Rezensionen

Die Zeit im Sommerlicht
Roman | Nach "Das Leuchten der Rentiere" der neue große Roman der schwedischen Bestsellerautorin

Autor: Laestadius, Ann-Helén

Erschienen 2024 bei Hoffmann und Campe Verlag
ISBN 978-3-455-01708-3
Rezension verfassen

Starker Tobak! - 4 Sterne

Mir war nach dem Klappentext klar, dass dies hier keine Wohlfühllektüre wird, aber ich muss sagen Holla die Waldfee, hier ist viel Schmerz und Brutalität enthalten. Das Cover und der Titel lassen auf eine leichtere Lektüre schließen, besonders mit diesem Bild was nach so viel Hoffnung schreit. Auch der Titel ist aus meiner Sicht nicht so gut gewählt, heißt es auf Schwedisch im Original „Straff“ übersetzt Strafe. Das passt um Längen besser.
Denn dies hier ist ein Roman über die Unterdrückung der samischen Minderheit in Schweden und wie mit dem nomadisch lebenden Volk, das Renntiere züchtet, umgegangen wurde. Das Buch hat zwei zeitliche Ebenen. Zum einen spielt es in den 50er Jahren und wir lernen in Summe fünf Kinder kennen, die in eine Nomadenschule kommen, ein Internat. Klein sind sie alle, grade mal 7 Jahre alt. Dort sind sie physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt und ertragen viel. Zu viel. Brutal geht es zu. Es ist keine Schule, es ist im Grunde ein Umerziehungslager, sie dürfen nur noch Schwedisch sprechen und wenn die tyrannische Leiterin ungehorsam wittert gibt es Schläge.
Der Sprung in die 80er Jahre macht deutlich mit was für Traumata die nun Erwachsenen sich plagen, Suchtverhalten entwickeln, Emotionen nicht zulassen und vieles mehr. Wirklich beklemmend ist das Gefühl bei der Lektüre.
Auch wenn die Lage etwas anders ist, musste ich an die Kanadischen Indigenen Völker denken, deren Kinder auch viel Unrecht angetan wurde. Und hier erinnere ich mich auch plastisch an: Richard Wagamese mit „Der gefrorene Himmel“.
Ein Roman, der in Schweden eine Diskussion entfacht hat und lange auf deren Bestsellerliste stand. Ein Roman der einen blinden Fleck der Geschichte in den Fokus nimmt. Ungeschönt erzählt von Ann-Helén Laestadius, eine Halb-Samin, die durch das tiefe Schweigen der eigenen Familie hier Aufarbeitung betrieben hat und dem Thema Raum gibt.
von nil_liest - 2024-05-16 15:55:00

Ein berührender Roman über das Volk der Sami, über Traumata, das Vergessen und Verzeihen! - 5 Sterne

von Monika Hörner - 2024-04-12 13:37:29

Nomadenschule - 5 Sterne

Jon-Ante, Else-Maj, Anne-Risten, Marge und viele andere samische Kinder mussten schon mit sieben Jahren ihr Elternhaus verlassen. Sie wurden ins Internat der Nomadenschule gezwungen, wo sie nicht mehr samisch reden durften und schwedische Namen verpasst bekamen. Und wo Hausmutter ein überstrenges Regiment geführt hat. Schläge gehörten zur Tagesordnung genauso wie seelische Gewalt. Einziger Lichtblick für die Kinder war bei Betreuerin Anna, die tröstende Worte und Umarmungen in aller Heimlichkeit für sie hatte.

Ann-Helén Laestadius hat eine traurige Beziehung zu diesem Roman, denn auch ihre Mutter musste diese Schule besuchen. Nach ihren Erlebnissen ist dieser Roman entstanden.

Die Autorin erzählt diese Geschichte aus der Sicht der verschiedenen Kinder und lässt uns gleichzeitig teilhaben, an ihrem Erwachsenenleben. Wir lesen parallel von ihren Traumata in der Schule und wie diese ihren Alltag später beeinflussten. Wir lesen vom Versuch, das Erlebte zu Verdrängen, im Alkohol zu ertränken oder mit Schmerztabletten zu betäuben. Nur reden wollen sie alle nicht darüber, dann das würde die Dinge zu sehr aufrühren.

Manche der Kinder tragen ein lebenslanges Zeichen mit sich. Die Narben am Körper verschwinden nicht und erinnern für immer an die Gewalt. Dennoch schaffen es die meisten ein gutes Leben zu führen, ihren Kindern gute Eltern zu sein und zu lieben, auch wenn manche von ihnen länger dafür brauchen.

Beim Begräbnis von Anna kommen sie alle wieder zusammen und erste Mauern beginnen zu bröckeln. Die erwachsenen Schüler und Schülerinnen der Nomadenschule beginnen in Worte zu fassen, was ihre Leben so lange beschwert hat. Somit ist das Buch auch eine Ode an die Resilienz!

Ich fand dieses Buch hervorragend erzählt. Die wechselnden Perspektiven halten die Geschichte abwechslungsreich und spannend und es hat mich beeindruckt, wie viel manche Menschen tragen können. Über das traurige Schicksal der samischen Bevölkerung habe ich schon öfter gelesen und immer wieder macht es mich traurig, wie viel dieses beeindruckende Volk zu erleiden hatte. Leider begegnen sie wohl noch immer Rassismus und Ablehnung, dabei sollten wir von den Traditionen dieses naturverbundenen Volkes lernen.

Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses Buch, dass auch irgendwie die Geschichte der Mutter der Autorin erzählt und die bestimmt viel Mut brauchte, um ihre Tochter in ihre Erlebnisse einzuweihen!
von Miro - 2024-04-07 13:50:00