Rezensionen

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Roman

Autor: Doris Knecht

Erschienen 2023 bei Hanser Berlin
ISBN 978-3-446-27803-5
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Loslassen und Weglassen - 4 Sterne

Schon der Titel hat mir in seiner Widersprüchlichkeit gefallen – ein Augenzwinkern in Buchstabenform!
Das hat mich neugierig gemacht, auch wenn dieses Setting „alleinerziehende Mutter, die sich mit dem Erwachsenwerden ihrer Kinder in jeder Hinsicht neu orientieren muss“ nicht zu meinen persönlichen Lebenserfahrungen gehört Aber deshalb liest man ja – um das eigene Leben zu erweitern!
Für die Protagonistin ist es eine Zeit der Neuordnung – in episodenhaften Erzählungen wird Vergangenes geordnet und Zukünftiges organisiert. Manchmal schwingt Wehmut mit, aber meist ist es ein sehr humorvolles Buch. Kein aufdringlicher Witz sondern eher ein durch Lebenserfahrung gestärkter Humor, der schmunzeln lässt und wo man sich denkt „Ja eh... genau so ist es...“

Sehr persönliche Geschichten, aber Doris Knecht verhindert allzu argen Voyeurismus, denn in vielen beschriebenen Situationen, Erlebnissen, in so manchen Anekdoten findet man sich selbst wieder. Und ich vermute, dass es nicht nur mir so gegangen ist! Das ist die erstaunliche Qualität dieses Buches: es ist amüsant, schrullig, philosophisch, einfühlsam und klug - so wie wir Leserinnen nun mal sind ;-)

Fazit: gute Unterhaltung mit Tiefgang! Also ein Buch, das man keinesfalls weglassen sollte!
von MiriamBrandl - 2023-11-30 16:03:00

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe - 5 Sterne

„Ich habe beschlossen, über mein Leben zu schreiben, mein Aufwachsen und mein Fortgehen, und schon ist es ein Krampf.“

Bei den Familienmitgliedern stößt diese Idee auf wenig Gegenliebe. Die Mutter der namenlosen Ich-Erzählerin bekommt sofort ihre Sorgenaugen und weiß, dass die Tochter sich mitunter falsch erinnert, dass sie Dinge krasser in Erinnerung hat, als sie in Wirklichkeit waren. Auch die Tochter Luzi will in diesen Texten nicht vorkommen, das sagt sie schon seit Jahren und immer wird ihr Wunsch ignoriert.

„Gut, okay, dann hat die Hauptfigur halt ein anderes Kind.“
„Eins, das ganz zufällig genauso ist wie ich“, sagt Luzi. Sie wirkt verärgert.
„Nein, ich mache ihr einen Sohn“, sage ich, „einen, der ganz anders ist als du.“
„Gefällt mir nicht“, sagt Luzi.
„Naja, sorry“, sage ich, „aber dich gibt es gar nicht mehr.“

Sätze und Dialoge wie diese sind es, die diesen Roman so großartig und so amüsant machen!
In vielen, kurzen Kapiteln lässt die Erzählerin ihr Leben Revue passieren.
Es ist die Geschichte einer Überempfindlichen, von einer, die immer mehr spürt als andere, den Blick voller Misstrauen, aufgewachsen mit vier jüngeren Schwestern (2x Zwillinge!), gegen die sie ihrer Meinung und Erinnerung nach nie angekommen ist, denen gegenüber sie immer benachteiligt war, was natürlich alle, die Eltern und die Schwestern, vehement bestreiten.
Diese Diskussion kennen wir alle, die wir jüngere Geschwister haben, doch vermutlich auch!

Ob tatsächlich ein Stückchen von Doris Knecht in der Geschichte steckt, sei dahingestellt, ich selbst konnte mich in dieser Frau Anfang/Mitte fünfzig des Öfteren wiederfinden.
Der Dialog zwischen Mutter und Tochter am Telefon ließen meine Mutter und mich, als ich ihn ihr vorgelesen habe, in wahre Lachkrämpfe ausbrechen. Doris Knecht versteht es wirklich meisterhaft, alltägliche und vertraute Situationen zu Papier zu bringen. Nachzulesen auf Seite 53 – 55, was Sie beim nächsten Besuch in der Tyrolia unbedingt tun sollten.
Wenn dann diese Szene für Sie nicht ausschlaggebend ist, das Buch sofort zu kaufen, dann weiß ich auch nicht weiter…
von Maxie Bantleon - 2023-11-22 00:05:23

Wieder allein - 4 Sterne

Eine Frau, deren erwachsenen Kinder ausgezogen sind und die sich neu finden muss.
Die Wohnung ist zu groß und nicht mehr bezahlbar, daher muss sie sich verkleinern und nimmt dies zum Anlass sich von Dingen zu trennen.

Eine Geschichte aus der Ich-Perspektive. Mag ich normal nicht so gerne, aber auf das Buch war ich trotzdem neugierig weil ich mich gerade am anderen Ende der Story befinde, als Erwachsene ausziehen. Die Ich-Erzählerin, deren Namen man während der ganzen Geschichte nicht erfährt, räumt auf. Und dabei verliert sie sich manchmal im Detail und es scheint oft unzusammenhängend und fad, dennoch hat es mich irgendwie trotzdem bei der Stange gehalten. Die Frau, mangels Namen muss ich sie so nennen, erinnert sich an verschiedene Momente als Mutter, als Tochter, als Frau. Manchmal konnte ich trotz Anstrengung nicht wirklich folgen was sie jetzt eigentlich sagen wollte. Es war für mich manchmal etwas schwierig, aber trotzdem meistens unterhaltsam.
von _ich.lese_ - 2023-10-01 18:30:00

Frau und Mutter am Wendepunkt - 4 Sterne

In "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" lässt Doris Knecht sich die Ich-Erzählerin mit dem Älterwerden und den damit einhergehenden Veränderungen beschäftigen.
Die inzwischen erwachsenen Kinder ziehen aus und sie steht an einem Wendepunkt in ihrem eigenen Leben.
Die alte, zu große Wohnung muss gegen eine kleinere getauscht, viele Dinge aus dem alten Leben mit in das Neue genommen werden.
In Selbstbetrachtung setzt sie sich mit den verschiedenen Rollen, die sie in ihrem bisherigen Leben eingenommen hat, auseinander.
Als Mutter und Ehefrau und nicht zuletzt als Tochter und Schwester.
Doris Knecht erzählt bildhaft, witzig und mit einer gehörigen Portion Selbstironie der Protagonistin.
Kurze, knackige Kapitel machen das Buch zu einem echten Lesevergnügen und das bunte, süße Cover ist DER Hingucker schlechthin.
von Mabla59 - 2023-08-14 13:08:00

Ein neuer Lebensabschnitt - 3 Sterne

Die namenlos gebliebene Protagonistin steht an einem Scheideweg. Der Mann ist weg; die Kinder haben das Abitur gemacht, Zwilling, und werden ausziehen; das Eine möchte, das andere Kind macht es auch. Damit verbunden steht dann ein Auszug an, denn alleine kann sie die Wohnung nicht mehr halten und außerdem ist sie auch zu groß für sie. Sie ist Mitte 50, reflektiert ihr Leben und es gibt im Text immer wieder Rückblicke. Sie vergleicht sich mit ihren Schwestern, fühlt sich unzulänglich, aber später im Buch dann doch wieder weniger.
Ein Buch, das mich ebenfalls sehr zum Nachdenken gebracht hat und zwischendurch musste ich auch lachen, als es zum Beispiel um die Geschichte mit dem Pass ging.
Ein Buch, das mit seinen 240 Seiten nicht sehr lang ist, aber dennoch war es lang genug, um diese Geschichte zu Ende zu erzählen.
Ein Buch, das eine Entwicklung durchmacht, das seine Leser aber durchaus fordert.
von Gavroche - 2023-08-13 20:42:00

Rückblicke und ein Neuanfang - 5 Sterne

„Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ ist ein Roman von der Autorin Doris Knecht, der das Leben aus einer ungewöhnlichen und gleichzeitig alltäglichen Perspektive beschreibt .

Die Protagonistin ist eine alleinerziehende Mutter von Zwillingen, die gerade im Begriff sind auszuziehen. Ihre Wohnung wird zu groß und zu teuer, sie muss sich verkleinern, von vielen Dingen trennen und mit ihrem Umzug beschäftigen. Zwischen diesen Ereignissen erinnert sie sich an ihre Kindheit, ihre Jugend und ihre Zeit als Mutter. Mal sind es ganz belanglose Dinge, die da zu Tage kommen und mal sind es sehr emotionale Erinnerungen.

Die Autorin schreibt aus der Ich-Perspektive der Protagonistin. Dabei bleibt offen, was hier authentisch und was fiktiv ist, aber die Parallelen zur Autorin sind offensichtlich.

Die Kapitel sind kurz und thematisch vollkommen unterschiedlich. Es sind Auszüge aus einem alltäglichen Leben. Ganz unaufgeregt und mit einer unterhaltsamen Portion Humor, zum Teil ein wenig überspitzt und selbstironisch berichtet die Autorin die Erlebnisse so authentisch, dass ich richtig gefesselt war, obwohl eigentlich nichts wirklich Spannendes passiert ist. Vielleicht lag es daran, dass ich vieles in den Rückblicken so oder auf eine ähnliche Art und Weise auch erlebt habe. Bei mir kamen jedenfalls eine Menge Erinnerungen hoch, die mich nachdenklich auf mein bisheriges Leben zurückblicken lassen.

Mich hat dieser episodenhafte Roman über eine Frau, die in der Mitte ihres Lebens steht, über Chancen, Veränderungen, das Loslassen, Einsamkeit, Neuanfang, das Muttersein und vieles andere nachdenkt, richtig gut unterhalten.


von Tara - 2023-08-11 14:46:00

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe - 5 Sterne

Neben ihren Schwestern war sie immer die Unsichtbare, die sich nach Unterstützung gesehnt hat. Als alleinerziehende Mutter ist ihr Leben nun an einem Wendepunkt. Die Kinder ziehen aus und sie beginnt das Leben neu zu sortieren. Somit tauchen auch viele Fragen zu ihr selbst auf, die schwer zu beantworten sind.
von Doris Stadlbauer - 2023-08-10 10:53:18

Gravierende Veränderungen - 5 Sterne

Die österreichische Autorin Doris Knecht erzählt in ihrem neuen Roman "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" die Geschichte einer Frau, die mit Mitte Fünfzig vor gravierenden Veränderungen steht. Sie ist alleinerziehend, ihre Kinder Max und Mila, die Zwillinge sind, werden nach dem Abitur auf eigenen Füßen stehen. Die 130 qm große Wohnung wird für die namenlose Ich-Erzählerin unbezahlbar, da ihr Exmann keinen Mietzuschuss mehr an sie zahlen wird. Obwohl sie Veränderungen hasst, wird sie sich eine neue, bezahlbare Bleibe suchen und sich von vielen Dingen trennen müssen.

Die Protagonistin lässt ihr Leben Revue passieren. Sie ist das älteste Kind in ihrer Familie, nach ihr bekamen die Eltern zwei Zwillingsmädchen, nach zwei Jahren zwei weitere Zwillingsmädchen. Die Schwestern sind blond wie die Mutter, nur die Ich-Erzählerin hat dunkle Haare. Sie galt als unsportlich, war immer gern für sich und eher ihren Büchern zugewandt, während die Schwestern im Hochleistungssport aktiv waren und von den Eltern gefördert wurden. Neben den Schwestern hat sie sich immer unsichtbar gefühlt, und das ist noch heute so.

Während sie mit ihrer Wohnungssuche beschäftigt ist, lässt sie ihren Gedanken freien Lauf. Wir erfahren dabei viel über ihre Vergangenheit und ihre Ansichten. Sie blickt zurück auf ihre Kindheit und das Verhältnis zu den Eltern, ihre Freundschaften und ihr Berufs- und Liebesleben. Das geschieht mit schonungsloser Offenheit, vollkommen unsentimental und authentisch.

Doris Knecht ist eine begnadete Erzählerin, die ihre Protagonistin ganz wunderbar skizziert und auch sehr viel ihres feinen Humors in die Geschichte einfließen lässt. Das Buch ist in zahlreiche kurze Kapitel mit passenden Überschriften gegliedert und sehr kurzweilig. Es ist nicht spektakulär, es beschreibt das wahre Leben, und es ist auch ein Buch über berührende Themen wie Mutterschaft und Loslassen. 

Es hat mir sehr viel Freude bereitet, den Gedankengängen der Ich-Erzählerin zu folgen und sie auf ihrem Weg in ihr neues Leben zu begleiten. Ich fand mich oft wieder in den Texten, konnte so vieles nachempfinden und habe dabei auch immer wieder meine eigene Vergangenheit reflektiert.

Die ruhige und in intelligentem Sprachstil erzählte Geschichte hat mir sehr gut gefallen - absolute Leseempfehlung!
von Bücherfreundin - 2023-08-09 18:23:00

Bilanz und Ausblick - 4 Sterne

„ Ich habe beschlossen, über mein Leben zu schreiben, mein Aufwachsen und mein Fortgehen, und schon ist es ein Krampf.“
Das ist der Plan, der namenlosen Ich- Erzählerin, doch so ganz einfach scheint es nicht zu sein.
Anlass für dieses schriftliche Resümee ist der bevorstehende Auszug der beiden erwachsenen Kinder. Die Zwillinge Max und Mila wollen nach der Matura aus der mütterlichen Wohnung ausziehen und das bedeutet für die alleinerziehende Mutter ( der Vater „ verschwand“ schon früher „ aus dem Bild“), dass sie sich die bisherige große Wohnung nicht mehr leisten kann. Sie muss sich verkleinern, d.h. sie muss aussortieren, sich von alten Gegenständen trennen. Dabei kommen Erinnerungen an Vergangenes hoch, wobei man der Erzählerin nicht immer trauen kann. Sie selbst ist sich ihrer Unzuverlässigkeit bewusst. „ Die Frau, über die ich schreibe, gibt es nicht. Sie ist ein Konstrukt, zusammengesetzt aus Erinnerungen, viele davon fehlerhaft, aus Selbstüberhöhung und Selbsthass, aus Erzählungen von anderen, aus Bildern in Fotoalben.“
Aber nicht nur die aussortierten Relikte sind Anstoß für einen Rückblick, sondern auch Vorkommnisse aus der aktuellen Gegenwart. Der Auszug der Kinder lässt die Ich - Erzählerin an ihr eigenes Aufbrechen aus dem Elternhaus denken, an erste Wohnungen, WG-Erfahrungen, an Mitbewohner, an Affären und Liebschaften usw.
Dabei ist sie mal sehr geschwätzig, dann wieder lässt sie manches im Ungefähren.
Eine neue Bleibe zu finden ist nicht so leicht, v.a. wenn man bestimmte Erwartungen an Lage und Ausstattung hat. Allerdings ist die Situation der Ich- Erzählern, trotz Jammern, nicht so prekär wie bei manchen Alleinerziehenden. Es findet sich für ihr Problem eine befriedigende Lösung.
So eine Zäsur ist aber auch Anlass, eine Bestandsaufnahme zu machen und Bilanz zu ziehen. Wo stehe ich? Wie bin ich dahin gekommen? Wie wird es weitergehen ?
Für Doris Knecht ist dies eine Möglichkeit, Frauenbilder zu hinterfragen. Schon als Jugendliche weiß die Ich- Erzählerin , dass das in ihrem Dorf vorgelebte Modell für Frauen nicht das Richtige für sie ist. Deshalb zieht es sie gleich nach der Schule in die weit entfernte Großstadt. Sie vergleicht ihr Leben mit dem ihrer Mutter und stellt fest, dass zwar wenig ( zwanzig ) Jahre zwischen ihr und ihrer Mutter liegen, aber die Gemeinsamkeiten sind geringer als mit ihren Kindern, von denen sie mehr ( fünfunddreißig ) Jahre trennt.
Doch haben die neuen Freiheiten nicht auch Probleme geschaffen?
Die Autorin beleuchtet das Thema Mutterschaft von vielen Seiten, Schwangerschaft, Geburt, zeigt auch auf, was es bedeutet, alleinerziehend zu sein. Es liegt nicht nur die ganze Arbeit auf ihr, sondern auch die „ ungeheure Last der Verantwortung“. Jede Entscheidung muss allein getroffen werden, mit den Konsequenzen muss sie leben.
Sie will jedoch als Single- Frau nicht als Mängelwesen betrachtet werden. Und sie wehrt sich gegen die Vorstellung, dass eine Mutter nichts mehr wert ist, wenn die Kinder aus dem Haus ist. Sicher schwingt Wehmut mit, wenn man zurückdenkt, wie es war, als die Kinder noch klein waren. Doch diese Zeiten sind eh unwiederbringlich vorbei. „ An jedem Tag, an dem sie älter werden, verliert man die, die man am Tag davor hatte. Manchmal vermisse ich sie.“
Der Auszug der Zwillinge ist für die Ich- Erzählerin kein Grund zu Depressionen, sondern die Chance auf einen Neubeginn. Sie freut sich und sieht die positiven Aspekte des Alleinseins. Nicht umsonst hat Doris Knecht ein Zitat aus Virginia Woolfs Essay „ Ein Zimmer für sich allein“ dem Buch vorangestellt.
Das Buch ist eingeteilt in sehr viele, oft sehr kurze Kapitel ; dabei springt die Autorin zwischen den Zeiten. Assoziativ werden Episoden mit Reflexionen verknüpft. Auch wenn sich dabei manche Belanglosigkeiten dazwischen schieben, sind es doch immer wieder Überlegungen, die den Leser innehalten lassen und selbst zum Nachdenken anregen. So z.B. wenn die Ich- Erzählerin auf den Unterschied zwischen Solitude und dem deutschen „ Einsamkeit“ eingeht. Oder wenn von veränderten Rollenbildern die Rede ist.
So sperrig wie der paradoxe Titel daherkommen mag, so leicht liest sich der gesamte Text. Doris Knecht kann mit Sprache umgehen. Sie schreibt ehrlich und selbstironisch, mit Witz und Gefühl.
Auch wenn die namenlose Ich- Erzählerin viele Parallelen zur Autorin Doris Knecht aufweist, so ist doch viel Fiktion in den Text eingeflossen. Der Leser mag sich deshalb öfter fragen, ob das Geschriebene der Realität entspricht oder ob hier maßlos übertrieben wird. Doris Knecht spielt auch ganz bewusst mit der Erzählperspektive. So z.B. wenn sich die eine Tochter dagegen verwahrt, zu einer literarischen Figur zu werden. Da wird dann einfach aus Luzi Max.
Nicht alles, was die Ich- Erzählerin sagt und tut, konnte ich nachempfinden. Manches war befremdlich, bei anderen Dingen fühlte ich mich bewusst auf Distanz gehalten.
Trotzdem ist „ Die vollständige Liste…“ eine unterhaltsame Geschichte über eine Frau in der Lebensmitte, ein Plädoyer fürs Loslassen und von den Chancen, die eine Veränderung eröffnen. Das Buch spricht wohl vor allem Frauen an in einer vergleichbaren Position. Sie werden sich in vielem wiederfinden können.
von Ruth - 2023-08-07 21:04:00

Aus dem Leben gegriffen - 4 Sterne

Die Schlüsselfigur dieses Romans ist eine Frau Mitte vierzig und Mutter von Zwillingen. Ihre Kinder sind im Matura-Jahr und werden schön langsam flügge, der Auszug aus dem vertrauten Heim ist Tatsache. Ein komplett neuer Lebensabschnitt mit vielen Veränderungen steht bevor. Der radikalste Einschnitt, sie muss ihre Wohnung aufgeben, denn die ist für sie alleine viel zu groß und nicht mehr leistbar, weil ihr Exmann und Vater der Kinder die Miete bezahlt. Die Veränderungen sind für sie beinahe unerträglich, dennoch stellt sie sich der Situation und beginnt auszusortieren, ihr neues Leben zu organisieren. Beim Betrachten alter Fotos besinnt sie sich auf ihr eigenes Aufwachsen und das Verlassen ihres Elternhauses. Sie ist auf der Suche nach sich selbst und findet nicht immer befriedigende Antworten.
Doris Knecht beschreibt wirklichkeitsnah, lebendig und aus dem Leben gegriffen. Ihre in der ich-Form geschriebene Erzählung wirkt sehr autobiografisch und regt zum Nachdenken an.
von froschman - 2023-08-05 12:05:00