Rezensionen

Geschichte eines Kindes
Roman

Autor: Anna Kim

Erschienen 2022 bei Suhrkamp
ISBN 978-3-518-43056-9
Rezension verfassen

Geschichte eine Kindes - 5 Sterne

Die Autorin verbringt ein paar Monate zu Recherchezwecken in Amerika und stößt dort, ohne es zu wollen, auf die Geschichte des kleinen Daniels, der 1953 von seiner Mutter zur Adoption freigegeben wird. Der soziale Dienst kümmert sich um ihn, doch da er eindeutig "negride" Körpermerkmale aufweißt, kann er nicht an eine weiße Familie vermittelt werden. Sie betreiben eine anthropologische Studie und vermessen und studieren das Baby, denn der Vater ist nicht bekannt. Wer diese Studie liest, ist entsetzt über den offensichtlichen Rassismus, doch es bringt die Autorin dazu, sich einzugestehen, dass sie ein halbes Jahrhundert danach noch dasselbe als Kind erlebt hat. Dieser Roman berührt und ernüchtert, er zeigt, wie wir auf das Fremde reagieren!
von Barbara Kumpitsch - 2022-10-17 16:21:19

Anders aufwachsen - 4 Sterne

Daniel Truttman ist in den 50er Jahren in der Kleinstadt Greenbay geboren und wurde von seiner Mutter dem Sozialdienst übergeben, weil sie ihn nicht behalten wollte. Den Vater will sie nicht preisgeben und verschleiert seine Identität auf diverse Arten. Nur eins soll er angeblich nicht sein, ein Farbiger.

Doch Danny sieht aus wie ein Mischlingskind. Die zuständige Sozialarbeiterin verbeißt sich in die Frage der Rassenbestimmung, als gäbe es nichts Wichtigeres! Sie verhindert sogar eine mögliche Adoption, weil die Identität noch nicht geklärt ist.

Diese Abschnitte lesen wir als Protokolle der Untersuchungen und Befragungen. Im zeitlichen Kontext sind sie wahrscheinlich recht realistisch verfasst, doch für unsere heutigen Sprachgebrauch ist das manchmal echt hart zu verdauen. Es macht einen regelrecht wütend beim Lesen.

Doch die Frage der Herkunft stellt sich nicht nur in der Vergangenheit, denn die Aufdeckerin der Geschichte ist ebenfalls halb europäisch, halb asiatisch. Sie landet zufällig als Untermieterin bei Danny's Frau und man sollte annehmen, gerade sie, die ihr Leben mit einer Person of Color verbracht hat, sollte etwas sensibler damit umgehen. Doch sie beharrt immer wieder auf den Unterschieden. In der Gegenwart ist sie wohl die schlimmste Rassistin.

Zusätzlich zur Rassenthematik stellt die Autorin auch die Mutterschaft infrage. Sämtlich Mütter in diesem Buch haben ihre Kinder verlassen oder in Anwesenheit vernachlässigt. Einzig Danny's Adoptivmutter scheint eine gute Mutter gewesen zu sein.

Die Verbindungen zwischen "dem Kind" und der Ich-Erzählerin sind vielfältig und doch unterscheidet sie einiges. Die Zeit in der sie leben, verbaut nur Danny die Zukunft, doch die fehlende Mutterliebe lässt beide nicht los.

"Geschichte eines Kindes" beleuchtet Rassismus hauptsächlich in historischem Kontext und die Verfehlungen der Vergangenheit sind uns größtenteils bekannt. Daher empfinde ich dieses Buch eher als Beitrag zur Erinnerungskultur. Große Fragen zur Diskussion wirft das Buch eigentlich nicht auf. Nach Sensibilität im Sprachgebrauch muss hier nicht gefragt werden, denn das Drama spielt sich in den 50er Jahren ab und wir alle wissen, welche Begriffe damals gebräuchlich waren.

Dennoch empfehle ich das Buch, denn es ist ein weiterer Beitrag, der deutlich macht, dass es keine Rassen gibt, sonder nur Menschen, die als Menschen wahrgenommen werden wollen!
von Miro - 2022-10-13 22:14:00

Ergreifend - 5 Sterne



Die in Korea geborene Schriftstellerin Anna Kim, kam mit zwei Jahren nach Deutschland. Heute lebt sie in Wien.

Ihr Roman, Geschichte eines Kindes, basiert auf eine wahre Begebenheit.

Anna Kim bekommt Ideen für Romane geschenkt und irgendwann erinnert sie sich daran und erzählt eine interessante Geschichte.

In dieser Erzählung geht es um ein Baby, das in Amerika von seiner Mutter 1952 zur Adoption freigegeben wird.

Die Sozialbehörde bemerkt, das der Junge ein Mischling ist. Die Mutter verweigert den Namen des Vaters.

Die Geschichte ist experimentell geschrieben. Da wird viel telefoniert, hin und her. Das Kind wird vermessen und getestet.
Es dauert lange bis es zu Pflegeeltern darf.

Die Erzählung ist anders als erwartet, aber großartig angelegt.


von begine - 2022-09-08 10:27:00