Rezensionen

Gute Ratschläge
Roman

Autor: Jane Gardam

Erschienen 2024 bei Hanser Berlin
ISBN 978-3-446-27957-5
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Gute Ratschläge - 5 Sterne

Ich jubele: Endlich ein neuer Roman von Jane Gardam. Und was für einer!
Im Leben von Eliza Peabody geht es ganz schön rund. Zuerst wurde ihre Nachbarin Joan im Armyshop gesehen, wo sie einen Schlafsack und ein Einmannzelt gekauft hat und, und jetzt fährt sie anscheinend im Volvo der Familie Richtung Himalaya. „Eine Frau, die ein so wundervolles Heim verlässt, zwei so lebhafte Kinder, Charles‘ ganzes Geld und den lieben genügsamen Charles selbst, muss krank sein.“
Da sich Eliza für Joans Verschwinden ein Stück weit verantwortlich fühlt – schließlich hat sie ihr vorgeworfen, eine Hypochonderin zu sein, die sich einfach mal zusammenreißen solle – fühlt sie sich nun bemüßigt, Joan einen Brief um den anderen zu schreiben, in denen sie unter anderem die titelgebenden „guten Ratschläge“ verteilt. Hierbei nimmt Eliza kein Blatt vor den Mund, denn in ihrem Zirkel heißt es immer, sie sei „unverblümter als ein Steingarten.“
All die Briefe bleiben unbeantwortet, aber Eliza schreibt weiter und weiter, „aus reiner Gewohnheit“, und mit der Zeit werden die Briefe, obwohl immer noch an die „liebe Joan“ adressiert, mehr und mehr zu einer Art Selbstreflektion auf das eigene Leben.
Eliza war jahrelang eine hochrangige Diplomatengattin, und ihr Zuhause war in Ländern wie Syrien, Iran, Ägypten, Bangladesch – das waren auf- und anregende Zeiten.

Doch seit sie wieder in der Rathbone Road lebt, ist sie wie all die anderen gutsituierten Gattinnen dort: „Reich, beige und fad wie kandierte Maronen.“
Und je mehr wir über Elizas Leben und ihre dreißigjährige Ehe mit Henry erfahren – die darin gipfelt, dass Henry ihr beim Weihnachtsessen eröffnet, dass er ausziehen wird, um künftig mit Charles zusammenzuleben – desto mehr wird klar, dass wir es nur oberflächlich betrachtet mit einer selbstgerechten und geschwätzigen Frau zu tun haben.
Tatsächlich ist Eliza alles andere als beige und fad; sie ist eine Meisterin der Seitenhiebe und schreibt sehr pointiert. Ein Satz wie „Diplomatenfrauen durften damals keinen eigenen Beruf haben. Damals war es eine Vollzeitbestrafung, man musste repräsentieren“ entlarvt die britische Upper Class doch wirklich vortrefflich!
Eliza ist aber auch eine zutiefst einsame Person, die ein schweres Trauma aus den Anfängen ihrer Ehe nie verarbeiten konnte. Hat Henry sie wirklich verlassen, weil Eliza unmöglich geworden war? Weil er dachte, dass sie verrückt würde? Oder ist es der Riss in ihrer Seele, der die Kluft zwischen ihnen immer weiter vertieft hat?

Lesen Sie dieses großartige Buch – schon allein der Brief vom 12. April, in dem Eliza ihre Unterhaltung mit Mr und Mrs Deecie – „Deecie wie Washington“ – wiedergibt, ist es wert, dass dieses Buch gekauft wird!
In Richtung des Hanser Verlags möchte ich meine Bitte, fast ist es ein Appell, wiederholen: Wenn es noch mehr nicht übersetzte literarische Schätze von Jane Gardam zu bergen gilt – bitte, bitte, bitte tut es!
von Maxie Bantleon - 2024-04-20 16:40:24