Rezensionen

Heilung
Roman | »Der beste Roman des Frühjahrs« - DIE ZEIT

Autor: Timon Karl Kaleyta

Erschienen 2024 bei Piper
ISBN 978-3-492-07171-0
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Wenn die Nächte schlaflos sind, wird der Tag zum Traum - 5 Sterne

Kaleytas zweiter Roman "Heilung" war aufgrund seines ehrgeizigen Konzepts massiv vom Scheitern bedroht. Dank weiser Zurückhaltung und nicht explizit ausgeführter Anspielungen und Beziehungen ist er nichtsdestotrotz ein nachhallendes Werk geworden.

Die Erinnerungen des von Schlaf- und Traumlosigkeit geplagten Ich-Erzählers sind geprägt von Unbewusstem und Verdrängtem, ohne dass diese oder ähnliche Begriffe jemals auftauchen würden. Der Text hat einen symbolistischen Zugang zum Psychischen, statt dessen Dispositionen abzuhandeln, entwirft er einen seelischen Kosmos als Ganzes.
Beide Hauptschauplätze (artifiziell der eine, archaisch der andere) sind in unbestimmbares Dämmerlicht getaucht, zwielichtig sind auch sämtliche Figuren, der Erzähler zuallererst.
Tiefe Tragik (angedeutet) steht neben abstoßender Skrupellosigkeit, die Dialektik von Herr und Knecht steht zur Debatte, die kannibalistische Lösung des Doppelgängermotivs verstört.

Zuviel für einen zweihundertseitigen Roman? Nein, denn die Beziehungsgeflechte kannst du ausspinnen, wie du möchtest. Ein offenes Buch, ein wohltuender Kontrast zur pseudorealistischen "engagierten" Literatur, die dich festsetzt, statt dir Freiräume zu schaffen.
von hal.leiner - 2024-03-25 15:20:00

Heilung - 5 Sterne

Schlaflosigkeit macht unserem Protagonisten so sehr zu schaffen, dass er den Alltag irgendwann nicht mehr bewältigen kann. Auf das Drängen seiner Frau hin begibt er sich in ein Sanatorium in den Dolomiten. Dort wird er nach den Prinzipien des Institutsleiters Doktor Trinkl behandelt. Zunächst wehrt er sich nach Kräften gegen den Hokuspokus, doch bald überwindet er seine inneren Widerstände, bis ihn ein traumatisches Erlebnis in die Flucht treibt. Erschöpft macht er sich auf die Suche nach seinem Jugendfreund Jesper, zu dem er vor Jahren den Kontakt abgebrochen hat. Jesper lebt mit einer Frau auf einem idyllischen Landgut ein Leben im Einklang mit der Natur, und zunächst scheint dieser Lebensstil die Rettung für unseren Helden zu bedeuten. Doch bevor die Geschichte im Naturkitsch versinken kann, passiert etwas Unvorhergesehenes...
Ein zeitgemäßer Roman über Rast- und Orientierungslosigkeit in unserer hektischen Welt und die Schwierigkeit, seinen inneren Kompass zu finden - bemerkenswert!
von Florian Lechner - 2024-03-08 11:08:50

Mann in der Krise - 4 Sterne

Ein Mann sucht ein Sanatorium auf, denn er fühlt sich schlecht, da er seit langen schlecht schläft. Er kommt in keine Tiefschlafphase, träumt nicht.
Ansonsten ist er gesund, aber diese Müdigkeit und Unbehagen macht ihn fertig.

Die Anfangsszene zum Sanatorium San Vita in Südtirol ist atmosphärisch gemacht, fast unvergesslich. Er wird in einer winterlichen Landschaft von einem kleine Mann abgeholt.
Es gibt Zauberberganklänge, aber die sind dezent.
Schließlich, im zweiten Abschnitt des Buches, verlässt der Mann das Sanatorium und findet Unterschlupf auf dem Bauernhof seines alten Freundes Jespers.

Der Zustand des Mannes ist rätselhaft. Als Leser möchte man genauso sehr wie er die Ursachen findet.

Timo Karl Kayera hat einen einfachen aber guten Stil. Man liest den Roman fast wie in einem Rutsch, könnte es jedenfalls, falls man das möchte.
von yellowdog - 2024-02-03 15:29:00