Rezensionen

Bumgartner
Roman | "Einer der Weltstars der Gegenwartsliteratur" Bayerischer Rundfunk

Autor: Auster, Paul

Erschienen 2023 bei Rowohlt Verlag, GmbH
ISBN 978-3-498-00393-7
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Ein Könner seines Handwerks - 4 Sterne

Seymour T. Baumgartner, die alternde Hauptfigur, emeritierter Philosophieprofessor und Schriftsteller, hat vor zehn Jahren bei einem Badeunfall seine Frau Anna unerwartet verloren – dreißig Jahren waren die beiden verheiratet. Sie war die Liebe seines Lebens und auch nach zehn Jahren kann er mit seiner Trauer kaum umgehen, wie amputiert fühlt er sich.

Nun lebt er einsam und allein in seinem Haus, mit wenig Ansprache und sozialen Kontakten. Um mit der Postbotin fast täglich ein paar aufmunternde Worte zu sprechen, bestellt er Bücher, die er zum Entsorgen auf der Veranda stapelt.

Es werden viele Geschichten und Themen aus Baumgartners Leben angerissen, wie kurze Schnappschüsse – diese bleiben jedoch meist nur an der Oberfläche. Die Herkunft seiner jüdischen Eltern aus dem damaligen Polen, heute Ukraine, seine Schwester, eine neue Liebe nach Jahren der Einsamkeit und eine Studentin, die den Nachlass seiner Frau für eine Dissertation durchforsten möchte – zu viele Themen stapelt Auster hier auf 208 Seiten.

Der Roman erzählt von Liebe, Schmerz und Vergänglichkeit, Alter, Trauer und Erinnerung sowie Herkunft und Einsamkeit und liest sich zeit- und seitenweise wunderschön, melancholisch und sentimental. Jedoch fehlt dem Roman dann wieder an manchen Stellen Tiefe.

Aus dem Englischen von Werner Schmitz
von niki - 2024-04-02 21:59:00

Baumgartners Rückschau - 3 Sterne

Das neue und vielfach gepriesene Buch des bekannten Schriftstellers Paul Auster (New York Trilogie) enttäuscht. Es beginnt zwar furios mit der Darstellung eines chaotischen Tages eines vielleicht dement werdenden Philosophen, dann wird es aber zäh den alten Mann weiter zu begleiten. Wir erfahren vom Tod seiner Frau durch Ertrinken, ihren schriftstellerischen Ambitionen, Beispiele dafür wirken in den Text hineinkopiert, ihrer großen Liebe, nach deren jähem Ende Baumgartner an seelischem Phantomschmerz leidet. Das Buch schleppt sich weiter über die oberflächliche Darstellung von wenig spektakulären Familiengeschichten und einer nüchternen Lebensbilanz und endet in der Vorfreude des alten Herrn auf eine Dissertantin, die das Werk seiner Frau bearbeiten will. Wir lesen über ein letztes kreatives Aufbäumen von S. T. Baumgartner vor der kognitiven Verflachung, eine letzte Hinwendung zur Welt vor der drohenden Vereinsamung, eine letzte Aufbruchstimmung nach Jahren der Trauer, die an einem Baum endet.
von Herwig Oberlerchner - 2024-03-21 09:29:00

Phantomschmerz - 5 Sterne

Paul Auster erzählt in seinem Roman vom Überleben nach Verlusten. Nach Verlusten, die einen Riss in der persönlichen Zeitrechnung darstellen, die das ganze Leben in ein Davor und ein Danach teilen.

S. T. Baumgartner, 71jähriger Phänomenologe, hat vor 9 Jahren seine Frau verloren. Er hat redlich versucht, sein Leben neu zu orientieren, aber so ganz gelingt es nicht. Wie auch? Manche Verluste können nicht heilen, Erinnerung wird zu Phantomschmerz.
Es sind die zahlreichen gedanklichen Exkursionen in die Vergangenheit, die die Geschichte einer großen Liebe erzählen. In Gedankensprüngen und Erinnerungen werde Vergangenheit und Gegenwart ineinander verknüpft. Dazu kommen noch die literarischen Skizzen der Protagonisten, die dieses berührend ehrliche Bild vervollkommnen.
Ein Roman, in dem sich wieder zahlreiche Hinweise auf Austers Vorbilder finden lassen, aber auch viele Anspielungen auf sein eigenes Werk und sein eigenes Leben, sein Altern, seine Erkrankung.

Es mag schon sein, dass dieses Buch nicht sein bestes ist, aber dieser kurze Text überrascht und fesselt mit Tiefe und literarischer Souveränität. Es ist ein kleines, melancholisches Kunstwerk.
Auch wenn das offene Ende mich ein wenig unzufrieden zurücklässt, so ist mir doch klar, dass es kein anderes Ende geben konnte! Großartig – Paul Auster eben!

Lesenswert!

von MiriamBrandl - 2024-03-02 17:23:00