei btb
ISBN 978-3-442-71969-3
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Leben am Abgrund - 5 Sterne

Eine Frau (Adèle) taumelt dem Abgrund ihres Lebens entgegen. Es ist ihr völlig bewusst. Dennoch kann sie sich nicht gegen ihre Triebe, die ihr Leben beherrschen, stellen.
Was für ein Buch! Es zu lesen schmerzt. Ich mag mir kaum vorstellen, was diese Frau alles durchmacht. Andererseits schafft Adèle es vielleicht, sich aus dieser Spirale zu befreien.
Einmal begonnen, konnte ich dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Empfehlung!
von HEYN Leserunde Manuela Meierhofer - 2024-01-16 14:41:00

All das zu verlieren - 5 Sterne

Madame Bovary, Anna Karenina, Effie Briest. Frauen, die in der Literatur sich durch ihren Ehebruch namenhaft gemacht haben. Die Konsequenzen waren brutal. Aber es waren Männer, die ihnen ihre Stimme verliehen. Doch was denkt Frau wirklich, wenn sie solche Taten vollzieht? Was ist die Motivation? Welche Gefühle gewinnen die Oberhand? Leila Slimanis Debütroman, der nun ins Deutsche übersetzt wurde, lässt sich mit solchen Größen durchaus vergleichen. Sie erzählt von der inneren Zerrissenheit Adèles, einer Frau, die alles hat - einen Arzt als Mann, einen süßen Jungen, einen tollen Job als Journalistin, eine Wohnung in Paris. Dennoch ist Adèle nicht glücklich. Sie flüchtet zu ihrem Liebhaber anstatt zur Arbeit zu gehen, sie lässt ihren Sohn alleine zuhause, um die nächste Bekanntschaft in einer Bar anzutreffen, sie belügt ihren Mann mit einer Raffinesse, die man nur beneiden kann, um sich für einige Stunden in den Armen eines Fremden davonzustehlen. Wir wollen sie nicht verstehen, tun es aber doch. Dann wieder nicht. Es ist eine Geschichte, in der man sich selbst fragt, auf welcher Seite man steht. Je näher man dem Ende kommt, umso unbefriedigter wird man selbst. Man spürt die Leere. Eine Leere, die an Adèles erinnert. Ein Roman, der nicht nur in einer brillanten Weise über das Innere einer Frau erzählt, sondern auch ganz still an der Gesellschaft Kritik ausübt.
von Aleksandra Dimoska - 2021-02-15 15:15:00