Rezensionen

Unter dem Schnee
Roman - Ein vielschichtiger Familienroman über Liebe und Schuld, Heimat und Flucht

Autor: Katrin Burseg

Erschienen 2021 bei Diana
ISBN 978-3-453-29222-2
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Flucht, Erinnerungen und Aufarbeitung - 5 Sterne

Jahreswechsel 1978/79 im Norden von Deutschland wütet ein Jahrhundertschneesturm, der ganze Ortschaften "unter dem Schnee" verschwinden lässt. Ungünstig für die Familie von Schwan, die sich eigentlich von ihrem Oberhaupt Luise verabschieden wollte. Doch es ist unmöglich den Sarg unter die Erde zu bringen.
So finden sich die Familienmitglieder und noch ein paar andere Leute im Herrenhaus wieder, um diese außergewöhnlichen Tage erzwungener Maßen gemeinsam zu verbringen.
Luises Schwester, ihre zwei Söhne Carl und Johann, Carls hochschwangere Ehefrau und Johanns Tochter Carolin versuchen sich in der extremen Situation zusammenzuraufen, dazu dringt im aller letzten Moment noch Aimée zu ihnen, deren Geschichte und Vergangenheit die Familie aus der Bahn werfen wird.

Mein Fazit:
Für mich ein sehr raffinierter Roman, eine Geschichte, die langsam entblättert wird. Die lange verschwiegen wurde. Erst als der Schnee alles überdeckt, kommt die Vergangenheit ans Licht. Neben den wirklich schmerzhaften Erinnerungen an die Flucht aus Pommern, waren es damals Existenzängste, Lebensangst, die am Ende des Krieges totgeschwiegen wurden.
Die Verwicklungen in die NS Maschinerie geriet in Vergessenheit und sollte weiterhin im Schatten liegen.
Dieses Ensemble, das sich in dem Herrenhaus zusammenfindet, stößt recht bald an ihre Grenzen. Denn sich zu unterhalten, bedeutet sich zu öffnen und zu erzählen. Aber niemand scheint wirklich bereit zu sein, sich der Vergangenheit zu stellen. Schlussendlich kommt die Wahrheit ans Licht, schmerzhaft zu lesen, denn es gibt kein eindeutiges Schwarz und Weiß. Die Tatsachen sind grau in grau. Unschuld und Schuld liegen hauchdünn nebeneinander und die Grenzen verwischen sich.
Niemand förderte in den 70er Jahren die Neugier über die NS Vergangenheit der Großeltern und Eltern.
Dazu noch dieser Sturm, den es tatsächlich gab. Der Tote forderte und so ungewöhnlich war, dass sich heute noch viele daran erinnern können.
von Caroline Gliber - 2022-03-10 12:50:00

Irgendwann kommt alles ans Licht - 4 Sterne

Ende Dezember 1978 auf Gut Schwanenholz. Gräfin Luise von Schwan, die 50 Jahre die Baumschule auf dem gut an der Ostsee geführt hat, ist gestorben und soll beerdigt werden. Doch ein heftiger Schneesturm fegt über das Land und verhindert dies. Und dann trifft noch ein ungebetener Gast aus Frankreich ein und das Anwesen wird von der Außenwelt abgeschnitten. Der Gast behauptet, Luises Tochter zu sein. Hat Luise während des zweiten Weltkrieges tatsächlich Zwangsarbeiter ausgebeutet? In den fünf Tagen in welchen die Bewohner von der Welt abgeschnitten sind, wird die Familie mit Wahrheiten konfrontiert und das jahrelange Schweigen beendet.

Meine Meinung
Soweit ich weiß ist dies das erste Buch, das ich von dieser Autorin gelesen habe. Der Klappentext hörte sich gut an und über Familiengeheimnisse, lese ich sowieso sehr gern. Auch ließ sich dieses Buch, dank des unkomplizierten Schreibstils der Autorin, der keine Unklarheiten im Text zuließ, sehr gut lesen. Nichts störte meinen Lesefluss. In der Geschichte war ich auch schnell drinnen, konnte mich auch gut in die Protagonisten hineinversetzen. Auch war das Buch schon sehr interessant geschrieben, jedoch fehlte es mir an Spannung, zumindest bis zu dem Augenblick, als die Bombe hochging, sprich bis Aimee damit herausrückte, dass sie Luises Tochter sei. Zunächst wollte dies keiner glauben, nur eine Person im Haus wusste das sicher. Und die schwieg – vorerst. Was auf diesem Gut alles in diesen Tagen geschah und welche Ereignisse der Vergangenheit dabei aufgearbeitet wurden, das muss der geneigte Leser selbst lesen. Es kam da so einiges ans Tageslicht, denn fast jeder der Anwesenden hatte irgendwie Dreck am Stecken. Der eine mehr, der andere weniger. Das Buch schweift in seinem Verlauf immer mal wieder in die Vergangenheit ab. Allerdings würde ich jetzt nicht unbedingt von zwei Handlungssträngen sprechen. Doch immer mal wieder erfährt man etwas aus der Vergangenheit der Protagonisten. So eben auch aus dem zweiten Weltkrieg. Dies ist zwar nicht extra gekennzeichnet, aber man merkt es sofort, so dass mich das nicht störte. Trotz der geringen Spannung, besonders am Anfang des Buches, war es ganz gut und hat mich teilweise auch gefesselt und auch ganz gut unterhalten. Es war ein gemütliches Buch mit einigen wenigen Höhepunkten, das jedoch am Ende auch noch Fragen offenließ. Hier wäre ein Epilog angebracht gewesen. Da es mir jedoch noch ganz gut gefallen hat gebe ich mit viel gutem Willen noch vier von fünf Sternen bzw. acht von zehn Punkten.
von Lerchie - 2022-03-04 11:23:00

Historische Familiengeschichte mit Liebe zum Detail - 5 Sterne

Kurz nach Weihnachten 1978 soll Louise von Schwan beerdigt werden, welche die Baumschule der Familie seit fünf Jahrzehnten führte und durch mehrere Krisen brachte. Doch die Beerdigung fällt aufgrund eines Schneesturmes aus und auch in den kommenden Tagen ist nicht daran zu denken, dass Louise unter die Erde gebracht werden kann.

Neben dem Schneesturm, der die Bewohner im Haus einschließt, hat die Familie aber auch noch ganz andere Sorgen. Am Abend trifft ein unangekündigter Gast auf Schloss Schwanenholz ein und behauptet die Tochter der Verstorbenen zu sein. Während sich die einen Sorgen um ihr Erbe machen, kommen bei anderen die Erinnerungen zu schrecklichen Geschehnissen aus dem zweiten Weltkrieg hoch.

Ein sehr interessanter Roman, der einige historische Details enthält und auch auf die Schattenseiten des zweiten Weltkrieges blickt. Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und so bildhaft, dass man meint man wäre selbst bei Schneesturm im Schloss eingesperrt. Ein Roman, der eine tragische Familiengeschichte zum Vorschein bringt. Zusammen mit einer warmen Tasse Kakao gibt es von mir eine klare Leseempfehlung.
von Julia - 2021-10-14 17:47:00

Familiengeschichte - 4 Sterne

Das Buch „Unter dem Schnee“ hat mich auf den ersten Blick durch das stimmungsvolle Cover angesprochen. Auch der Klappentext versprach mir eine Geschichte genau nach meinem Geschmack. Und ich wurde nicht getäuscht!

Luise von Schwan war die Patriarchin der Baumschule auf Schloss Schwanenholz. Jahrzehntelang hat sie die Geschicke des Betriebs auch durch schwierige Zeiten gelenkt. Nun liegt sie Ende Dezember 1978 in ihrem Sarg in der Kirche. Doch die Trauerfeier wird bereits durch einen heftigen Schneesturm gestört, der sich in Kürze zum berüchtigten Katastrophenwinter entwickeln soll. Aber auch eine andere Katastrophe kündigt sich an. Zur Trauerfeier erscheint eine junge Französin, die behauptet Luises Tochter zu sein.

Die Familiengeschichte von Katrin Burseg hat mich von der ersten Seite an abgeholt. Das Winterchaos der Jahreswende 78/79 ist mir noch gut im Gedächtnis und die Not der eingeschneiten Höfe ohne Strom, ohne Heizung, ohne Versorgung habe ich noch lebhaft vor Augen. Dazu kommt die Familiengeschichte der Schwans, die sich wie viele deutsche Familien nicht gern an ihre Verstrickung in das Naziregime erinnert. Die Schwans haben das immer ausgeklammert, privates Leid stand im Vordergrund. Aber nun ist da diese junge Frau, Tochter eines Zwangsarbeiters und Luise – kann das sein. In der Zwangsgemeinschaft müssen sich nun die Familienmitglieder auch unangenehmen Wahrheiten stellen und alte Konflikte aufarbeiten.

Die beiden Zeitebenen verbindet die Autorin zu einem spannenden Familienroman. Als Klammer für beide Zeiten habe ich alte Isa empfunden, die seit ihrer Kinderzeit im Dienst der Schwans stand und mehr über die Familie weiß, als sich die junge Generation vorstellen kann. Überhaupt sind die Figuren der Autoren sehr liebevoll und menschlich gezeichnet. Die so unterschiedlichen Brüder Carl und Johann, die sich als Erben Luises sahen. Johanns Tochter Carolin, die aus dem engen Familienkorsett ausbrechen möchte und nun auch noch Aimée, Luises Tochter, die etwas über ihre Mutter erfahren möchte.

Auch die Erzählweise aus den jeweiligen Blickwinkeln der Hauptpersonen bringt viel Tiefe in die Geschichte.

Der Roman hat mir sehr gut gefallen und die Verbindung aus Familiendrama und Zeitgeschichte ist bestens gelungen.
von Bibliomarie - 2021-10-12 12:19:00

Kein Titel - 4 Sterne

In den 1970iger Jahren war in Deutschland die Aufarbeitung der Rolle der eigenen Familie in der Zeit des Nationalsozialismus noch kein Thema. Wer konnte schwieg die Vergangenheit einfach tot. Doch die Familie von Schwan wird durch einen Schneesturm gezwungen sich genau dieser Vergangenheit zu stellen. Denn der Sturm verhindert nicht nur die Beerdigung von Luise von Schwan, die seit 50 Jahren die Geschicke der Familie leitete, er zwingt die Trauerfamilie auch mehrere Tage zusammen auf Gut Schwanenholz auszuharren. Und dabei wird die Familie mit so mancher verborgenen Wahrheit konfrontiert.
Es ist schon beeindruckend, wie die Autorin jene Tage Ende Dezember 1978 aufleben lässt, als ganz Norddeutschland unter einer dicken Schneedecke versunken war. Die Geschichte lebt von dieser ganz speziellen Atmosphäre. Auch der dunklen Vergangenheit, die langsam ans Licht kommt, gelingt es nicht dieses leuchtende Weiß des Schnees zu brechen, dass gleichzeitig bedrohlich aber auch seltsam friedlich auf mich gewirkt hat. „Unter dem Schnee“ hat mich mit ganz besonderen Eindrücken überzeugt, aber auch die Spannung kommt in diesem Familienroman nicht zu kurz.
von Barbara Pernter - 2021-10-04 11:03:00