Rezensionen

Babel
Roman

Autor: Kenah Cusanit

Erschienen 2019 bei Hanser
ISBN 978-3-446-26165-5
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Nominiert für den Leipziger Buchpreis: Dieses Buch hat das Zeug zum modernen Klassiker! - 5 Sterne

BABEL ist weniger ein Roman über die archäologischen Ausgrabungen von Babylon selbst, sondern eine Mischung aus Erzählung über den Archäologen Robert Koldewey und Kritik an der sogenannten kolonialen Raubkunst. Fast die Hälfte des Romans verbringt Koldewey in seinem Zimmer und leitet die Ausgrabung, schreibt Briefe, streitet sich mit seinen Untergebenen und leidet an seiner vermuteten Blinddarmerkrankung.

BABEL mag auf ersten Blick ziemlich trocken wirken, wie die Umgebung, die Cusanit als Drehpunkt für ihren Roman ausgewählt hat. Tatsächlich aber verhält es sich, wie auf einer archäologischen Ausgrabung, je mehr man liest, desto mehr stoßt man auf Schichten von philosophischen Gedanken, schwer zu enziffernder Symbolik, humorigen und schon fast slapstickartigen Auseinandersetzungen zwischen Koldewey und seinen Untergebenen.
Höchst ansprechend fand ich Cusanits Schreibstil, da er durch ständigen Wechsel zwischen Briefen, Listen und Dialogen aufgefrischt wird. Manchmal finden sich auch Bilder zu den Personen oder zu der Ausgrabung, was desweiteren hilft, sich in die damalige Welt zu vertiefen.

Was meiner Meinung nach den Roman überhaupt erst richtig interessant und lesenswert gemacht hat, war die, manchmal etwas überspitze, Ruchlosigkeit und die gnadenlose Unverständnis von Koldewey gegenüber seinem Untergebenen Buddensieg. Koldewey lässt keine Gelegenheit aus, ihn nach Strich und Faden zu veräppeln. In Gertrude Bell finden wir einen weiteren höchst interessanten Charakter, eine Abenteurerin, die schlussendlich dafür sorgte, dass die archäologischen Funde ihren Weg in die deutschen Museen fanden, auch wenn sie der englischen Krone treu und eine Spionin war.

Ich empfehle dieses Buch jedem, der sich mit dem Thema Archäologie und Geschichte auseinandersetzen will, da der Roman gut beschreibt, wie es damals war, sich als Archäologe zu verdingen. Jeder Liebhaber der hochwertigen Literatur, aber auch Leser, die die humorige Komponente nicht missen wollen, sollten auf dieses moderne Meisterwerk zurückgreifen.
von Johannes Bodemann - 2019-03-18 15:08:00