Rezensionen

Auszeit
Roman

Autor: Hannah Lühmann

Erschienen 2021 bei hanserblau
ISBN 978-3-446-26195-2
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Auszeit - 5 Sterne

„Der Tag, den dem ich in die Klinik fuhr, um mein Kind abzutreiben (…), war einer dieser Tage, an denen ich dachte, dass es möglich gewesen wäre, ein anderes Leben zu führen. (…) Ich kann immer noch nicht glauben, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist, dass ich immer noch keine Ahnung habe, was ich will.“
Henriette ist Ende zwanzig, als sie sich eine „Auszeit“ nimmt, um ihr Leben zu überdenken. Während all ihre Freunde und Bekannten längst „angekommen“ sind, wie man so schön sagt, mitten im Berufsleben stehen und auch privat einigermaßen glücklich wirken, ist sie immer noch, seit Jahren schon, mit ihrer Doktorarbeit „Der Werwolf und seine Kulturgeschichte“ zugange.
Sie wollte nie promovieren, aber dann hat sie mit allem so lange gebraucht, dass es ihr als das einzig Sinnvolle erschien, weiterzumachen. Sie konnte ihren Fehler nicht zugeben, sie konnte die Jahre nicht rückgängig machen, also konnte sie nicht aufhören.
Und seitdem dieses Jahr begonnen hat, kommt es ihr so vor, als sei alles, was ihr bisher passiert ist, nur Zufall. Sie weiß, dass es nicht reicht, darauf zu warten, dass die Dinge fertig werden; sie weiß, dass sie endlich Entscheidungen treffen muss, auch wenn es vielleicht die falschen sind.
Ihr zur Seite steht ihre langjährige Freundin Paula, und so ist "Auszeit" nicht nur die Geschichte einer jungen Frau an einem Wendepunkt ihres Lebens, sondern auch die Geschichte zweier Freundinnen und des bittersüßen Endes dieser Freundschaft.
von Maxie Bantleon - 2021-11-05 13:46:00

Über das Hadern mit den eigenen Lebenszielen - 4 Sterne

In „Auszeit“ beschreibt Hannah Lühmann die Ratlosigkeit einer Generation um die 30, in der die Protagonistin ungewollt schwanger wird, ihr Baby abtreibt, seit langer Zeit an ihrer Doktorarbeit schreibt, aber nicht so recht weiß, was sie will, was ihr wichtig ist und wo ihr Leben hinführt. Eine Handlung gibt es kaum, vielmehr eine Beschreibung der Vorgeschichte und schließlich die Schilderung des Aufenthaltes in einem Ferienhaus im Wald mit ihrer Freundin Hanna. Das hat es aber in sich: Hanna Lühmann schafft es unglaublich gut, die innere Zerrissenheit von Henriette darzustellen und förmlich spürbar zu machen - stets irgendwo zwischen Ratlosigkeit, Selbstzweifel, Selbstmitleid und Verzweiflung. Gerade zu Beginn habe ich etwas gebraucht, um reinzukommen, auch ist es kein Buch, das einen im klassischen Sinne fesselt - nichtsdestotrotz ist es aber eines, das einen zum Nachdenken bringt. Die Exkurse zu Henriettes Dissertationsthema, einer Abhandlung über Werwölfe, waren mir oftmals zu ausführlich, da dies keinen Mehrwert brachte, zudem kam das Ende etwas plötzlich. „Auszeit“ behandelt auf jeden Fall ein wichtiges Thema, die Umsetzung ist sicherlich Geschmacksache.
von melanie82 - 2021-09-17 14:56:00

Schräg - 3 Sterne

Henriette weiß nicht, wohin mit sich und ihrem Leben. Nach einem Schwangerschaftsabbruch ist sie vollends aus der Bahn geworfen. Ihre Freundin Paula hingegen, ist mit sich im Reinen und immer an Henriettes Glück interessiert. Also nimmt sie Henriette für eine Auszeit mit in eine Hütte nach Bayern.

Die Geschichte ist schnell gelesen. Zum einen hat das Buch nur knapp 200 Seiten und zum anderen scheint nicht viel zu passieren innerhalb dieser. Doch das was passiert ist bewegend und teilweise irritierend. Die Beziehung zwischen den beiden Freundinnen wirkt verschoben, nicht im Gleichgewicht. Die Charaktere sind auf Dauer auch etwas anstrengend, fast ein bisschen zu extrem in ihrer Art. Henriette überschattet mit ihrer melancholischen Stimmung das Geschehen, ihre drögen Gedanken nehmen einen großen Raum ein. Hinzu kommen sexuelle/erotische Anteile in der Erzählung, die deplatziert wirken. Das Ende ist umso irritierender. Das war nicht zu erwarten. Schräg ist auch, wie sich die Charaktere entwickeln. Doch vielleicht macht so auch alles einen Sinn.
Immerhin ist der Text sehr ansprechend geschrieben, so klar und teilweise gezielt vernebelnd. So bleiben den Lesenden diverse Deutungsmöglichkeiten.

Ein anspruchsvoller Roman, der die Extreme sucht und ratlos zurück lässt.
von Marianna T. - 2021-07-29 18:50:00

Das ewige Hadern einer übersättigten Generation - 3 Sterne

Dieser Roman trifft einen Nerv der Zeit für eine Generation, die nun so ganz langsam in ihrer Lebensmitte ankommt. Hannah Lühmann, eine junge dynamische Feuilletonistin unserer Zeit, schreibt mit ihrem schmalen Debüt ein Roman, der stellvertretend steht für all die sich Suchenden und Sinnsuchenden, die viel mit sich selbst beschäftig sind. ‚Auszeit‘ hat keine große Handlung, ist kein packender Roman. Ganz sacht und nach innen gekehrt, sitzen wir als Leser:in mit den beiden Protagonistinnen in einem Haus im Wald und haben teil an ihren ganz persönlich großen Fragen des Lebens. Klar, im Grunde eine sehr persönliche Sache, aber erstaunlicherweise eint viele der Drang einen Mehrwert zu bieten, etwas zu arbeiten, dass Sinn macht, sich achtsam in der Welt zu bewegen und was hinterlässt man oder wen? Aber immer sehr Ich-bezogen.
Gebettet ist dies in die Geschichte der Henriette, die soeben abgetrieben hat und mit ihrer Dissertation nicht vorankommt. Diese Arbeit beinhaltet das Thema Werwölfe, was wie ein ungewollte Auffrischung zum restlichen Text anmutet. Unterstütz von Paula, ihrer bester Freundin, nehmen sich beide eine Auszeit vom Leben um Henriette wieder auf die Spur zu bringen. Und so kreisen die beiden hier fortwährend um sich selbst.
Hannah Lühnmann schreibt klar ohne Schnörkel, fast ein wenig zu faktisch für solch ein emotionalen Brocken. Aber durchaus gelungen. Sprachlich trau ich der Autorin noch viel zu, Potenzial zu noch bessere Romanen lässt sich durchaus erkennen! Dieses ist kein großer Wurf, daher kann ich keine große Empfehlung aussprechen.
von nil_liest - 2021-07-28 20:50:00

Auszeit - 5 Sterne

Eigentlich sollte sie mit 30 endlich wissen, wie ihr Leben mal aussehen soll. Zur Zeit fließt gar nichts: die Abschlussarbeit, an der sie seit Jahren arbeitet, würde sie am liebsten kübeln, sie hat sich für eine Abtreibung entschieden und somit auch die Beziehung beendet. Gut dass Henriette, der alles zu gelingen scheint, sie in eine abgelegene Waldhütte mitnimmt. Das Ende ist teilweise schön erotisch, und teuflisch raffiniert.

von Barbara Kumpitsch - 2021-07-27 14:03:00

Zu wenig Substanz - 2 Sterne

Henriette fällt nach einer Abtreibung in eine Depression. Ihre patente Freundin Paula hat die gute Idee, mit ihr gemeinsam eine Woche in einer Hütte zu verbringen. Eine Auszeit, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Das scheint zwischendurch auch gut zu klappen. Henriette schreibt sogar an ihrer Dissertation, die eine Kulturgeschichte der Werwölfe zum Thema hat (irgendwann ist das der spannendste Part im Roman!). Doch schnell wird klar, Henriettes Probleme kommen nicht nur von der Abtreibung. Sie war schon immer so, konnte sich nicht begeistern, konnte sich nicht entscheiden, hatte keine Energie. Die depressive Stimmung beherrscht sie ihr ganzes Leben, professionelle Hilfe hat sie sich nie gesucht. Kurz dachte sie, ein Kind könnte die Rettung sein und treibt dann trotzdem ab. Sie kreist nur um sich, sieht ihre Freundin Paula nicht. Das wird mit den Seiten immer mühsamer, irgendwann nervt es nur noch.
Das Ende kann ich hier nicht verraten, aber ja, Henriette ist eine heillose Egoistin und das, was sie dann aus ihrer Lethargie reißt ist völlig unrealistisch.
Sprachlich fand ich den Erzählton nicht schlecht, aber der Roman hat einfach insgesamt zu wenig Substanz als dass ihn das retten könnte. Selbst für die wenigen Seiten reicht die Geschichte einfach nicht aus.
Ein Roman, der nicht schlecht beginnt, aber immer mehr stecken bleibt. Muss man definitiv nicht lesen!
von Petris - 2021-07-25 08:06:00

Zu wenig Substanz - 2 Sterne

Henriette fällt nach einer Abtreibung in eine Depression. Ihre patente Freundin Paula hat die gute Idee, mit ihr gemeinsam eine Woche in einer Hütte zu verbringen. Eine Auszeit, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Das scheint zwischendurch auch gut zu klappen. Henriette schreibt sogar an ihrer Dissertation, die eine Kulturgeschichte der Werwölfe zum Thema hat (irgendwann ist das der spannendste Part im Roman!). Doch schnell wird klar, Henriettes Probleme kommen nicht nur von der Abtreibung. Sie war schon immer so, konnte sich nicht begeistern, konnte sich nicht entscheiden, hatte keine Energie. Die depressive Stimmung beherrscht sie ihr ganzes Leben, professionelle Hilfe hat sie sich nie gesucht. Kurz dachte sie, ein Kind könnte die Rettung sein und treibt dann trotzdem ab. Sie kreist nur um sich, sieht ihre Freundin Paula nicht. Das wird mit den Seiten immer mühsamer, irgendwann nervt es nur noch.
Das Ende kann ich hier nicht verraten, aber ja, Henriette ist eine heillose Egoistin und das, was sie dann aus ihrer Lethargie reißt ist völlig unrealistisch.
Sprachlich fand ich den Erzählton nicht schlecht, aber der Roman hat einfach insgesamt zu wenig Substanz als dass ihn das retten könnte. Selbst für die wenigen Seiten reicht die Geschichte einfach nicht aus.
Ein Roman, der nicht schlecht beginnt, aber immer mehr stecken bleibt. Muss man definitiv nicht lesen!
von Petris - 2021-07-25 08:05:00

Auszeit - 3 Sterne

Anhand des Klappentextes habe ich mich, selbst beinahe zur "Generation um die Dreißig" zugehörig, dem Inhalt des Buches seltsam nah gefühlt. Nachdem ich das Buch gelesen habe, bin ich zu Henriette, der Protagonistin, distanzierter denn je. Mit seinen 176 Seiten ist das Buch eher schmal und lässt sich gut innerhalb weniger Stunden auslesen. Der Schreibstil liest sich angenehm. Die Sprache ist klar und auf den Punkt, ausschweifende Umschreibungen findet man hier nicht.

Ich habe eine weniger egozentrische Protagonistin erwartet und mehr gesamtgesellschaftliche Bezüge. Stattdessen werde ich als Leserin in den Gedankenstrudel von Henriette geworfen, der sich ausschließlich um sie selbst dreht. Sie schafft es nicht, ihre Gedanken von sich selbst zu lösen und scheint somit sehr unreflektiert und ziellos. Diese Auszeit ist auch seltsam rastlos - was sicher als eine Analogie zu eben jener Generation gewertet werden kann. Die vielen angerissenen Themen, die allesamt oberflächlich bleiben, haben mich jedoch eher irritiert als zufrieden zurückgelassen, auch die eigentliche Hauptthematik des verlorenen Kindes wird nur angerissen. Henriette wird deutlich von einer inneren Unruhe und Rastlosigkeit getrieben, welche sich auch in der Handlung des Buches zeigt. Sie ist keine Protagonistin, mit der ich mich identifizieren konnte. Auch Freundin Paula ist zu einem extremen Gegenpol dazu charakterisiert, so dass auch sie unwirklich scheint.
Die Handlung tröpfelt dann vor sich hin, nimmt zum Ende hin Fahrt auf und endet überraschend. Ich habe das Buch schon vor einigen Tagen beendet und mehr als eine difusse Verwirrung ist nicht zurückgeblieben. Schade, denn die Thematik bietet viel Raum für Tiefgang.
von CanYouSeeMe - 2021-07-22 09:35:00

Ein stiller Roman - 4 Sterne

Schon seit einer ganzen Weile schreibt Henriette an ihrer Dissertation, oder besser: sie sollte daran schreiben. Denn sie komm nicht wirklich voran, ihre Arbeit scheint ihr abwechselnd faszinierend und völlig belanglos, es findet sich einfach kein roter Faden, dem sie folgen kann. Dann wird sie schwanger, und obwohl sie anfangs große Gefühle hegt für dieses Kind in ihr und sich sehnlich eine Tochter wünscht, treibt sie das Baby ab. Später reist sie mit einer Freundin in eine abgelegene kleine Hütte, um dort wieder zu Atem zu kommen.

Letzteres, der Aufenthalt in der Hütte, ist der Ausgangspunkt der Geschichte; von dort aus eröffnet der Roman dem Leser nach und nach Einblicke in die Vergangenheit, das Puzzle setzt sich langsam zusammen. Viel Handlung gibt es nicht, es ist mehr die Atmosphäre, welche die Autorin kreiert hat, die den Roman auszeichnet. Die Stagnation in Henriettes Leben, ihre Depression, all das spiegelt sich in der Sprache und der Erzählweise wider und wird auf diese Weise nachempfindbar gemacht. Ich konnte mich auch tatsächlich sehr gut hineinfühlen in die Geschichte, das Buch aufzuschlagen war jedes Mal, als senke sich eine dichte Wolke auf einen herab. Alles wirkt merkwürdig gedämpft, fast wie durch Watte hindurch und in Zeitlupe, oder so als sei man noch halb im Schlaf. So wurden die Gefühle und Gedanken der Protagonistin sehr gut transportiert.

Während Henriette in der sie plötzlich umgebenden Ruhe der Hütte versucht, ihrer Depression zu entkommen, sich endlich darüber klar zu werden, was sie möchte, welcher Weg der richtige für sie ist, liest man parallel dazu davon, wie es zu dieser Situation kam, zu ihrer Schwangerschaft, über die sie sich erst freute und die sie am Ende verzweifeln ließ.

Am Ende hat mir dann doch noch das entscheidende Fünkchen gefehlt, davon abgesehen habe ich die Stille des Romans aber sehr genossen.
von Anna625 - 2021-07-21 18:24:00

Ermüdend - 2 Sterne

Auf das Buch habe ich mich sehr gefreut, das ausdrucksstarke Cover und der interessante Klappentext, ich war mir sicher, dass es ein Buch für mich ist - über die nicht einfache Zeit der um die dreißig-Jährigen.

Nun ja. Henriette hat eine Abtreibung hinter sich und fährt mit ihrer Freundin in eine einsame Hütte irgendwo in Bayern.
Dort sinniert sie über ihr Leben - ihre immer noch nicht fertige Doktorarbeit und natürlich die Abtreibung. Henriette bleibt für mich völlig blass - sowohl in ihrer Trauer um ihr ungeborenes Kind als auch in allen anderen Bereichen. ich konnte überhaupt keine Beziehung zu der Figur aufbauen.


Mit ihr ist Paula anwesend und quasi das Gegenteil. Immer tatkräftig, bemutternd, bestimmend, auf ihre Art genauso nervig. Auch was Paula fühlt, kann ich nur erahnen.

Dann gibt es noch immerwährende Wiederholungen zur nicht abgeschlossenen Doktorarbeit mit dem Thema "Der Werwolf und seine Kulturgeschichte", ohne dass sich mir erschließt, was das jetzt für die Handlung für eine Relevanz hätte.

Ich habe mich schon etwas durch das Buch gequält und obwohl es nur schlanke 172 Seiten hat, habe ich ziemlich lange dafür gebraucht.

Am Ende gab es noch einen interessanten Schwenk, aber insgesamt war das leider nicht mein Buch.
von Marie aus E. - 2021-07-21 17:45:00