Rezensionen

Eigentum
Roman

Autor: Wolf Haas

Erschienen 2023 bei Hanser
ISBN 978-3-446-27833-2
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Nicht jedermanns Geschmack, aber meiner - 5 Sterne

„Am Ende hieß es noch, ich hätte mich über sie lustig gemacht. Man schuldet ja allen einen gewissen Respekt. Auch jenen, die es vielleicht nicht wahrnehmen, wenn man ihn nicht zeigt. Man kann auch den Verlöschenden und vor sich hin Dämmernden nicht irgendwas erzählen, nur weil es langweilig ist mit ihnen. Man darf unterlegene Menschen nicht auf die Schaufel nehmen. Man darf Schwachsinnige nicht verarschen, man darf kleine Kinder nicht verarschen, man darf Behinderte nicht verarschen. Im Prinzip darf man überhaupt niemanden verarschen, fürchte ich. Schon gar nicht seine sterbende Mutter.“ (S. 8, Haas)

Wolf Haas besucht das Altersheim, in dem seine 95-jährige Mutter wohnt, die in drei Tagen sterben wird. Haas tut gar nicht so, als ginge sie ihm nicht auf die Nerven. (Unausgesprochen: Ich darf doch etwas dement sein, wenn ich meinen Sohn bitte, meinen längst verstorbenen Eltern eine Nachricht zu überbringen.) Ausgesprochen: „Meine Mami und mein Tati, wo sie jetzt sind, ich weiß nicht wie es da heißt, aber du kannst dort mit dem Handy anrufen und ihnen sagen, dass es mir gut geht.“
Das Gejammer tönt ihm noch in den Ohren: „Immer nur sparen, sparen, sparen.“ Immer nur „arbeiten, arbeiten, arbeiten“,
Und im Rückblick Geschichte: Die seiner Mutter und der Familie und die Österreichs, von einer Frau, die 1923, ins Jahr der Superinflation, hineingeboren wurde.

Sicher Autofiktion, aber weder geschmacklos noch sentimental. Von Seite zu Seite verschwindet der lapidare Ton, der Sohn erzählt von der Mutter, die in Zeiten jung gewesen ist, als fast jeder ein Schicksal hatte und nicht nur ein Leben mit Aufs und Abs. Krieg. Krankheit. Gewalt. Tod überall. Und die Hoffnung auf das Eigenheim, das sich nie erfüllt hat. Bis jetzt. Seit vielen Jahren steht schon ihr Name auf dem Grab, ihre eigenen Kubikmeter nun bereit, bezogen zu werden – nur ein Datum fehlt.

„Mein ganzes Leben lang hat mir meine Mutter weisgemacht, dass es ihr schlecht ging. Drei Tage vor dem Tod kam sie mit der Neuigkeit daher, dass es ihr gut ging." (W. Haas)

Wolf Haas, Autor beim Carl Hanser Verlag, wovon viele seiner Kollegen nur träumen.
von Manfred Fürst - 2024-02-10 16:56:00

"kein Krimi" - 4 Sterne

Wolf Haas hat diesen Roman seiner verstorbenen Mutter geschrieben, die mit 95 Jahren in einem Altersheim verstorben ist. Der Autor setzt sich in dieser Story mit seiner Familiengeschichte auseinander. Abwechselnd wird aus der Vergangenheit der Mutter und von Wolf Haas erzählt. Stets musste gespart werden, wo es nur ging. Es waren keine leichten Zeiten.
Doch trotz allem, kommt der schwarze Humor auch nicht zu kurz.

Der Roman machte mich ein bisserl traurig, stimmte mich aber auch nachdenklich. Aber wie gesagt, auch der Humor kommt nicht zu kurz und das lockert die ganze Geschichte auch wieder auf. Gut hat mit gefallen, dass die Dialoge im österreichischen Dialekt geschrieben wurden.
Der Roman hat mir gut gefallen, ist halt mal was anderes als die Krimis, die man von Wolf Haas kennt. Auf jeden Fall ein lesenswerter Roman für zwischendurch!
von Lesebegeisterte - 2024-02-10 15:38:00

Lebensstationen - 3 Sterne

Die Mutter von Wolf Haas liegt im Sterben. Ihr Sohn ist in den letzten Tagen an ihrer Seite und erinnert sich an manche Begebenheiten aus ihrem (und auch seinem) Leben.
Die rund 150 Seiten lesen sich gut, sind auch interessant. Werden bei mir aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
von HEYN Leserunde Manuela Meierhofer - 2023-12-25 10:37:00

Absolute Leseempfehlung - 5 Sterne

Ein typisches Haas-Buch und doch so ganz anders als die Brenner-Krimis. Auch hier kommen die bekannten - und von manchen verachteten - verkürzten Sätze vor, die meist der gesprochenen Sprache entsprechen, mit Einsprengseln im Pinzgauer Dialekt.
Das schmale Büchlein will sorgfältig gelesen werden, damit die sprachlichen Kostbarkeiten auch wirklich ankommen: 
Dann ist die Inflation gekommen und das Geld war hin. In etlichen Varianten kommt das vor.
Oder: Wer kennt die „rhetorische Trias“: waschen putzen bügeln; Arbeit Arbeit Arbeit; sparen sparen sparen
Der Autor/Sohn philosophiert über „Seufzen als vielfältige vorsprachliche Äußerung“.
Aus dem bekannten Lied Besame mucho (Küss mich oft) macht Haas den köstlichen Text Bes auf mi, Mutti?
Mein Lieblingssatz: Mutter erzählte häufig, wie sie schon als Kind die Stutzen der Bauernsöhne ausbessern und nachstricken musste. „Dafür muss ich jetzt ihr Leben nachstricken.“
Wie immer bei Wolf Haas weiß man nicht, wieviel von der erzählten Familiengeschichte wahr ist. Ist auch egal. Auf jeden Fall ist es eine Auseinandersetzung mit der sterbenden Mutter.
Der Titel wird verständlich, wenn von der „tobenden Geldentwertung“ erzählt wird: Immer wieder kommt es zu Grundverkäufen des Großvaters, um einen größeren zu kaufen. Plötzlich ist das Geld wertlos. Auch die Mutter ist immer wieder beim Sparen hinterher, nie kommt sie zu eigenem Besitz - das Grab mit seinen 2 m2 wird ihr erstes „Eigentum“.
von reimon - 2023-11-10 11:23:00

Dröge Erzählung - 3 Sterne

Wolf Haas schreibt sich wenige Tage vor dem Tod seiner Mutter ihre Erinnerungen von der Seele. Ihr Leben, geboren 1923, scheint eine einzige Aneinanderreihung von Entbehrungen und einer Verbitterung darüber, die ihren Sohn sehr geprägt hat. Dies wird in der Erzählung sehr deutlich und zeigt sich gut in seinen spitzen und humoristischen Bemerkungen. In der Art, wie er schreibt, bildet sich das Wesen seiner Mutter ab. Da ist ihr ewiges "sparen, sparen, sparen" und ihre Erzählungen von "früher", die wie ein Tänzchen sind: ein Schritt vor und zwei zurück. So braucht es einen ganzen Absatz um etwas zu vermitteln, was auch gut in einem Satz untergebracht werden könnte. Alles erstreckt sich mehr, als es müsste und verdeutlicht gerade dadurch die Mühen eines alten Menschen Erinnerungen in Worte zu packen. Alles widerholt sich bis ins Endlose, zieht Schleifen, fast wie in einem Gedicht. Haas benennt sogar im Laufe der Erzählung Gründe für die Widerholungen. Hinzu kommt, dass er viel östereichische Mundart unterbringt. Sprachlich ist die Erzählung also anregend, aber vorallem anstrengend.
In der Erzählung wird nicht nur der Kampf seiner Mutter mit den schwierigen Lebensbedingungen deutlich, sondern auch sein Wunsch nach Befreiung von dieser Prägung, aber auch seine Wertschätzung für seine Mutter. Er sucht Trost.
Dabei geht er immer wieder in die Vergangenheit seiner Mutter. Manchmal bin ich über die unerwarteten Wechsel zwischen den Zeiten und den Erzählperspektiven gestolpert und musste mich erstmal wieder orientieren. Spannung kam dabei nicht auf. Ich hätte nicht erwartet, dass sich die 160 Seiten so lang ziehen.
Authentische Erzählung über eine Mutter, geboren 1923 rückblickend kurz vor ihrem Tod. Stilistisch authentisch, aber anstrengend und langatmig.
von Marianna T. - 2023-11-05 22:40:00

Ein geprägtes Leben - 3 Sterne

Wolf Haas berichtet in Eigentum vom Leben seiner fünfundneunzigjährigen Mutter, die im Sterben liegt und zwei Tage später in ihre letzte Wohnung einzieht. Ein Leben, das geprägt von Arbeit und Armut war und dem Gefühl, nie genug zu haben.

Wolf Haas berichtet humoristisch über die Zeiten mit seiner Mutter und ihren Erzählungen über ihr Leben. Die Geschichte wechselt dabei ständig die Perspektiven, was zu Beginn noch sehr verwirrend ist. Die Erzählungen der Mutter lesen sich wie sprachliche Übermittlungen ihrerseits, viele Abbrüche, Einschübe und Dialekte machen das Verständnis zeitweise schwierig und anstrengend und auch wenn mich das Buch teilweise sehr gut unterhalten hat, fehlte mir zum Schluss die letzte Pointe.

Am Ende bleibt die Geschichte von Mariann Haas, die geprägt von der Inflation, durchs Leben schritt. Auch wenn man sein eigenes Leben nicht mit ihrem vergleichen kann, so bleibt in der Reflexion über das Gelesene am Ende doch die Erkenntnis, worauf es im Leben ankommen sollte und worauf eben nicht.
von Anndlich - 2023-10-20 14:22:00

Ein sehr persönlicher Text - 5 Sterne

Die schwierige Mutter bringt, dement und sterbend im Pflegeheim, den Sohn noch immer auf die Palme. Zeitlebens schuftete sie, aus kleinsten Verhältnissen stammend, für den Aufstieg und versuchte vergeblich Eigentum zu schaffen. Ihre Litaneien über ihr schweres Leben begleiten den Erzähler von klein auf. Der humorvolle oft zornige und ungeduldige Text ändert sich nach dem Tod der Mutter, der Autor nähert sich ihrem Leben in Rückblicken erzählend an und setzt ihr ein liebevolles, literarisches Denkmal.
von HEYNi Christine Klepitsch im Unruhestand - 2023-10-19 17:27:22

Ein neuer HAAS! JUHUUUU! - 5 Sterne

Und der ist wieder so …. Ja wie eigentlich??? Anders jedenfalls. Aber das wissen Haas- Fans ja sowieso, deshalb mögen wir den ja, weil alles immer irgendwie anders ist, was der so schreibt.
Kurz gesagt ist es die Geschichte der Mutter, bzw. ihrer letzten Stunden. In wie weit das autobiographisch ist, soll sich jeder selbst ausmalen. Jedenfalls sind die Gedanken und Erinnerungen an die Mutter sowas von genial aber auch etwas eigenwillig. HAAS halt ….
Also, für Wolf Haas Fans ist das Buch eine sichere Bank, für alle anderen übernehm ich keine Verantwortung. Aber ich gehör auch in die Fan-Abteilung ;-)
von Stephan Lauf - 2023-10-06 16:12:20

Lebensgeschichte - 3 Sterne

Wir begleiten Sohn und Mutter wenige Tage: am Sterbebett bis wenige Tage nach dem Tod der Mutter. Das eigentliche Thema ist „Eigentum“ oder vielmehr, dass Haas‘ Mutter zeit ihres Lebens darum betrogen wurde. Durch Krieg, Inflation und Geldentwertung. So bleibt ihr nur "sparen, sparen, sparen", ein Motto das die beiden Söhne von klein an begleitet hat.

Die vielen Episoden aus dem harten Leben der Mutter werden von ihr selbst erzählt, allerdings in der Rückerinnerung des Sohnes am Sterbebett. Zu Erkennen ist dies jeweils an der Sprechweise der Mutter: Dialekt, alte Begriffe und natürlich am Inhalt wie z.B. den Kriegserlebnissen. Ich muss sagen dass mir persönlich die Teile des Buches besser gefallen haben, die im hier und jetzt spielen, also die Sichtweise des Sohnes widerspiegeln. Der Humor von Wolf Haas beim Schreiben gefällt mir schon sehr gut: wie er abwägt ob er seine sterbende Mutter noch beschwindeln darf. Und wenn ja, ob nur harmlos oder gleich aus den Vollen.

Noch ein kleiner Insider-Witz: das zum Schluß vermisste Nokia: Ich habs gefunden!
von BR - 2023-10-04 09:05:00

Eigentum - 5 Sterne

Wolf Haas schreibt in seinem unnachahmlichen Schreibstil über das Sterben seiner Mutter. Sehr persönlich und berührend lässt er die LeserInnen daran teilhaben.
von Doris Stadlbauer - 2023-09-26 09:02:57