Rezensionen

Echtzeitalter
Roman | Deutscher Buchpreis 2023

Autor: Tonio Schachinger

Erschienen 2023 bei Rowohlt, Hamburg
ISBN 978-3-498-00317-3
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"Es war die Hölle, du Idiot!" - 5 Sterne

Nein! Mit diesem Zitat ist nicht das Lesen des Buches gemeint!
Es ist vielmehr Till Kokordas Kurzzusammenfassung seiner Schulzeit.
Tonio Schachinger, der ja selbst ehemals Schüler einer Eliteschule war, neigt auch in der sicheren Distanz der Jahre nicht dazu, die Schulzeit zu glorifizieren.

Ganz im Gegenteil!
Er erzählt psychologisch schlüssig und mit einer eigenen Intensität von den zahllosen Problemen des Erwachsenwerdens: Pubertät, Schule, despotische Lehrer (Prof Dolinar lässt die eigenen – schon lange gut verdrängt geglaubten – Schultraumata wieder hervorkriechen), Psychoterror, Unsicherheit, erste Liebe, versnobte Umwelt, Freundschaften... und gegen Ende auch noch die Coronapandemie. Irgendwo zwischen Erziehungsanspruch seiner Mutter, dem Bildungsanspruch in einer Eliteschule findet Till seine Auszeiten. Er ist Gamer, gehört bei Age of Empires 2 sogar zu den Weltbesten. Gaming ist sein Fluchtweg.

Hier stellt Tonio Schachinger unheimlich geschickt die reale Schulwelt der digitalen Welt gegenüber (beides funktioniert in Echtzeit!) – er macht dies ironisch, humorvoll, aber nie wertend. Er stellt einfach fest, dass in beiden Welten bestimmte Regeln eingehalten werden müssen, wenn man heil weiter kommen will.

Das klingt alles sehr nach „Schulroman“, aber es ist doch einiges mehr: vor dem Hintergrund des politischen Zeitgeschehens wird immer wieder auch eine große Portion Kritik an Gesellschaft und arroganten Möchte-gern-Eliten geübt.

Und ganz wichtig: Schreiben kann Tonio Schachinger! Sein Stil ist sehr angenehm zu lesen. Er erzählt klug, extrem witzig, bissig, ohne zu übertreiben, temporeich und eindringlich. Er zeigt Einfühlungsvermögen und Respekt gegenüber seinen Protagonisten - nicht umsonst hat er 2023 den Deutschen Buchpreis erhalten.

Ein Vergnügen, dieses Buch zu lesen!
von MiriamBrandl - 2024-01-22 21:06:00

Echtzeitalter - 5 Sterne

Ein absolut empfehlenswertes Buch ist der mit dem Preis der Frankfurter Buchmesse gekrönte Roman des österreichischen Schriftstellers Tonio Schachinger, in dem es um nichts weniger geht als um „Echtzeitalter“: … Möchten wir nicht alle in einem „echten“, in einem realen „Zeitalter“ leben – und nicht in einer digitalen Parallelwelt? Solch ebenso brisante wie aktuelle Themen verhandelt das fesselnde Geschehen, dessen Schauplatz ein elitäres Wiener Internat ist. Als Hauptfigur lernen wir den jungen Till Kokorda kennen, der unter einem despotischen Klassenlehrer leidet und gleichzeitig seiner Leidenschaft für online-Games frönt.
Ganz augenscheinlich handelt es sich um eine Coming-of-Age-Geschichte, die alltäglicher nicht sein könnte; dennoch versteht es der Autor meisterhaft, durch humorvolle und kluge Passagen dem Alltag seinen verborgenen Reiz abzugewinnen. Dass dabei der österreichischen Gesellschaft der Spiegel vorgehalten wird, trägt zur niveauvollen Unterhaltung bei. Nicht nur der Ernst der Probleme des Erwachsenwerdens, sondern auch Corona, die Digitalität, der Glanz der ersten großen Liebe, die Schwierigkeiten der Verständigung zwischen den Generationen finden Platz im „echten Zeitalter“, in dem wir leben – und an das wir uns wohl schon zu sehr gewöhnt haben. Die feine Ironie des Buches zeigt, wie gerne die Flucht ergriffen wird in eine digitale Welt, jene der Computerspiele, die eine Gegenwelt darstellt zu den verstaubten Anschauungen des Deutschlehrers Dolinar, der eine Art von Bildung vorschlägt, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint – wie im Übrigen die Fassade hinter der gehobenen Oberschicht des Wiener Bürgertums zu bröckeln beginnt. Trotz dieser feinen Seitenhiebe auf Tradition und konservatives Denken durchzieht eine sachte Nostalgie die Seiten, die zum Nachdenken darüber anregt, was in „Echtzeitalter“ wirklich zählt. „Entweder man liest gerne, oder man spielt gerne Games. So oder so verpasst man was“, lässt Autor Schachinger einen von Tills Mitschülern resümieren. Wir jedenfalls sollten die Lektüre dieses Romans nicht verpassen!
von Katja Hölzl - 2024-01-10 08:57:03

Echtzeitalter - 5 Sterne

Coming-of-Age Geschichte, moderner "Schüler Gerber", Gesellschaftsroman, Literatur über Gaming? Tonio Schachinger vereint all diese Schlagwörter mit sprachlicher Brillanz zu einem wirklich gelungenen Roman. Sowohl seine Figuren-als auch Situationsbeschreibungen werden ambivalent gestaltet und verleihen der Geschichten ihre Authentizität. Der Handlungsverlauf bleibt bis zuletzt auf eine positive Art undurchschaubar, ohne Sprachwitz und Ironie zu verlieren. Sehr gut!
von Christina Welser - 2023-04-17 15:41:09

Echtzeitalter - 5 Sterne

Eigentlich hab ich mich innerlich dagegen gesträubt, einen Roman zum Thema Schule zu lesen, bin ich doch in der glücklichen Lage, zwei Kinder zu haben, deren Matura schon einige Jahre zurückliegt (und meine eigene noch ein paar Jahre mehr). Schließlich habe ich mich überwunden, denn Tonio Schachinger zählt zu den interessantesten jungen Autor*innen Österreichs. Und um es gleich auf den Punkt zu bringen - ich bin restlos begeistert: Die Charaktere sind hervorragend gezeichnet, die verschiedenen Textebenen gehen fließend ineinander über, und der Stil ist der jeweiligen Situation angepasst. Großes Einfühlungsvermögen und eine gewisse Zärtlichkeit seinen Protagonist*innen gegenüber sowie ironische Distanz und bissiger Sarkasmus gegenüber Österreich und seinen Institutionen machen diesen Roman zu einem vielschichtigen Lesegenuss!
von Florian Lechner - 2023-04-04 18:26:07

Ein fesselnder Schulroman - 5 Sterne

Dieser talentierte Autor hat den Schüler Gerber ins 21. Jahrhundert geholt. Statt Gott Kupfer gibt es den bildungsbürgerlichen, sadistischen Lehrer Dolinar, der aus Kärnten stammt und mit dem sich der pubertäre Protagonist ausssichtslose Duelle liefert. Ein großartiger Roman mit Wien Colorit, Age of Empires 2 und einem guten Ende.
von HEYNi Christine Klepitsch im Unruhestand - 2023-04-02 22:18:10

Kokorda oder Gerber? - 5 Sterne

Ein neuer Schüler Gerber? - Mitnichten. Die Irrungen und Wirrungen des Gymnasiasten Till Kokorda am ehrwürdigen Wiener Marianum sind auf jeden Fall große österreichische Literatur. Drangsaliert vom gefürchteten Professor Dolinar flüchtet Till in die Online-Welt der Computerspiele. Gefangen zwischen den lähmenden Traditionen des elitären Gymnasiums und seiner Suche nach Bestätigung und sich selbst, droht Till aufgerieben zu werden. Seine Freundschaft mit Feli und Fina reißt ihn etwas aus der Lethargie, seine romantischen Gefühle machen die Dinge aber nicht einfacher. Ob Till bis zur Matura alles in den Griff bekommt, bleibt für die Leser*innen bis zum Schluss spannend.
Den Namen Tonio Schachinger wird man sich merken müssen. Feinsinnig, am Puls der Zeit, witzig, tragisch - großartig! Schon mit seinem ersten Roman hat er es auf die Shortlist zum Deutschen Buchpreis geschafft. Mit diesem Buch scheint noch mehr möglich - sehr empfohlen!
von Alexander Kornell - 2023-03-30 17:20:25

Echtzeitalter - 5 Sterne

In einem elitären Wiener Internat erlebt Till eine Jugend zischen Gaming und Klassenlektüre. Sein Klassenlehrer ist ein despotischer Mann, der die Jugendlichen nach seinen Vorstellungen formen will. Niemand weiß, dass Till eine Online-Berühmtheit ist, und zu den jüngsten Top-10-Spielern der Welt gehört. Ein großartiger Roman in einer wunderbaren Sprache geschrieben.
von Doris Stadlbauer - 2023-03-30 09:28:48

Echtzeitalter - 5 Sterne

Acht lange und turbulente in einer Wiener Eliteschule mit Höhen und viel mehr Tiefen für Till Kokorda. Einfühlsam, witzig und großartig erzählt, ein grandioses Buch!
von Ute Thiel - 2023-03-27 10:51:26

Poah, kann der schreiben! - 5 Sterne

Wiener Elitegymnasium, mit allem was dazugehört. Verhaltensoriginellen bis –auffälligen Lehrern. Schülern, über die man zwar lacht aber wahrscheinlich nur, wenn man nicht betroffener Lehrer ist. Verstaubte Ansichten treffen auf trübe Aussichten und natürlich denkt man an Schüler Gerber, ist ja logisch.
Aber keine Sorge, das große Drama bleibt aus, dafür gibt’s viele kleine, sehr, sehr witzige im Umfeld von Till Kokorda, dem erfolgreichen Gamer, der gern mal sein Reclamheftl vergisst und dafür mit grauenhaften Konsequenzen zu rechnen hat. Sein Gegenpart ist übrigens der Dolimar, ein Pädagogikdespot, wie man ihn sich nicht besser ausdenken kann. Klar geht’s auch um Mädels, getrunken und gekifft wird auch … wie im richtigen Leben halt.
Aber was der Tonio Schachinger aus der Geschichte macht, mit welcher Kunstfertigkeit er sie erzählt, welch herrlich komische Vögel er sich da (wahrscheinlich nicht nur) erdacht hat, ist richtig große Kunst und mitunter eine Fetzngaudi!
Und ICH freu mich einfach gewaltig über das Buch und den Autor und besorg mir gleich sein vorheriges!
von Stephan Lauf - 2023-03-16 16:11:04